Nahost-Konflikt

Friedlich, aber bisweilen hitzig: Zwei Demos in Mannheims City

Am Samstag hat sich wieder gezeigt: Der Krieg in Israel hat auch seine Auswirkungen auf Mannheim. Zwei Kundgebungen in der Innenstadt haben einen Großeinsatz der Polizei nötig gemacht. So lief der Abend ab

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Timo Schmidhuber
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Die Organisatoren von „Free Palestine“ mussten bis zum Verwaltungsgerichtshof, der ihre Kundgebung auf dem Marktplatz schließlich genehmigte. © Thomas Tröster

Mannheim. Wie auf der Schnur gereiht stehen die Polizei-Mannschaftswagen am frühen Samstagabend vor der Kirche St. Sebastian am Marktplatz. Auch rund um den Paradeplatz parken die weiß-blauen Kleinbusse, insgesamt sind es sicher mehr als 30. Ein weiterer Beleg dafür, dass der Krieg in Israel auch seine Auswirkungen auf Mannheim hat. Die vielen Polizisten - nach Angaben von Präsidiumssprecher Patrick Knapp „eine dreistellige Zahl“ - sollen dafür sorgen, dass es bei zwei Kundgebungen zum Krieg nicht zu Ausschreitungen kommt. In einer an diesem Samstag wegen des schönen Wetters extrem vollen Mannheimer Innenstadt.

Die Deutsch-Israelische Gesellschaft hatte zu einer Veranstaltung auf dem Paradeplatz eingeladen. Hier gab es Informationen zu Israel – und viele Gespräche. © Pressefotoagentur Thomas Tröste

Dass es zwei Kundgebungen sind, wird erst kurz zuvor klar. Die Veranstaltung der Deutsch-Israelischen-Gesellschaft Rhein-Neckar/Mannheim (DIG) auf dem Paradeplatz hatte die Stadt Mannheim genehmigt. Die zeitgleich auf dem Marktplatz angemeldete Kundgebung der propalästinensischen Organisation „Free Palestine“ dagegen hatte sie verboten, weil sie eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit befürchtete. Am Freitagabend hatte das Verwaltungsgericht Karlsruhe dieses Verbot noch bestätigt. Doch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg kippt es am Samstag. „Free Palestine“ hatte durch zwei Instanzen Rechtsmittel gegen das Verbot eingelegt - mit Erfolg. Für den Einsatz der Polizei ist das allerdings unerheblich, wie Knapp schon am Freitag mitgeteilt hatte. Egal, wie über die Kundgebung entschieden werde: Entweder man müsse sie sichern. Oder man müsse das Verbot durchsetzen. Die Zahl der Einsatzkräfte sei die gleiche.

Samstag, kurz vor 18 Uhr, Paradeplatz. Die Stimmung sei „recht aufgeheizt“, sagt DIG-Vorsitzender Chris Rihm. Er wirkt - für ihn eigentlich untypisch - selbst ein wenig angespannt. Auf einen Info-Stand mit Tisch habe man verzichtet, statt einer Lautsprecher-Anlage gebe es nur ein Megafon - so könne man bei möglichen Ausschreitungen alles schnell wieder beenden, erklärt Rihm. Viele DIG-Mitglieder hätten Angst zu kommen.

Wir machen weiter.
Organisatoren "Free Palestine"

Zwischen zwei Bäumen hängt eine Girlande mit kleinen Israel-Flaggen, auf dem Boden liegt eine große ausgebreitet, darauf Flyer zu Israels Gründungsgeschichte. Rund um den Stand haben sich Polizisten in ihrer dunklen Einsatz-Uniform postiert. Zwei Frauen vom DIG-Stand sind in einer hitzigen Diskussion mit mehreren dunkelhaarigen Männern, einer davon in eine Palästina-Flagge gehüllt. Ein Streitpunkt ist die Frage, von wem die Rakete kam, die kürzlich ein Krankenhaus in Gaza zerstörte. Eine Frage, auf die es im Moment keine zweifelsfreie Antwort gibt. Der Mann zeigt auf seinem Handy Bilder von verletzten palästinensischen Kindern, die mit der Hamas nichts zu tun hätten, wie er betont. Die Frau am DIG-Stand entgegnet, es gebe auch verletzte Israelis - und dass sich die Hamas hinter Unschuldigen verschanze. Das Gute an der Situation am Paradeplatz: Der Mann mit der Palästina-Flagge und die Frau am DIG-Stand sprechen immerhin miteinander.

