Hochwasser - Ronald Haselsteiner, Ingenieur und Fachgebietsleiter für Wasserbau, über sichere Dämme am Rhein und wie sich Schutz gegen Fluten und Baumerhalt vereinbaren lassen

„Ein Erdbau-Damm ist sehr verwundbar“

Von 
Lisa Uhlmann
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Plan für die Rheindamm-Sanierung als Erdbau-Deich. © RP

Mannheim. Als Ingenieur für Wasserbau plant und baut Ronald Haselsteiner Deiche in ganz Deutschland. Er weiß: Manche Sanierungen sind große Eingriffe in die Natur und Umwelt. Deshalb ist Haselsteiner überzeugt: Hochwasserschutz und Baumerhalt schließen sich nicht aus.

Herr Haselsteiner, wie sicher ist ein Damm, auf dem Bäume wachsen?

Ronald Haselsteiner: Ein Baum auf einem erdbaulichen Damm ist ein großes Risiko. Es ist nicht die Aufgabe eines Baumes, den Damm zusammenzuhalten. Wenn große Bäume bleiben sollen, braucht man ein statisches Ersatzsystem.

So lässt sich ein sicherer Damm trotz Bäumen bauen?

Haselsteiner: Auf jeden Fall! Dieses System wird eingebaut, um die statische Wirkung des Systems sicherzustellen. Dabei werden oft sogenannte Spundwände aus Stahl eingesetzt. Diese Wand muss auch dann stehenbleiben, wenn ein 30 Meter hoher Baum versagt. Bei einer Sanierung oder Ertüchtigung mit Spundwänden kann der bestehende Damm erhalten bleiben.

Wie standsicher ist so ein Damm? Muss der im Notfall nicht mit Sandsäcken verteidigt werden?

Haselsteiner: Bei der Deichverteidigung scheiden sich die Expertenmeinungen. Für mich ist klar: Bei einer Ertüchtigung (Ausbau eines Damms gemäß gängigem Hochwasserschutz, Anm. d. Red.) muss nicht nur das Ersatzsystem, also eine Spundwand eingesetzt, sondern auch der Damm erhöht werden. Dann ist die Sollhöhe direkt erreicht und die Standsicherheit durch das Ersatzsystem sichergestellt. Der Damm müsste in dem Fall gar nicht erst verteidigt werden – Sandsäcke wären überflüssig.

Ist es sehr aufwendig, solche Wände einzubauen?

Haselsteiner: Eigentlich nicht. Diese Variante kann ähnlich aufwendig und kostspielig sein wie die Ertüchtigung eines Erdbau-Damms nach Norm. Dabei muss der Deich komplett abgetragen und dann neu aufgeschüttet werden. Die Bäume auf dem Deich und auf beiden Seiten werden gefällt, es wird eine bis zu 50 Meter breite baumfreie Zone entlang der Dammlänge eingerichtet.

Diese Variante ist auch für den Rheindamm vorgesehen.

Haselsteiner: Dies stellt einen sehr großen Eingriff in die Natur dar, und dieser Eingriff muss nach dem Umweltrecht kompensiert werden.

Was genau besagt das denn?

Haselsteiner: Gängig ist etwa, dass immer die Variante bevorzugt werden muss, die den geringsten Eingriff in die Natur und die Umwelt mit sich bringt. In Stuttgart hat das bei einer Deichsanierung zu deutlich mehr Kosten geführt, nur um die Natur zu schonen.

Welcher Damm ist denn aus Ihrer Sicht der bessere?

Haselsteiner: Ich würde dem Deich mit einem statischen Ersatzsystem den Vorzug geben. Ich kenne keinen Damm mit Spundwänden, der je gebrochen ist. Ein Erdbau-Damm dagegen ist sehr verwundbar: Wühltiere können das Erdreich aushöhlen oder Wurzeln einwachsen. Im schlimmsten Fall, nämlich wenn der Deich bei einem Jahrtausendhochwasser überflutet wird, versagt der Damm, sobald das Wasser über die Dammkrone fließt. Die Strömungskräfte erodieren Erdmaterial und führen zu einem Versagen der Böschung. Eine Spundwand dagegen ist aus massivem Stahl, stabil und beständig. In Bayern werden deshalb zum Beispiel die Deiche und Dämme inzwischen vornehmlich mit solchen robusten Systemen saniert.

Welche Maßnahmen am Rhein gibt es?

Haselsteiner: Es gibt das integrierte Rheinprogramm. Dabei werden Rückhalteräume geschaffen. Das Ziel ist, den Hochwasserabfluss auf den Zustand „vor“ dem Rheinausbau zurückzubekommen. Inzwischen werden durch Maßnahmen entlang des gesamten Rheins zahlreiche Rückhalteräume geschaffen, die 540 Millionen Kubikmeter Wasser zurückhalten sollen. Entlang des gesamten Rheins werden die Hauptdeiche, aber auch die Rückstaudeiche ertüchtigt oder saniert.

Zur Person



  • Ronald Haselsteiner ist 1976 in Steyr, Österreich, geboren.
  • Der 43-Jährige hat Bauingenieurwesens an der Technischen Universität München studiert und dort am Lehrstuhl und der Versuchsanstalt für Wasserbau und Wasserwirtschaft 2007 promoviert.
  • Von 2007 bis 2010 war Haselsteiner bei den Ingenieurbüros RMD Consult in München und Fichtner in Stuttgart und Istanbul tätig. Ab 2013 war er beim Joint Venture Verbund/EnerjiSA einige Jahre bei einem Betreiber in der Türkei (Ankara) im Talsperrenbau tätig. Seit 2013 ist er Fachgebietsleiter „Wasserbau“ bei der Björnsen Beratenden Ingenieure GmbH in Koblenz.
  • Aktuelle Projekte: Studie zu Bäumen auf Deichen für die Stadt Düsseldorf sowie die Sanierungen linksrheinischer Deiche für die Deichverbände Xanten-Kleve, Duisburg-Xanten und von Neckardeichen im Bereich der Stadt Nürtingen am Neckar

Redaktion Seit 2018 als Polizeireporterin für Mannheim in der Lokalredaktion.

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