Betreuung

Erzieherinnen in Mannheim werden bei Kitaplatz-Vergabe bevorzugt

Wenn eine Erzieherin für ihr Kind einen Kitaplatz erhält, kann sie arbeiten und viele andere betreuen: Davon ist die Stadt Mannheim überzeugt. Ab wann die neue Regel gilt und warum Schulkind-Betreuende außen vor sind

Von 
Bertram Bähr
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Eine Erzieherin, die ihr eigenes Kind gut betreut weiß, kann sich um viele andere kümmern: Dieser Gedanke steckt hinter der Regelung, die jetzt kommt. © dpa

„Jede Erzieherin, die ihre eigenen Kinder optimal betreut weiß, steht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung, kann Stunden aufstocken und entlastet wieder viele andere“, stellte Stadträtin Melanie Seidenglanz (SPD) im Jugendhilfeausschuss fest. Und sie sprach damit allen aus dem Herzen: Einstimmig spricht sich das Gremium dafür aus, Betreuungskräfte in Kitas, Krippen und Großtagespflege-Stellen bei der Vergabe von Plätzen vorrangig zu behandeln.

Das letzte Wort hat an diesem Dienstag der Gemeinderat. Die Zustimmung dürfte allerdings Formsache sein. Und so greift ab dem kommenden Kindergartenjahr, ab 1. September, die Neuregelung der Vergabekriterien für Kita- und Krippenplätze. „Wie ermöglichen wir es, dass Fachkräfte aus der Elternzeit zurückkommen in den Beruf?“ Diese Leitfrage führte laut Bürgermeister Dirk Grunert zu der jetzt favorisierten Lösung. Denn tatsächlich sei eine Hürde für potenzielle Kräfte, „dass sie für das eigene Kind einen Platz benötigen“. Das gelte natürlich nicht nur für Berufsrückkehrer, sondern „genauso für neue Kräfte, die wir einstellen wollen“.

Zurzeit können in Mannheim rund 50 Stellen alleine in städtischen Kitas aufgrund des Fachkräftemangels nicht besetzt werden. Noch etwas mehr sind es mit 55 in den Einrichtungen der evangelischen Kirche, bei der katholischen Kirche sind 23 Stellen vakant, wie Anfragen des „Mannheimer Morgen“ Anfang April ergaben.

Da sind 40 Personen, die zusätzlich gewonnen werden können, schon ein Wort. Mit so vielen rechnet pro Jahr Andreas Müller, kommissarischer Leiter des Fachbereichs Tageseinrichtungen für Kinder. „Eine Fachkraft, die einen Platz bekommt und dadurch arbeiten kann, ermöglicht faktisch mehr als den einen Platz, den sie für ihr Kind braucht“, hielt Dirk Grunert im Ausschuss fest. Natürlich gelte die Bevorzugung „trägerübergreifend“ für alle Personen, die in diesem Bereich arbeiten wollten, die aber nachweislich keine andere Betreuungsmöglichkeit hätten.

Schulkindbetreuung außen vor

Überlegungen zu der Neuregelung habe es bereits 2021 gegeben, bei einem Workshop zur Fachkräftegewinnung und -bindung, blickte Andreas Müller zurück. Aber „wie so oft steckt der Teufel im Detail“. Die jetzt beschlossene Änderung, die auch für in Mannheim arbeitende Fachkräfte von außerhalb gilt, müsse „rechtssicher“ sein.

Deshalb greift sie nach Angaben der Stadt auch nicht für Kräfte, die in der Schulkindbetreuung arbeiten. Das liege daran, dass es zwar einen Rechtsanspruch auf Krippen- und Kitaplätze, nicht aber auf Hortplätze gebe, so Dirk Grunert. Das werde sich allerdings im Herbst 2026 ändern, wenn auch der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in Schulen gesetzlich eingeführt wird.

Melanie Seidenglanz bedauert, dass das Schulkind-Betreuungspersonal nicht in die bevorzugte Vergabe von Plätzen mit einbezogen werden kann. Das sei eine „Ungleichbehandlung der eigenen Beschäftigten“ bei der Stadt. Sie sieht die „Gefahr, dass es stelleninterne Wechsel gibt in der Verwaltung, weil eine Gruppe ihrer Beschäftigten davon profitiert und eine andere nicht“. Ein „aktueller Fall in der Schillerschule“ ist ihr nach eigenen Worten bekannt.

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Unabhängig davon hält Katharina Funck (CDU) die Neuregelung für „ganz wichtig“. 40 weitere Personen seien „ein richtig großer Hebel, den wir dadurch bekommen“. Mit der Änderung der Vergabekriterien setzt die Verwaltung auch einen Punkt um, den die CDU in einem Maßnahmenpaket gefordert hatte.

Als weiteren Punkt hatte die CDU angeregt, die städtische Wohnungsbaugesellschaft GBG solle Erzieherinnen und Erzieher bei der Vergabe von Wohnungen bevorzugt behandeln. Man habe dort nachgefragt, so Grunert, das sei aber nicht möglich. Hauptkriterium bei der GBG sei die Wartezeit auf eine Wohnung, ausgenommen davon seien lediglich „Dringlichkeitsfälle“ für „Personen in Ausnahmesituationen“.

Für Diskussionen sorgte unterdessen im Ausschuss die geplante Vergabe von Fördermitteln an einen privaten Investor, der auf Franklin (Funari) in einem Bestandsgebäude im kommenden Jahr ein Kinderhaus mit zwei Krippen- und drei Kitagruppen einrichten möchte. Da die 80 Plätze nach Berechnungen der Stadt nur übergangsweise gebraucht würden, ist die Zweckbindung für den Investor, dort Kinder zu betreuen, auf zehn Jahre begrenzt.

Diskussionen um Fördermittel

Üblicherweise – bei Bauten, die dauerhaft genutzt werden sollen – läuft die Zweckbindung erst nach 25 Jahren aus. Dennoch soll der Investor die Förderung in der Höhe erhalten, wie sie für langfristige Projekte gilt. Das sorgte vor allem bei Steffen Jooß als Vertreter der evangelischen Kirche für Unmut: „Ich kann nicht verstehen, warum die Stadt die gleiche Förderung für 25 Jahre zahlt wie für zehn Jahre. Die Förderung erhöht sich ja konkret um 250 Prozent“, kritisierte er. Wenn man das mache, müsse es „für alle gelten“. Die evangelische Kirche könne ebenfalls Interimslösungen anbieten.

Grunert hielt dem entgegen, dass sich die kürzere Zweckbindung bei gleicher Förderhöhe entsprechend „mietmindernd“ auswirke. Am Ende komme „mathematisch das Gleiche“ raus. Gleichwohl äußerten Ralf Kittel (Elternvertreter), Andrea Gerth (Paritätischer Wohlfahrtsverband), Melanie Seidenglanz (SPD), Katharina Funck (CDU) und Kathrin Kölbl (FDP) Bedenken. Bei drei Enthaltungen empfiehlt der Ausschuss dem Gemeinderat, den Investor entsprechend zu fördern.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim. Schwerpunkte: Schulen und Kitas

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