In seiner Ansprache ruft DIG-Vorsitzender Rihm zur Solidarität auf - mit den Menschen in Israel, aber auch mit den Jüdinnen und Juden in Mannheim. Ihm gefriere „das Blut in den Adern“, wenn er höre, dass sich in Berlin jüdische Kinder nicht mehr in die Schule trauten. Er sei froh darüber, „dass wir das in Mannheim nicht haben“. Der neue Fraktionschef der SPD im Gemeinderat, Reinhold Götz, betont in seiner Rede, dass es mit Hamas und Hisbollah „kein friedliches Zusammenleben zwischen Juden und Palästinensern geben könne“.

Ein paar wenige Straftaten

Rund 150 Teilnehmer sind nach Angaben der Polizei bei der DIG-Kundgebung am Paradeplatz. Ein Mann, der eigens aus Leimen gekommen ist, hätte sich mehr Unterstützer gewünscht. „Es kann nicht sein, dass im Land der Täter Juden wieder Angst haben müssen.“

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Ein paar hundert Meter entfernt, auf dem Marktplatz, haben sich laut Polizei rund 400 Personen zur Kundgebung von „Free Palestine“ versammelt, darunter viele junge Palästinenserinnen und Palästinenser sowie Familien mit Kindern. Viele schwenken Palästina-Flaggen. Am Marktplatz-Brunnen hängt ein Transparent: „Stop the Occupation. Stand up for Palestine“. Umringt ist die Gruppe von jeder Menge Polizisten. Es gibt mehrere Rednerinnen und Redner, Eine Vertreterin der Organisatoren betont zu Beginn, es sei nur gerecht, dass auch die propalästinensische Seite eine Kundgebung für ihre Belange abhalten dürfe. Sie kritisiert allerdings, dass sie dafür zuerst durch zwei Instanzen hätten gehen müssen. Auch hier thematisiert ein Redner die Rakete auf das Krankenhaus - für ihn ist es „eine Lüge“, dass sie von einer palästinensischen Gruppe gekommen sei. Den „deutschen Medien“ wirft er vor, Lügen zu verbreiten, „ohne mit der Wimper zu zucken“. Und „dem Westen“ wirft er vor, dass der sich „zum Helfer eines angekündigten Völkermordes“ mache. „Wir wünschen uns ein freies Palästina, in dem alle Menschen leben können.“ Immer wieder skandieren die Menschen auf dem Marktplatz „Free, free Palestine“. Am Ende kündigen die Organisatoren an, dass dies nur der Start von mehreren Kundgebungen gewesen sei. „Wir machen weiter.“

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In seiner Bilanz des Abends spricht Polizeivertreter Patrick Knapp von zwei insgesamt friedlichen Veranstaltungen. Es habe einige wenige Straftaten gegeben. So sei auf dem Paradeplatz eine Israel-Flagge gestohlen worden - den mutmaßlichen Täter habe man aber gefasst und die Flagge sichergestellt. Gegen eine weitere Person gab es eine Anzeige, weil sie sich gegen Teilnehmer der DIG-Kundgebung volksverhetzend geäußert haben soll. Auf dem Marktplatz seien vier Teilnehmer verbotenerweise vermummt gewesen. Außerdem habe es Anzeigen gegen zwei Personen gegeben, weil sie mehrere Plakate mit Parolen hatten, bei denen der Verdacht auf eine Straftat vorliege. „Jede Straftat ist eine zu viel“, stellt Knapp klar. Aber mit Blick auf dieses „hochemotionale Thema“ sei das eine durchaus positive Bilanz.

Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim

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