Mannheim. Es brennt wirklich. An einem Balkon und vor einem Eingang sind echte Flammen zu sehen, Rauch steigt auf, Brandgeruch kriecht in die Nase. Und gleich wird es richtig anstrengend in dem völlig verqualmten, dunklen, verwinkelten mehrstöckigen historischen Gebäude der früheren Steinzeug-Fabrik in Friedrichsfeld, zuletzt Friatec. Es ist Schauplatz der größten Übung der Mannheimer Feuerwehr seit vielen Jahren.
„Das Highlight des Jahres“ für die Einsatzkräfte nennt es Julian Wolf von der Freiwilligen Feuerwehr Seckenheim. Deren neuer Kommandant Alexander Erny hat, obwohl erst seit März im Amt, die Idee gehabt und das Konzept entwickelt.
Als Inhaber des gleichnamigen Holzbaufachbetriebs arbeitet er auf dem Firmengelände, das die Firmengruppe Aliaxis derzeit völlig neu gestaltet. Sehr viel ist hier abgerissen worden, aber das älteste, unter Denkmalschutz stehende Gebäude wird saniert. Zuvor hat es Aliaxis für die Übung zur Verfügung gestellt.
Großübung in Mannheim: 25 Fahrzeuge im Einsatz
„Das Objekt ist eine Baustelle, da sind immer mal irgendwo Löcher im Boden – wie real auch“, warnt Alexander Erny im Vorgespräch die Einheitsführer. Aber der Vorteil sei, dass man – was selten geht – „richtig nass“ üben, also mit den Strahlrohren auch spritzen dürfe, sagt er. Dazu sind Beamte der Berufsfeuerwehr, Ehrenamtliche von sieben der acht Abteilungen der Freiwilligen Feuerwehr Mannheim (nur Rheinau fehlt) sowie Vertreter weiterer Hilfsorganisationen wie THW, Johanniter und Rotem Kreuz gekommen.
Sie treffen sich zunächst alle in Seckenheim in der Stem-Kaserne, wo der Kurpfälzer Verein für Feuerwehrgeschichte mit ganz viel Einsatz und Liebe zum Detail historische Fahrzeuge restauriert. Doch nun stehen über 25 moderne Einsatzfahrzeuge auf dem Hof, um von hier aus zum Übungsort auszurücken. Das tun sie auf ein per Funk gesendetes Stichwort hin.
Drohnengruppe aus Mannheim-Neckarau sorgt für Überblick
In Friedrichsfeld haben Alexander Erny und sein Vorbereitungsteam ein umfangreiches Szenario vorbereitet. Zunächst schreit eine Frau von einem Balkon im obersten Stockwerk des historischen Backsteingebäudes, wo auch Flammen zu sehen sind, um Hilfe. Gleichzeitig züngeln Flammen an einem der Eingänge im Erdgeschoss, sind weitere Rufe zu hören.
„Puhh, unübersichtlich“, stöhnt einer der Feuerwehrmänner. Zur Frau auf dem Balkon wird eine Drehleiter ausgefahren. Parallel dazu dringen Einsatzkräfte, schwer beladen mit Atemschutz, Schläuchen und Brechwerkzeug, in das Gebäude ein. Andere Kameraden entrollen Schläuche, schließen Verteiler und Strahlrohre an. Doch einer der Hydranten ist mit einem Holzstamm blockiert, weshalb erst die Bügelsäge herausgeholt und das Hindernis zerkleinert werden muss. „Da ist aber nicht viel Druck drauf!“, schreit einer der Männer. Der Maschinist muss die Pumpenleistung hochfahren, damit mehr Wasser aus den Rohren kommt.
Schnell bildet Einsatzleiter Hendrik Matthes, dem die Fachgruppe Führungsunterstützung der Freiwilligen Feuerwehr assistiert, zwei Einsatzabschnitte, um den Einsatz in dem riesigen Gebäude besser zu koordinieren. Zudem lässt die – im Aufbau befindliche – neue Drohnengruppe der Freiwilligen Feuerwehr Neckarau ihr Gerät aufsteigen, damit der Einsatzleiter einen besseren Überblick hat. Schließlich fahren nach und nach immer mehr Löschfahrzeuge auf das Gelände, wo Mitglieder vom Technischen Hilfswerk (THW) unter Leitung von Birgit Heikenwälder für Licht und Strom sorgen.
Auch die Freiwillige Feuerwehr Ilvesheim rückt, obwohl zuvor noch im Unwettereinsatz, mit einer Drehleiter und einem Löschfahrzeug an. Am Ende sind es 90 Feuerwehrleute, die mit bis zu elf Strahlrohren den Brand bekämpfen und das gesamte Gebäude nach Vermissten oder Verletzten absuchen. „Da bist Du echt fertig, wenn Du oben ankommst“, sagt einer der Feuerwehrleute und deutet auf das oberste Stockwerk des Gebäudes, wohin er mit Atemschutz und Ausrüstung gelaufen ist.
Feuerwehrmann erleidet bei Übung Kreislaufschwäche
Tatsächlich erleidet ein Feuerwehrmann kurz eine Kreislaufschwäche. „Realeinsatz“ heißt es dann über Funk beim Rettungsdienst. Den stellen 20 Ehrenamtliche vom Roten Kreuz Seckenheim und Friedrichsfeld sowie der Johanniter-Schnelleinsatzgruppe unter Leitung von Kai Mutschler (Johanniter). Sie versorgen die zehn „Verletzten“ aus den Reihen von Jugendfeuerwehr und Johanniter-Jugend, die sehr realitätsnah humpelnd, hustend und stöhnend am Behandlungsplatz ankommen oder von Feuerwehrleuten gebracht werden. „Wir haben zehn Personen aus dem Gebäude rausgeholt, vom Keller bis zum Dach“, sagt Hendrik Matthes.
„Mit einem Grinsen“ verfolgt Jens Stiegel, stellvertretender Kommandant der Mannheimer Feuerwehr, die Übung, wie er sagt. „Supergut“ sei sie gelaufen und „super geplant, aller Ehren wert“, lobt er. Solche Übungen zeigen „den Zusammenhalt der Blaulichtfamilie“, dienten dem Kennenlernen untereinander und dem Training der besseren Zusammenarbeit. Schließlich sehe der Brandschutzbedarfsplan vor, dass unterschiedliche Einheiten der Ehrenamtlichen gleichwertig mit der Berufsfeuerwehr in den Einsatz gehen. Daher müssen zum Übungsende auch, ehe es Essen vom THW gibt, über 100 frische Schläuche auf alle Fahrzeuge gepackt werden.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-feuerwehr-grossuebung-in-mannheim-mehr-als-hundert-kraefte-trainieren-den-ernstfall-_arid,2218567.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim/seckenheim.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html
[3] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim/rheinau-hochstaett.html