Naturschutz

Fledermäuse in Mannheim auf Kuschelkurs: Was beim Artenschutz zu beachten ist

Fledermäuse können ohne frostfreies Winterquartier nicht überleben. Jetzt sind sie wieder auf der Suche nach einem Unterschlupf. Experten klären auf

Von 
Christine Maisch-Bischof
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Blick in eine Mausohren-Wochenstube: Mütter und Junge beziehen alljährlich auf dem Dachboden des Leutershausener Schlosses Quartier. © Gerhard Rietschel

Mannheim. Sie meiden das Tageslicht, leben meist in alten Gemäuern, und auf ihrer Jagd nach Beute bewegen sie sich nahezu lautlos durch die Nacht. Seit Jahrhunderten kursieren Geschichten, die Fledermäuse in Zusammenhang mit Vampiren bringen. Illustriert sind sie meist mit Abbildungen, auf denen die finsteren Sagengestalten riesige Ohren und einen Umhang mit fledermausähnlichen Flügeln tragen. Doch bei aller Faszination der Menschen für märchenhafte Schattenwesen: Der nachtaktive Säuger steht als scheues, ausgesprochen nützliches Tier unter Naturschutz. Auch in Mannheim leben mehr als zehn unterschiedliche Arten. „Und alle sind vom Aussterben bedroht“, beklagt Mannheims Naturschutzbeauftragter Gerhard Rietschel nicht nur den zu Unrecht zweifelhaften Ruf des Flugkünstlers. Vielmehr weiß der habilitierte Biologe auch Rat, wenn eine Zwergfledermaus Zuflucht in Hausmauerritzen oder auf dem Dachboden sucht.

Broschüre für Bauherren

  • Falls geschützte Tiere an einem Bauobjekt auftauchen, sollte man sich mit dem Fachbereich Klima, Natur, Umwelt der Stadt Mannheim in Verbindung setzen. Telefon: 0621/293 -74 36 oder -74 40, E-Mail: klima.natur.umwelt@mannheim.de.
  • Hilfe und Beratung bieten außerdem die ehrenamtlichen Naturschutzbeauftragten der Stadt. Paul Hennze (NABU Mannheim), Tel. 0621/472961, mobil: 0178/6580272 und Gerhard Rietschel, Biologe, Tel. 0621/891989, E-Mail: gerhard.rietschel@gmx.de.
  • Die Broschüre gibt es beim Fachbereich Klima, Natur, Umwelt oder als pdf unter mannheim.demai

Und genau das hat die knapp 4,5 Zentimeter große Besucherin aus der Familie der Glattnasen in den vergangenen Wochen wieder vermehrt getan. Schließlich gehört sie einer der etwa 25 in Deutschland vorkommenden Gattungen an, die sich besonders gerne an Gebäude ankuscheln. Sie hält sich nämlich als sogenannte Spaltenfledermaus gerne bedeckt. „Sowohl am Rücken als auch an der Brust mag sie Kontakt spüren“, präzisiert Rietschel.

Mit rasanten Flugmanövern im Käfertaler Wald unterwegs: der Abendsegler. © Archivbild

Lebenswichtige Schutzräume

Das gilt natürlich vor allem für die Zeit des Winterschlafs, wenn sich die Temperaturen auf dem Sinkflug befinden. Es lassen sich zwar sicherlich wieder ab Mai in der Dämmerung lauer Frühlingsnächte - hauptsächlich im Waldpark, auf der Reißinsel oder im Käfertaler Wald - die teilweise halsbrecherischen Flugmanöver der Abendsegler beobachten. Doch im November haben sie schon fast alle frostfreie Quartiere in Vogelnistkästen oder Baumhöhlen bezogen. „Das sind für sie lebenswichtige Schutzräume“, betont der Naturwissenschaftler. Denn Temperaturen ab acht Grad abwärts lähmen die Flugtauglichkeit. So ist die Mückenfledermaus, die es bei einem Gewicht von fünf Gramm gerade mal auf die Größe einer Streichholzschachtel bringt, bereits bei fünf Grad in Kältestarre „faktisch bewegungslos“. Wenn eine strenge Kälteperiode zu lange andauert, wird bei den Tieren eine Art Warnsystem aktiviert. Sie wachen aus dem Winterschlaf auf, heizen den Kreislauf an, damit sie fliegen können, um ein besseres Quartier zu finden. Bei zu großer Kälte fallen sie fluguntauglich zu Boden. Das habe die Schwester seiner Frau vor einiger Zeit in München erlebt, berichtet Rietschel. Vor Kälte starr fielen dort rund 30 Abendsegler von ihrem Turmdomizil in den Schnee. Trotz des weichen Untergrunds überlebten den Sturz nicht alle: „Die restlichen Tiere hat meine Schwägerin dann so lange durchgefüttert, bis sie wieder fit waren“ - und in die kommende Frühsommernacht flattern konnten. Auch der Mannheimer Biologe hat schon so manchen federlosen Flieger gesund gepflegt: „Manchmal bringen mir Spaziergänger verletzte Tiere.“ Doch insbesondere Laien rät er, bei Rettungsaktionen Handschuhe zu tragen. Denn auch wenn die Zähne einer Mückenfledermaus zu winzig sind, um die menschliche Haut zu durchdringen: „Größere Arten wie Abendsegler oder Breitflügel können kräftig zubeißen.“

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Doch gleichgültig, ob es sich um Fledermäuse, Mauersegler, Falken oder Erdbienen handelt: Bei der Stadt gibt es eine Broschüre, die Bauherren und Hausbesitzern bei Überraschungsbesuchen den Weg zum artgerechten Miteinander weist. Wer beispielsweise unter dem Dachfirst das Nest einer Schwalbenfamilie findet und samt Eiern zerstört, der hat sich eines Angriffs auf eine geschützte Art schuldig gemacht. Ein Bußgeld von bis zu 50 000 Euro oder sogar eine Freiheitsstrafe könnte die Attacke zur Folge haben. Zudem werde die Nützlichkeit von Wildtieren häufig völlig unterschätzt, versichert Rietschel. Die Mückenfledermaus, die nur etwa so viel wie ein Würfelzucker auf die Küchenwaage bringt, vertilgt beispielsweise in einer Nacht bis zu 400 Kleininsekten. Ihre Beute jagt sie per Echolot. Damit ist der Winzling zwar ein Fliegengewicht, aber als biologische Waffe gegen nervige Stecher bärenstark.

Bärenstarkes Fliegengewicht

Und von wegen Vampire: Es gibt unter den insgesamt 14 000 nur drei Arten, wie beispielsweise in Argentinien, die Blut von Weidetieren zu sich nehmen. Und benannt wurden diese Vampirfledermäuse nach den düsteren Sagengestalten - nicht umgekehrt. Schließlich jagen die meisten Fledermäuse Insekten oder andere kleine Tiere. Einige Gattungen sowie alle Flughundarten sind sogar Vegetarier. Sie fressen nur Nektar, Pollen und Obst. Über 300 Pflanzenarten sind zur Bestäubung auf die flinken Säuger angewiesen, darunter Feigen, Bananen, Avocados, Mangos und Datteln.

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