Justiz - Überwachungskamera filmt fast halbstündige Gewaltorgie im Café Royal / Plädoyers im Prozess vor dem Landgericht am kommenden Dienstag

Überwachungskamera filmt fast halbstündige Gewaltorgie im Mannheimer Café Royal

Von 
Stefanie Ball
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Die Beweislage ist eindeutig: Eine Überwachungskamera hat gefilmt, wie ein 35-Jähriger seinen 43-jährigen Bekannten nach einem Streit im Café Royal krankenhausreif prügelt. Der Fall wird vor dem Mannheimer Landgericht verhandelt. © dpa

Mannheim. Am Ende wischt der mutmaßliche Täter, Mihai S., das Blut mit einem Wischmopp auf, spritzt dem Opfer, das regungslos auf dem Boden liegt, Wasser ins Gesicht. Es sind die letzten Szenen in einem 28-minütigen Drama, das die Überwachungskameras im Café Royal in der Neckarstadt-West aufgezeichnet haben. Installiert wurden sie von der Spielautomatenfirma, die Geräte in der Bar aufgestellt hat. Ein Glücksfall für Polizeiermittler und Gericht, schwer zu ertragen für Zuschauer.

Streit um 150 Euro

Der Film endet mit dem Eintreffen der Rettungskräfte, die den Schwerverletzten ins Krankenhaus bringen, wo dieser durch einen intensivmedizinischen Eingriff gerettet wird. Später, vor dem Schwurgericht der ersten Strafkammer des Mannheimer Landgerichts, das den Fall verhandelt, wird das Opfer berichten, dass es sich so gut wie nicht mehr an jenen Abend Anfang Juni vergangenen Jahres erinnern kann. Es sei sein Geburtstag gewesen, sagt der 43-Jährige, er habe bereits morgens um zehn Uhr mit dem Alkoholtrinken begonnen. Später sei dann Mihai S. (35) in die Bar gekommen, andere Bekannte seien auch da gewesen. Es wird viel getrunken, Mihai S. trinkt mit.

Täter und Opfer stammen beide aus Rumänien, kennen sich seit Jahren, das Opfer, das als Nebenkläger vor Gericht auftritt, spricht von einem freundschaftlichen Verhältnis. Doch nach Mitternacht, exakt um 1.06 Uhr – alle anderen Gäste sind bereits gegangen – eskaliert die Situation. Ausgangspunkt ist wohl ein Streit um 150 Euro, die Mihai S. dem anderen schuldet. Das spätere Opfer führt den ersten Faustschlag aus, wie auf den Schwarz-Weiß-Aufnahmen des Tatvideos zu erkennen ist. Die beiden Männer rangeln miteinander, doch schnell gewinnt Mihai S. die Oberhand und lässt fortan nicht mehr ab vom 43-Jährigen. Der liegt bald auf dem Boden, immer wieder tritt Mihai S. gegen den Kopf des Mannes, boxt ihn in den Bauch, tritt ihn wieder, zerrt an ihm. Wie es scheint, spricht er auch mit ihm – und immer, wenn der andere antwortet, schlägt er erneut zu. Zwei oder drei Mal macht das Opfer den Versuch, sich aufzurappeln, doch schon streckt die nächste Faust ihn nieder. Mihai S. holt sich ein Glas Wasser, sein Handy hat er die ganze Zeit in der Hand, er macht Aufnahmen und wohl auch Fotos von dem Geschehen.

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Es ist still im Gerichtssaal, als der Stummfilm läuft. Der Angeklagte hat die Hände vors Gesicht geschlagen, er will sich selbst nicht zusehen. Die Staatsanwaltschaft wirft Mihai S. nicht nur vor, mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt zu haben, sondern auch grausam, aus einer gefühl- und mitleidlosen Gesinnung heraus.

Flucht in die Schweiz

Wie es so weit kommen konnte? Das Opfer selbst hatte bei seiner Vernehmung gesagt, er habe den Angeklagten zuvor nie aggressiv erlebt. Die Ex-Freundin des Bruders, die ebenfalls als Zeugin vor Gericht geladen ist, erklärt: „Ich kann es nicht glauben, dass das passiert ist, er ist eigentlich ein guter Mensch.“ Der Bruder hatte sie mitten in der Nacht angerufen, Mihai S. habe jemanden geschlagen, sie solle mitkommen zur Bar. Die Überwachungskameras haben auch das aufgezeichnet. Der 35-Jährige flüchtet nach der Tat, er wird wenig später in der Schweiz festgenommen.

Mihai S. war vor 16 Jahren das erste Mal von Rumänien nach Deutschland gekommen. Seine damalige Frau lebt hier. 2011 trennte sich das Paar, zwei Jahre später folgte die Scheidung. Aus der Ehe stammt eine Tochter, sie ist heute zwölf. Für Mihai S. ist das Mädchen der Hauptgrund, um in den Folgejahren immer wieder nach Mannheim zurückzukehren. Mihai S. wohnt dann bei seiner Mutter. Weil er nie Geld hat, fängt er an zu dealen. 2015 gerät er an einen verdeckten Ermittler, landet im Herbst desselben Jahres vor Gericht. Das Urteil wegen Betäubungsmittelbesitzes und -verkaufs: anderthalb Jahre auf Bewährung.

Am kommenden Dienstag werden die Plädoyers gehalten. Dass Mihai S. ins Gefängnis muss, ist klar. Die Frage ist nur, für wie viele Jahre.

Freie Autorin

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