Mannheim. Speziell im Mannheimer Osten sind viele frustriert, dass der Großteil von Spinelli noch gesperrt ist. Wer etwa dort - wenn wieder jemand die Gitter weggeschoben hat - mit Menschen spricht, hört dazu auch einige halb- oder unwahre Theorien. Vor allem, was den Schutz der vom Aussterben bedrohten Haubenlerche angeht. Einige Mythen halten sich selbst in der Lokalpolitik. Hier ein Überblick über die gängigsten.
Mythos 1: Die Haubenlerche gehört nicht nach Mannheim
Laut der städtischen Expertin Katrin Back ist das falsch. Schon vor Monaten sagte sie dem „MM“, früher seien diese Vögel hier so häufig gewesen wie Spatzen. „Dann wurden sie durch den Wegfall geeigneter Brutgebiete immer weniger.“ Die letzten Bestände habe es auf Spinelli, Coleman, im Umfeld des Maimarktgeländes sowie neben der Dualen Hochschule in Neuostheim gegeben. Seit 2017 sei kein Brutpaar mehr in Mannheim gesehen worden.
Mythos 2: Auf Spinelli war seit Jahren keine einzige Haubenlerche
Das stimmt auch nicht. Der Naturschutzbund berichtete im Sommer 2023, dass auf Spinelli sowie in der Feudenheimer Au drei einzelne Exemplare gesichtet wurden.
Mythos 3: Wir hier können doch gar nichts dafür, dass diese Vogelart bundesweit vom Aussterben bedroht ist
Ganz so einfach ist das nicht. Als Bodenbrüter braucht die Haubenlerche Brachflächen mit Sandböden und höchstens zur Hälfte geschlossener Vegetation, wie sie zur Bundesgartenschau im Westteil von Spinelli geschaffen wurden. Ansonsten gibt es die in Mannheim wie im ganzen Land immer weniger, wegen veränderter Landwirtschaft und Baugebieten. Hinzu kommt: Als Buga-Chef Michael Schnellbach erstmals das Areal betrat, wunderte er sich über viele Milchschüsseln. Darauf wurde ihm berichtet, dass nach dem Abzug der US-Armee Katzenfreunde einen Schlüssel bekommen hätten, damit sie sich über die von Amerikanern zurückgelassenen Tiere kümmern. Diese von Menschen gepäppelten Streuner machten dann dort lebenden Haubenlerchen den Garaus.
Mythos 4: Hauptfeind der Haubenlerche ist die Katze. Da muss man Menschen nicht mit Zäunen aussperren
Teil 1 ist korrekt, Teil 2 nicht. Benötigt werden zwei ganz unterschiedliche Arten von Zäunen. Sobald irgendwo ein Haubenlerchenpaar brütet, muss es vor Fressfeinden geschützt werden. Nach Angaben des Regierungspräsidiums (RP) wird dazu üblicherweise um das Nest herum ein katzenabweisender Elektrozaun aufgestellt. Die jetzt auf Spinelli benötigten Zäune dagegen sollen dauerhaft Menschen und vor allem Hunde davon abhalten, auf für die Vögel vorgesehenen Flächen herumzulaufen. Sonst werden die sich dort kaum niederlassen. Dafür dürfte schon eine Höhe zwischen einem und 1,20 Metern genügen. Umweltbürgermeisterin Diana Pretzell berichtete kürzlich dem Konversionsausschuss, die laufenden Verhandlungen mit dem RP drehten sich auch darum, ob an manchen Stellen Hecken eine Alternative seien.
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Mythos 5: Man könnte für jene Vögel einen abgelegenen Acker im Westteil des Geländes reservieren und den Rest freigeben
Das reicht nicht. Haubenlerchen brauchen einen großen Lebensraum, die Rede ist von zwei Hektar pro Brutpaar. Fünf davon sollen Platz auf Spinelli finden. Laut Pretzell ist mit dem RP mittlerweile geklärt, dass jene Flächen vor allem westlich der Völklinger Achse liegen. Aber benötigt werde auch ein Acker ganz im Osten, weil dort - beim NaturFreunde-Garten - eine Haubenlerche gesichtet worden sei.
Mythos 6: Nur wegen dieser einen Vogelart macht man so ein Bohei
In erster Linie wegen ihr, aber nicht nur. Teile des Buga-Geländes sind auch für andere seltene bis bedrohte Tierarten vorgesehen: Kreuzkröten, Mauereidechsen, Wildbienen und Gebüschbrüter wie Dorngrasmücke, Neuntöter oder Gelbspötter. In deren Habitaten sollten Menschen und Hunde ebenfalls nicht einfach so durchlaufen können. Gleiches gilt etwa für das zur Gartenschau angelegte Molchgewässer auf dem Weg zum Panoromasteg.
Mythos 7: Dass so viel von Spinelli eingezäunt werden muss, ist die Schuld von Peter Kurz
Diesen Gedanken gibt es dem Vernehmen sogar bei manchem im Rathaus, er ist nachweislich falsch. Natürlich trägt der frühere Oberbürgermeister die Hauptverantwortung für die Buga. Aber dass danach auf dem Gelände umfangreicher Artenschutz erforderlich sein wird, war und ist Bestandteil der Verträge, die auch öffentlich im Gemeinderat präsentiert wurden. Da regte sich kein Widerstand. Nach Bekanntwerden der Zaun-Vorgaben im November 2023 behaupteten dann einige, sie hätten noch nie etwas davon gehört. Neu war damals indes, dass laut Schnellbach wohl 15 bis 18 der insgesamt rund 80 Hektar von Spinelli eingezäunt werden müssen. Das wurde offenbar erst Jahre später mit dem RP so abgesprochen und soll nun herunterverhandelt werden.
Mythos 8: Die Stadtspitze sagt nicht, wer das mit den Zäunen verbockt hat
Doch, tut sie. Schon Mitte November erklärte Pretzell im Gemeinderat, den artenschutzrechtlichen Plan habe die Buga-Gesellschaft entwickelt. Menschen, die „einen super Job gemacht“ hätten, wolle man nun aber nicht öffentlich an den Pranger stellen. Als der Umweltbürgermeisterin kürzlich im Konversionsausschuss erneut die Schuldfrage gestellt wurde, wiederholte sie ihre Aussage, wer dafür verantwortlich sei. Von Schnellbach, in beiden Sitzungen anwesend, kam kein Widerspruch.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Mannheimer Spinelli-Öffnung als Groteske