Mannheim. Als Dekan Karl Jung zum Aspergill greift, das Fernrohr und den kleinen Raum mit Weihwasser besprengt, da ist das die Krönung und der Abschluss von mehr als zehn Jahren Arbeit. Mit der Segnung des rekonstruierten Observationstürmchens auf der Sternwarte durch den katholischen Stadtdekan haben die Stadt und der Verein Stadtbild genau am 250. Jahrestag der Grundsteinlegung des Barockbaus dessen Jubiläum und auch den Abschluss seiner Sanierung gefeiert.
Als „ein Symbol für das Ausschauhalten nach Hoffnung, Gemeinschaft, Respekt und Miteinander und die Grenzen der Schöpfung“ – so hat der Stadtdekan die Sternwarte definiert. Und vor genau 250 Jahren war es ein Jesuit, nämlich Christian Mayer, der die Initiative für den Bau ergriffen, Kurfürst Carl Theodor davon überzeugt und hier lange als Hofastronom gearbeitet hat, ruft Karl Jung in Erinnerung.
Öffnungszeiten
- Offene Sternwarte: Sonntag, 23. Oktober, 11 bis 13 Uhr freie Besichtigung mit Infos in den Stockwerken.
- Weitere Termine: Do., 13. Oktober und Do., 27. Oktober, 16 Uhr, Führung zur Geschichte der Sternwarte mit Kai Budde, Fr., 21. Oktober, 17.45 Uhr „Sternwarte zwischen Tag und Nacht“ Führung, Aufstieg auf den Turm, Blick über die Kurpfalz mit Sonnenuntergang.
- Kunstausstellung: Kunstausstellung der Künstlernachlässe Mannheim bis 6. November jeweils Freitag 17 bis 19 Uhr , Samstag 14 bis 17, Sonntag 11 bis 14 Uhr mit Arbeiten der lange in der Sternwarte tätigen Künstler.
- Buchtipp: Kai Budde, „Das große Buch zur Mannheimer Sternwarte 1722 - 2020“, Großformat, Hardcover,256 Seiten, 256 Abbildungen, Verlag Waldkirch, 65 Euro.
Doch zuletzt sei der achteckige Turm „lange im Dornröschenschlaf“ gewesen, so Stadträtin Helen Heberer, Vorsitzende vom Verein Stadtbild. Dem hat sich inzwischen das von ihr mitgegründete „Aktionsbündnis Alte Sternwarte“ angeschlossen. 2009/2010 ging von dem Bündnis die Initiative aus. Es handele sich um „ein Team, das gut plant, effektiv arbeitet und fest zusammenhält“, dankt Heberer ihren Mitstreitern. Diesem Aktionsbündnis ist es gelungen, Spenden, Stiftungsgelder, Zuschüsse von Stadt, Land und Bund zu akquirieren – insgesamt 1,7 Millionen Euro, um von 2013 bis 2016 den Barockbau zu sanieren.
2019 ist dann noch, ermöglicht durch eine Spende, das alte Beobachtungstürmchen auf dem Dach mit Kupferkuppel rekonstruiert und per Autokran aufgesetzt worden. Zuletzt hat die Sternwarte noch einen Anbau für Toiletten, Küche und Stuhllager erhalten, der sich – geschickt und ohne die barocke Anmutung zu stören – an die Begrenzungsmauer zum Ursulinen-Gymnasium anschmiegt. Und das Beobachtungstürmchen krönt nun – als Geschenk von Architekt Lothar Schmucker – ein Fünfspitz, ein Nachbau des 1776 von Johann Jakob Hemmer konstruierten Blitzableiters.
Häufig geöffnet
Damit sei „ein langer, aufwendiger, aber sehr erfolgreicher Weg“ abgeschlossen, so Helen Heberer zufrieden. Feiern wollte man das zwar alles schon viel früher, doch nach der Rekonstruktion des Türmchens kam die Corona-Pandemie dazwischen – doch genau rechtzeitig zum 250. Jahrestag ist das Fest doch noch möglich geworden. Und nicht nur das: 73 mal werden Mitglieder des Aktionsbündnisses dieses Jahr – ehrenamtlich – den Barockbau für Besichtigungen, Lesungen, Ausstellungen oder andere Veranstaltungen öffnen. Das Ziel bleibe, die Sternwarte der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, betont Heberer. Dass dies bei den Bürgern wahrgenommen und gewürdigt werde, dafür sei ein spontanes Geschenk der Beleg: Andrea Wirthwein hat aus dem im Original erhaltenen Bericht von der Grundsteinlegung 1772 eine moderne Bildergeschichte gemacht.
Darin ist seinerzeit von der huldvollen Regierung des Kurfürsten die Rede – und von da schlägt Oberbürgermeister Peter Kurz den Bogen in die Neuzeit. Anstelle einer absolutistischen Regierung, wie einst unter Kurfürst Carl Theodor, sei es nun durch das gelungene Zusammenwirken von Bürgerschaft und Verwaltung möglich gewesen, die Sternwarte zu sanieren, so Kurz. Für diese, so der Oberbürgermeister, „mit unheimlich viel Fleiß, Engagement und Gedanken“ verbundene „Wiedererweckung“ dankt er dem Aktionsbündnis mit Heberer als „nimmermüdem Motor“ ebenso wie den beteiligten Ämtern, Kulturinstitutionen und Künstlern.
Damit sei es gelungen, die ja eher am Rande der Quadrate gelegene Sternwarte „als eine der wenigen Barockbauten unserer Stadt wieder ins Zentrum des Bewusstseins zu rücken“, würdigt Kurz das Engagement und räumt ein, dass sonst „das Jubiläum mehr oder weniger unbeachtet an uns vorbeigezogen wäre“. Dabei, so hebt der Oberbürgermeister hervor, stelle die Sternwarte ein wichtiges Symbol für die Epoche der Aufklärung und des Aufbruchs und „für Zeit dar, als Mannheim Zentrum der europäischen Kultur und der Wissenschaft gewesen ist“, so Kurz. Mit der Wiedereröffnung sei die Sternwarte nun „ein kultureller Ort und ein Ort der Erinnerung an eine glanzvolle Zeit“.
Auf die blickt Kai Budde, langjähriger Mitarbeiter im Technoseum und Autor des Buchs zur Sternwarte, zurück. Von der baulichen Fertigstellung 1775 bis zur Auflösung durch das Großherzogtum Baden 1880 sei die Sternwarte 105 Jahre wichtiger Ort der astronomischen Forschung gewesen, ab 1908 bis 2022 und damit 114 Jahre durch die Nutzung für Ateliers auch ein Ort der Kunst. Mit dem Wirken des Aktionsbündnisses ab 2010 habe „eine neue Zeit begonnen“ und der Barockbau erhalten werden können. Damit erfülle sich, was der Wunsch bei der Grundsteinlegung vor 250 Jahren gewesen sei – dass die Sternwarte „Jahrhunderte überdauern“ und ein Beispiel für „Zweckmäßigkeit und Schönheit“ ihrer Zeit geben möge.
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