Fahrlachtunnel - Bauwerk wurde offenbar wegen geteilter Betriebsverantwortung vernachlässigt / Probleme bei Kabelschächten und technischen Plan-Unterlagen

Gesperrter Fahrlachtunnel in Mannheim: Stadt räumt "eklatantes Organisationsdefizit" ein

Von 
Thorsten Langscheid
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Die Aufnahme entstand bei den Brandversuchen im Fahrlachtunnel im November. © Michael Ruffler

Mannheim. Die Stadt Mannheim räumt erstmals öffentlich ein „eklatantes Organisationsdefizit“ beim Betrieb des knapp 28 Jahre alten Fahrlachtunnels ein. Dies sagte Alexandre Hofen-Stein aus dem Rathaus-Dezernat V von Bürgermeisterin Diana Pretzell (Grüne) am Mittwochabend in der Online-Sitzung des Bezirksbeirats Lindenhof. So habe der seit August 2021 wegen Sicherheitsmängeln voll gesperrte Tunnel in der geteilten Betriebsverantwortung der beiden Fachbereiche Tiefbau und Immobilienmanagement gelegen. Dabei seien dann jeweils isoliert einerseits nur rein bauliche Überprüfungen und andererseits nur Prüfungen der Tunneltechnik erfolgt. Bislang stets mit dem Ergebnis, so Hofen-Stein, dass „alle Anlagen im Tunnel funktionieren“. Dass zwischenzeitlich – im Jahr 2006 – die gesetzlichen Brandschutzbestimmungen verschärft wurden, sei dabei offenbar nicht als Handlungsbedarf erkannt worden.

Fahrlachtunnel

  • Der knapp 500 Meter lange, zweiröhrige Fahrlachtunnel auf der B 36 südlich der Mannheimer Innenstadt verbindet die östlich von Mannheim verlaufende B 38a mit der nach Ludwigshafen führenden B 37 im Westen. An Spitzentagen nutzten ihn vor der Sperrung bis zu 60 000 Fahrzeuge. Nach sechs Jahren Bauzeit war er im April 1994 eröffnet worden.
  • Wegen Mängeln in der Sicherheitstechnik – unter anderem bei der Lüftung des Tunnels im Fall eines Brands – wurden am 18. Juni jeweils eine Fahrspur in beide Richtungen gesperrt. Am 3. August folgte dann die Vollsperrung.
  • Nach bisherigem Zeitplan soll von 2024 bis voraussichtlich 2027 eine Generalsanierung des Bauwerks erfolgen.

Das Bundesverkehrsministerium hatte seinerzeit die fortgeschriebenen „Richtlinien für die Ausstattung und den Betrieb von Straßentunneln“ – kurz RABT – an Land, Regierungspräsidien und Kommunen weitergegeben. In seinem Rundschreiben zu den RABT, die auf EU-Recht beruhen und als Folge von schweren Brandunfällen in Alpen-Tunneln entstanden sind, empfiehlt das Ministerium eine Risikoanalyse von Tunneln mit mehr als 400 Metern Länge und explizit auch Brandversuche. In den RABT selbst heißt es zudem, es sei im Einzelfall zu prüfen, welche Nachrüstungen vorgenommen werden müssten, um den Sicherheitsstandard gemäß der Richtlinien zu erreichen.

Hofen-Stein ist mit der internen Ursachenforschung beauftragt, wie es zu der Vernachlässigung des vor der Sperrung von täglich rund 60 000 Autos befahrenen Tunnels kommen konnte. Zudem soll er sicherstellen, dass die für das dritte Quartal dieses Jahres angekündigte Öffnung des Tunnels im jeweils einspurigen Notbetrieb nur für Pkw realisiert und dann eine Generalsanierung ausgeführt werden kann. Die vorläufige Öffnung, so der Verwaltungsfachmann, sei trotz teils enormer Lieferschwierigkeiten bei den Herstellern „nach heutigem Stand trotz einiger Überraschungen“ zu halten. Dafür stehen rund zwei Millionen Euro zur Verfügung.

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Zu diesen Überraschungen gehört beispielsweise, dass die Pläne des Tunnels und der technischen Anlagen im Betriebsgebäude in der Großen Holzgasse in einem „sehr schlechten Zustand“ gewesen seien, nicht in digitalisierter Form vorgelegen hätten und deswegen nun neu gezeichnet werden mussten. Beim Öffnen von Kabelschächten im Tunnelinneren habe sich zudem herausgestellt, dass teilweise schlampig gebaut worden sei, so dass Leitungen mit Beton umschlossen seien. Hofen-Stein: „Dies müssen wir nun in sehr kleinteiliger Arbeit in Ordnung bringen.“

Bereits bei den Rauchversuchen im November hatte die Stadt von Mängeln an der Tunnellüftung und der Brandsensorik sowie von Defiziten bei anderen technischen Anlagen wie Stromversorgung, Lautsprecheranlage oder Notrufanlage gesprochen. Die gesamte technische Ausstattung des Tunnels funktioniere zwar, entspreche allerdings nicht dem aktuellen Stand der Technik. Das vorläufige Ergebnis der Rauchversuche fasste Bürgermeisterin Pretzell so zusammen: „Eine Rettung aus dem Tunnel im schlimmsten Fall wäre möglich, aber stark erschwert.“

ML-Stadtrat Christopher Probst hatte bereits im November prophezeit, dass das Ergebnis der internen Untersuchungen „ganz einfaches Organisationsversagen“ sein wird. Hofen-Stein jetzt im Bezirksbeirat: „Versagen? Nein, aber eklatantes Organisationsdefizit muss man es nennen.“ Bislang war davon die Rede, dass man nicht eine Person im Rathaus „herauspicken und sagen könne: Der hat es verbockt“, sondern es hätten „Schnittstellen“ in der Kommunikation der Verwaltung „nicht funktioniert“. Ziel der Stadt sei nun auch, „Schlüsse zu ziehen, wie zukünftige Prozesse und Organisationsstrukturen des Tunnels aufgebaut werden müssen“, hatte es im November auf Nachfragen dieser Redaktion geheißen.

Der frühere Bürgermeister Lothar Quast (SPD), bei dessen Dezernat viele Jahre die Zuständigkeit für den Tunnel lag und der nun im Ruhestand ist, hatte sich öffentlich nicht zu dem Tunnel-Debakel äußern wollen. Die Umsetzung der Sicherheits-Richtlinien aus dem Verkehrsministerium wird allerdings nicht kontrolliert. Nach Angaben des für die Kommunalaufsicht zuständigen Regierungspräsidiums (RP) Karlsruhe sei der Baulastträger, also die Stadt Mannheim, „selbst dafür verantwortlich, dass das Regelwerk (RABT) eingehalten wird“.

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