„Super interessant!“ So beschreibt Volkswirtschaftlerin Sonja Klingert die Ergebnisse des „MM“-Bürgerbarometers mit Blick auf die Klimadebatte. Die Klimapolitik ist abhängig von der sozialen Struktur, sagt sie. Im Interview erklärt sie, warum.
Frau Klingert, Sie waren von den Ergebnissen des „MM“-Bürgerbarometers überrascht. Warum?
Sonja Klingert: Die Ergebnisse der Befragung waren nicht völlig unerwartet. Aber im Detail waren sie mir nicht in jeder Hinsicht bewusst. Meine persönliche Schlussfolgerung daraus ist: Die Frage des Klimawandels ist eigentlich eine Frage von Alter, Bildungsgrad, aber auch der persönlichen wirtschaftlichen Zuversicht.
Wie meinen Sie das?
Klingert: Es gibt da wohl einen Zusammenhang zwischen Verhaltensänderungen zum Klimaschutz und der Auffassung über die lokale wirtschaftliche Entwicklung: Von den Personen, die angaben, dass es wirtschaftlich aufwärts geht, haben 71 Prozent ihr Verhalten geändert. Von denjenigen, die denken, es geht abwärts, waren es 46 Prozent. Das Gefühl von Sicherheit hilft also ganz gewaltig. Das unterstützt die Aussage: Ohne einen sozialen Wandel kann es keinen klimapolitischen geben.
Eine bessere Sozialpolitik führt also zu einem Umdenken in der Klimadebatte?
Klingert: Ein Stück weit sicherlich. Da ist aber nicht nur die Sozialpolitik im Fokus. Auch die Wirtschaftspolitik. In dem Moment, in dem sich Bürger in ihrer persönlichen Wirtschaftssituation sicher fühlen, scheint es ihnen leichter zu fallen, ihr Verhalten zu ändern.
Die Ergebnisse zeigen, dass das Bewusstsein über den Klimawandel vom Bildungsgrad abhängt. Wie kann man gegensteuern?
Klingert: Das ist nicht mein Spezialgebiet, aber ich denke, wenn man das wirklich möchte, muss man verschiedene Disziplinen ins Boot holen: Pädagogen, Bildungs- und Sozialpolitiker, die Medien – eine Frage sollte sein: Wie können wir komplexe Zusammenhänge in verständliche Sprache übersetzen, ohne sie zu verfälschen? Bildung fängt schon im Kindergarten an. Und wenn man Glück hat, führt sie zu so aufgeweckten Jugendlichen, wie denjenigen, die am kommenden Freitag den internationalen Klimastreik organisieren, auch hier in Mannheim.
Sie plädieren für mehr Bildung?
Klingert: Die mir vorgelegten Zahlen deuten darauf hin, dass es ohne eine zukunftsträchtige Bildungspolitik im Verbund mit einer gleichgerichteten Sozial- und Wirtschaftspolitik schwer wird, die Menschen von einem klimafreundlichen Verhalten zu überzeugen.
Das Interview wurde telefonisch geführt und von Sonja Klingert autorisiert.
Sonja Klingert
- Seit 2010 ist Sonja Klingert an der Uni Mannheim lokale Projektleiterin für EU-Forschungsprojekte, die sich etwa mit der Frage beschäftigen, wie Elektroautos mit möglichst viel erneuerbarem Strom fahren können.
- Fürs Klima hat sie sich ihr ganzes berufliches Leben eingesetzt. So hat sie sich unter anderem am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie mit den wirtschaftlichen Folgen von Sharing Konzepten beschäftigt.
- Die 52-Jährige ist Unterzeichnerin der „Scientists for Future“-Charta und unterstützt damit die Jugendlichen, die freitags für eine bessere Klimapolitik demonstrieren.
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