Mannheim. Der Angeklagte hockt zusammengekrümmt neben seinem Anwalt, die Augen tupft er oft unauffällig mit einem Papiertaschentuch trocken. Seine zierliche Ehefrau sitzt währenddessen kerzengerade auf dem Zeugenstuhl des Landgerichts und erzählt, was sich am 19. August gegen 10.30 Uhr in der gemeinsamen Mannheimer Wohnung zugetragen hat: Sie säubert in der Küche ein Bügeleisen und bemerkt, dass ihr Ehemann hinter ihr steht. Sie dreht sich um, Besim Z. zückt plötzlich ein Messer und sticht auf sie ein. Sie schreit, versucht, seine Hände zu greifen, doch der 48-Jährige trifft sie an den Schultern. Dann sinkt die Frau auf die Knie, er sticht weiter auf sie ein - doch die herbeigeeilten 16 und zwölf Jahre alten Töchter halten ihren Vater von hinten fest. Er lässt von seinem Opfer ab und verschwindet aus der Wohnung. So soll sich laut der 41-Jährigen die Tat zugetragen haben. Sie war danach ein paar Tage im Krankenhaus und dann einen Monat krankgeschrieben. Heute arbeite sie wieder als Putzhilfe, doch bei Wetterwechsel habe sie noch immer Schmerzen.
Ihr damaliger Ehemann suchte bei der Verhandlung am Donnerstag erst nach einer halben Stunden Augenkontakt zu der Frau, mit der er 21 Jahre verheiratet war und die sich von ihm trennen wollte. Für Ende August war der Auszug geplant. Kennengelernt haben sich die beiden in Albanien, die Familien arrangierten die Ehe. Zehn Jahre suchte das Paar sein Glück in Italien, wo auch die beiden Töchter zur Welt kamen.
Mutter verteidigt
Die Ältere sagte auch am Landgericht aus. Demnach habe sie kurz vor der Tat mit ihrer Schwester in ihrem Zimmer gewartet, weil die Mutter mit den beiden Schulsachen einkaufen wollte. Ihre Aussage zur Messerattacke deckt sich mit der der Mutter. Über einen Monat zuvor habe sie die Mutter mehrfach gegenüber dem Vater verteidigt: Dieser habe herumgeschrien und behauptet, dass seine Ehefrau gar nicht zur Arbeit gehen, sondern sich mit anderen Männern treffen würde. Das stimme nicht, so die 16-Jährige. Ihre Mutter habe zu den Vorwürfen meist geschwiegen. Grund für die Tat war vermutlich die von dieser beabsichtige Trennung: Zum 1. September wollte sie ihren Mann verlassen, in eine andere Wohnung ziehen und sich dann scheiden lassen.
Mehrfach hakte Richter Gerd Rackwitz nach, weil sie einer Nachbarin Folgendes erzählt habe: Von der Familie ihres Mannes hatte sie erfahren, dass dieser sie töten wolle. Die 41-Jährige erklärt, dass sie das der Nachbarin gesagt habe. Ihre Schwägerin habe ihr das am Telefon erzählt, doch sie habe entgegnet, dass diese sich keine Sorgen machen solle. Weiter habe der Mann Wochen zuvor den Kindern gesagt: „Ich werde eure Mutter umbringen!“ Sie habe entgegnet: „Wenn du es tun willst, dann sofort, aber mache den Kindern keine Angst!“ Andererseits habe er auch mal gesagt: „Wegen dir gehe ich nicht ins Gefängnis!“ Hintergrund: Falls die Tat von langer Hand geplant war, wird das Urteil härter ausfallen als bei einer Tat im Affekt.
Die Frau erklärte außerdem, dass ihr Mann sie während der Ehe nicht geschlagen habe. Auch deswegen sei die Messerattacke überraschend gewesen, zumal sich der Mann am Tattag normal verhalten und es keinen Streit gegeben habe.
Verschiedene Angaben
Eine Auseinandersetzung gab es jedoch nach ihrer Aussage am 15. Juni: Er habe gebrüllt „Für euch arbeite ich nicht mehr! Ihr könnt gehen, wohin ihr wollt!“ und Türen zugeknallt. „Sein Motiv habe ich nicht verstanden. Ich weiß nicht, was er an dem Tag hatte“, so die 41-Jährige. Als sie ihm drei Tage später mitgeteilt habe, dass sie sich trennen wolle, habe er nicht wütend reagiert. E. sei dann am 7. Juli in den Kosovo gefahren und erst am 17. August, zwei Tage vor der Tat, zurückgekehrt.
Die Staatsanwältin hielt ihr Aussagen vor, die ihr Mann bei der Polizei gemacht habe: Sie habe am Tattag telefoniert und ihn dabei provoziert, damit er sie angreift. Letzteres könne sein Bruder bestätigen. Auch das sei nicht wahr, so die Exfrau. Und der Bruder sei am Tattag im Kosovo gewesen. Am 22. und 24. Februar soll die Verhandlung fortgesetzt werden.
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