Verkehr - Fahrlachtunnel geschlossen / Große Fragezeichen hinter der für Ende August geplanten versuchsweisen Innenstadt-Sperrung

Fahrlachtunnel in Mannheim bleibt "einige Monate bis ein Jahr" dicht

Von 
Bertram Bähr
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Mannheim. Dienstag, 14 Uhr: Die nur gut eineinhalb Stunden zuvor sehr kurzfristig einberufene Pressekonferenz im Stadthaus läuft gerade an – fast zeitgleich sperrt die Stadt die beiden Zufahrten zum Fahrlachtunnel. Die Entscheidung, eine der Hauptverkehrsadern im Stadtgebiet dichtzumachen, sei „heute gefallen“, sagt Oberbürgermeister Peter Kurz auf Nachfrage. Aufgrund eines zweiten Gutachtens zur Entlüftung und zu den Fluchtwegen habe sich die Lage „kurzfristig zugespitzt“.

So kurzfristig, dass es bei der Pressekonferenz zwar erste Umleitungsempfehlungen der Verwaltung gibt (siehe Grafik). Aber bis sie auf der städtischen Webseite www.mannheim.de  stehen, dauert es. Noch nach 17.30 Uhr heißt es dort lediglich: „Bitte beachten: Der Fahrlachtunnel in Mannheim ist gesperrt. Infos folgen.“ Ein ausgearbeitetes Umleitungskonzept fehlt noch. Deshalb bietet die Polizei nach eigenen Angaben alles auf, um den Verkehr in halbwegs geregelte Bahnen zu lenken. Was sich als schwierig erweist. Schließlich nutzen an Spitzentagen rund 60 000 Fahrer den Tunnel, um von Heidelberg über Mannheim nach Ludwigshafen zu kommen – oder umgekehrt.

Über der Stadt kreist ein Polizeihubschrauber – zur Verkehrsaufklärung. „Darüber hinaus sind Beamtinnen und Beamte auch mit Polizeimotorrädern unterwegs, um an neuralgischen Punkten den Verkehr gezielt zu lenken und bei Bedarf verkehrsregelnd einzugreifen“, teilt das Präsidium um 15.56 Uhr mit. Und weiter: „Derzeit kommt es insbesondere auf den Routen zum Fahrlachtunnel, aus beiden Richtungen sowie in den angrenzenden Straßen, auch in der Mannheimer Innenstadt, zu erheblichen Verkehrsbehinderungen, die aufgrund des einsetzenden Feierabendverkehrs noch längere Zeit andauern dürften.“ So rechnen die Beamten auch damit, dass sie noch viele Stunden im Einsatz sein werden.

Sechs zusätzliche Ventilatoren

  • Als Hauptproblem im Fahrlachtunnel hat sich das Entlüftungssystem gezeigt. Es ist dafür verantwortlich, im Falle eines Brandes den Qualm rasch aus der Röhre zu leiten – und dieser Aufgabe nach Angaben der Stadt nicht mehr ausreichend gewachsen. Deshalb die Vollsperrung.
  • Neun Ventilatoren pro Röhre sollen für die Entlüftung sorgen. In einem ersten Schritt sollten sie jetzt „ertüchtigt“ werden, erklärt Alex Storck von der Stadtverwaltung. Pro Richtung sollen danach drei zusätzliche Ventilatoren eingebaut werden. Um die Funktionsfähigkeit zu prüfen, seien bis zu einem Dutzend „Brandrauchversuche“ notwendig, „um Defizite zu erkennen“ und die genaue Vorgehensweise bei der Sanierung festlegen zu können.
  • Storck führt zahlreiche weitere Mängel auf, etwa bei Funktechnik, Lautsprecher- und Notrufanlage, Tunnelsperranlage, Stromversorgung, Beleuchtung und vor allem bei den Fluchtwegen. Unter anderem müssten zusätzliche Fluchttüren eingebaut werden.

Weitere Fragen bleiben an diesem Nachmittag offen. Etwa die, wie lange die Vollsperrung voraussichtlich dauern wird. Oberbürgermeister Peter Kurz geht davon aus, dass die die jetzt erforderlichen Maßnahmen „einige Monate bis ein Jahr“ in Anspruch nehmen würden. Genauer sei das derzeit noch nicht zu sagen. Auch danach kann von normalen Verhältnissen nicht die Rede sein. Denn die am 18. Juni verfügte Teilsperrung – eine der beiden Fahrspuren auf jeder Seite – werde weitere rund zwei Jahre in Anspruch nehmen, erklärt Alex Storck. Er ist Rathaus zuständig für Ingenieurbau und Straßentechnik.

