Prozess - 47-Jähriger wegen versuchten Mordes angeklagt / Töchter greifen bei Tat ein

Versuchter Mord: Ehemann soll Trennung nicht akzeptiert haben

Von 
Angela Boll
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Im Saal 1 hat am Dienstagmorgen der Prozess gegen einen 47-Jährigen aus dem Kosovo begonnen. © Angela Boll

Mannheim. Er soll die Tat hinterlistig geplant und über einen längeren Zeitraum auf einen „günstigen Moment“ gewartet haben, um seine Frau zu töten: Ein 47-jähriger Mann muss sich derzeit vor dem Mannheimer Landgericht wegen versuchten Mordes verantworten. Die Vorwürfe, die in der Anklage geschildert werden, scheinen den Mann kaum zu beeindrucken. Er erscheint im grünen Kapuzenpulli, mit Jeans und Sneakern im Gerichtssaal, zurückgelehnt hängt er im Stuhl, über die Kopfhörer hört er die Dolmetscherin, die ihm alles ins Albanische übersetzt. Er reagiert kaum.

Auf die Fragen des Richters antwortet er knapp, aber gewissenhaft. Dafür richtet er sich auch auf. Sein Alter gibt er an, und dass er im Kosovo geboren wurde, Landschaftsbau studiert hat und seit über 20 Jahren verheiratet ist. Doch da gibt es bereits den ersten Einwand von Oberstaatsanwältin Jeanette Zipper. Denn sie weiß: Die Ehe ist bereits geschieden. Die Ex-Frau hatte einen Härtefall beantragt, der ging durch. Seit Ende Januar ist das Kapitel geschlossen, das Sorgerecht für die beiden Töchter hat die Mutter. „Ja“, sagt der Angeklagte, und nickt kurz, als Richter Gerd Rackwitz, nachfragt, ob er von der Scheidung wisse. Der Angeklagte lehnt sich wieder zurück in seinen Stuhl, verschränkt die Arme. Mehr gibt es nicht zu sagen.

Oberstaatsanwältin Jeannette Zipper fängt jetzt erst richtig an. Mit der Verlesung der Anklage bringt sie das ganze Ausmaß auf den Tisch. Sie ist davon überzeugt, dass der Angeklagte die Trennung, die im Juni 2021 von seiner Frau ausging, nicht akzeptieren wollte. 20 Jahre war das Paar verheiratet, dass die Ehefrau ihn dann verließ, habe er nicht verkraftet. Der Mann habe daraufhin zunächst die gemeinsame Wohnung in Mannheim verlassen. Er sei kurz darauf in seine Heimat im Kosovo gereist, habe sich bei Verwandten zurückgezogen. Schon dort habe er einigen Familienmitgliedern anvertraut, seiner Frau etwas antun zu wollen und lieber ins Gefängnis zu gehen, als die Trennung zu akzeptieren. So schildert es die Oberstaatsanwältin. Als er dann im August nach Deutschland zurückkam, habe er sich gegenüber seiner Frau aber so verhalten, als sei er mit allem einverstanden, auch mit der bevorstehenden räumlichen Trennung. Er zog scheinbar nur kurzfristig zurück in die gemeinsame Wohnung und vereinbarte mit seiner Ehefrau, dass er aber zum Monatsanfang eine andere Wohnung beziehen werde.

Frau mit Klappmesser angegriffen

Er habe sich nur vordergründig freundlich verhalten, „spielte das Einverständnis zur Trennung nur vor“, so Zipper: „Tatsächlich hat er jedoch den Entschluss gefasst, seine Ehefrau, die er als seinen Besitz angesehen hat, bei passender Gelegenheit zu töten, um seine Machtstellung innerhalb seiner Familie durchzusetzen.“ Am 19. August 2021, als seine Frau alleine in der Küche gewesen sei, habe er „die Gelegenheit zur Tötung erkannt“, ein Klappmesser aus einem Schrank im Flur genommen und sei dann auf seine Frau losgegangen, wohl wissend, dass für sie in der Küche keine Fluchtmöglichkeit besteht. Mehrmals habe er auf sie eingestochen, auch noch, als sie bereits am Boden lag. Erst als die beiden Töchter, elf und 15 Jahre alt, die sich zuvor im Kinderzimmer aufgehalten und die Schreie der Mutter gehört hatten, einschritten, habe er von seinem Opfer abgelassen und sei geflüchtet. Weil er aus niedrigen Beweggründen und heimtückisch gehandelt habe, ist der 47-Jährige nun wegen versuchten Mordes angeklagt. Kurz nach der Tat hatte er sich bei der Polizei gestellt. Er sitzt in U-Haft.

Nach Verlesung der Anklage schweigt der 47-Jährige. Er macht weder zu seinem Lebenslauf noch zu den Vorwürfen Angaben, das lässt er durch seinen Anwalt mitteilen. Einiges zu erzählen haben allerdings die Polizeibeamten, die als erste am Tatort erschienen und durch Anwohner informiert worden waren. Eine Beamtin erinnert sich genau, wie die verletzte Frau am Boden lag und die Töchter, unter Schock stehend, versuchten, das Geschehne zu schildern. „Sie waren verständlicherweise sehr aufgelöst. Beide erklärten, dass sie ihren Vater mit einem Messer in der Hand über ihrer am Boden liegendenden Mutter gesehen haben.“ Sie hätten ihn von ihr weggezogen, danach habe er die Wohnung verlassen. So beschreibt auch ein weiterer Beamter die Aussagen der Töchter. Die Verletzungen durch das Klappmesser seien letztlich nicht lebensgefährlich gewesen, erklärt die Rechtsmedizinerin, die das Opfer nach der Tat untersucht hatte. Allerdings habe eine potenzielle Lebensgefahr bestanden – und das heißt: Der Angriff hätte auch tödlich enden können.

Am Donnerstag sollen die Ehefrau und die älteste Tochter aussagen. Das Urteil könnte noch im Februar fallen.

Redaktion Lokalredakteurin, Gerichtsreporterin, Crime-Podcast "Verbrechen im Quadrat"

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