OB Kurz: keine Alternative

Was die Vollsperrung angeht, sei man sich der „Tragweite bewusst“, betonte Peter Kurz. Natürlich habe man sich gefragt, „ob Maßnahmen zur Verfügung stehen, um die Sperrung zu vermeiden. Die Antwort lautet nein.“ Der Handlungsbedarf sei „so akut“ gewesen, dass „wir eine aktuelle Umleitungsbeschilderung nicht abwarten wollten“.

Auf der Kippe steht jetzt auch der Innenstadt-Verkehrsversuch, der am 25. August beginnen sollte. Noch am 20. Juli hatte die Stadt bei einer Pressekonferenz das Konzept vorgestellt, das hinter der Sperrung der Fressgasse, Kunststraße und Marktstraße für den Durchgangsverkehr steht. Jetzt erklärt OB Peter Kurz auf Anfrage des „Mannheimer Morgen“, die „erste Reaktion“ auf die Tunnel-Vollsperrung sei „ganz eindeutig“. Es dürfe nicht noch ein weiterer Weg durch die Innenstadt geschlossen werden.

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Allerdings: Wenn die Untersuchungen in den nächsten Tagen ergeben würden, dass eine Sperrung nötig sei, um einen Verkehrskollaps zu verhindern, käme möglicherweise der ursprüngliche Versuch doch noch in Betracht – allerdings nur als „Notmaßnahme“. Eine Entscheidung, so der Oberbürgermeister, werde man zeitnah treffen. Im Augenblick sei die Frage zum weiteren Vorgehen einfach noch „nicht zu beantworten“.

Für die CDU liegt zumindest eine Antwort auf der Hand, wie sie noch während der laufenden Pressekonferenz per Mail mitteilt: „In einer solchen Situation ist es nicht verantwortbar, auch noch einen Verkehrsversuch in der Innenstadt durchzuführen. Die Ergebnisse des Versuchs würden auch nicht die Realität abbilden“, betont Stadtrat Thomas Hornung. Der verkehrspolitische Sprecher seiner Fraktion betont, der Verkehrsversuch sei „unter diesen Umständen für Anwohner, Händler, Besucher und Arbeitnehmer, die in die Innenstadt müssen, nicht vertretbar“.

Wirtschaft in Mannheim wegen Fahrlachtunnel-Sperrung besorgt

  • Langwierige und massive Staus in der Mannheimer Innenstadt und eine weitere Behinderung des rheinquerenden Verkehrs“ befürchten die Wirtschaftsverbände nach der Sperrung des Fahrlachtunnels. Es sei „dringend erforderlich, die Durchgangsverkehre weiträumig umzulenken“, so Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar, Handelsverband Nordbaden und Werbegemeinschaft Mannheim City in einer gemeinsamen Erklärung.
  • „Uns gehen die Alternativen für die Verkehrsführung im Stadtgebiet aus“, sagt IHK-Präsident Manfred Schnabel. Bei den Sanierungsarbeiten im Fahrlachtunnel sei Eile geboten, appelliert Schnabel an die Stadt: „Alle Möglichkeiten der Beschleunigung, wie beispielsweise Arbeiten in der Nacht und an Sonntagen, sollten ausgeschöpft werden.“
  • Man betrachte die „Sperrung des Fahrlachtunnels mit erheblichen Sorgen“, kommentiert Lutz Pauels, Vorsitzender der Werbegemeinschaft. Die Erreichbarkeit der Innenstadt sei massiv gefährdet: „Es steht zu befürchten, dass der zusätzliche Durchgangsverkehr zu erheblichen Beeinträchtigungen des Verkehrsflusses am Ring und am Schloss führen wird.“
  • Hendrik Hoffmann, Vizepräsident des Handelsverbands Nordbaden, fordert, „dass die Vertreter der innerstädtischen Wirtschaft auch mit Blick auf das Weihnachtsgeschäft in Gespräche eingebunden werden, in denen kreativ an der Lösung der neuen Herausforderungen für den Zielverkehr gearbeitet wird“. Außerdem müsse der Öffentliche Personennahverkehr weiter gestärkt werden. 

45 Minuten später reagiert Hornungs SPD-Kollegin Isabel Cademartori. Beim Verkehrsversuch müsse man „mit Augenmaß vorgehen“. Wichtig sei jetzt, „dass die Stadt schnell mögliche Ausweichrouten kommuniziert, so dass durch großräumige Umfahrungen ein Verkehrskollaps in der Innenstadt und am Ring vermieden werden kann“. Die Stadt müsse „außerdem prüfen, ob es möglich ist, durch eine zeitweise Ausweitung des ÖPNV eine Entlastung für Pendlerinnen und Pendler zu schaffen“.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim. Schwerpunkte: Schulen und Kitas

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