Mannheim. Eigentlich wollten wir es unseren Rätselfans von „Erkennen Sie Mannheim?“ nicht gar so einfach machen. Deshalb haben wir vor einer Woche in der historischen Ansicht an drei Stellen die Straßenschilder, die die Quadrate kennzeichneten, unkenntlich gemacht. Und dennoch: Keine einzige der neun Leserinnen und kein einziger der 22 Leser, die sich beteiligten, hatte Probleme mit der Lösung. Allesamt verorteten sie die Fotografie an der richtigen Stelle: Die Straße in Folge 199 verläuft zwischen B 5 auf der linken und C 5 auf der rechten Seite.
„Rechts ist eines der, wie wir sie nannten ,Schildwachhäuschen’ vor dem alten Zeughaus in C 5 zu sehen“, schreibt Horst Schmidt. Eben dieses ehemalige Wachhäuschen war es, das eine ganze Reihe von Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf die richtige Spur führte. Zum Beispiel Angelika Cooper: „Erkannt habe ich es an dem kleinen Türmchen rechts.“
Heutzutage ziert das Wachhäuschen allerdings ein Gitter, wie Thomas Frischmann anmerkt. Auf der historischen Aufnahme dagegen „ist das Schildhaus des Zeughauses mit Brettern vernagelt. Ich meine, in meiner Kindheit (Jahrgang 1962) hätte ich die Bretter noch gesehen“, schreibt Frischmann.
Das Foto stamme auf jeden Fall aus der Zeit davor, vermutet der Leser. Und geht damit auf eine Frage ein, die wir gestellt hatten. Da das Bild nicht datiert ist, fragten wir nach Hinweisen auf das ungefähre Entstehungsdatum. Thomas Frischmann tippt auf die Zeit „kurz nach dem Krieg, da man im Hintergrund offensichtlich noch eine Ruine sieht.“
Das schätzt Michael Müller genauso ein, fotografisch festgehalten sei die „frühe Nachkriegszeit“, denn: „In der Flucht in Richtung B 6 klaffen noch Hauslücken, an der hinteren Ecke von B 5 ist nur noch der Kellersockel zu sehen.“ Und: „Links die Straße hinunter blickt man direkt auf den Chor der Jesuitenkirche.“ Horst Schmidt präzisiert, im Eckhaus sei „kurz nach dem Krieg ein Milchladen zu Hause“ gewesen. „Anschließend wurde es, wie auf Ihrem Bild ersichtlich, von einem Geschäft bezogen, welches unter anderem Farbe und Lacke verkaufte.“
Das Eckhaus, es steht indes schon längst nicht mehr. Volker Keller berichtet nach einem Blick in die einschlägigen Adressbücher, dass seit den frühen 1960er Jahren die Mieter immer weniger geworden seien, „1969 sind es noch drei. In den 1970er Jahren wurden die Häuser abgerissen.“ Und machten einer „geschlossenen, viergeschossigen Wohnanlage“ Platz, „die bis fast an die andere Straßenecke reicht“, merkt Michael Müller an.
Auch wenn einige alte Häuser längst verschwunden sind: Mehrere Leser denken an die Zeit zurück, in der sie genau hier gelebt haben. Etwa Claus Krakofczik. In B 5,12 (das hintere Haus links) verbrachte er von 1959 bis 1969 seine Kindheit. „Den Balkon unserer Wohnung kann man auf dem Bild nur erahnen. Dort kultivierten meine Eltern Kürbis, Kartoffeln, Schnittbohnen, und sogar eine Kastanie keimte hier.“
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Auch nach mehr als 50 Jahren hat er noch den „Geruch der BASF und der Schokinag“ in der Nase, wenn er sich auf den Weg zur K 5-Schule machte „und dann noch in der ersten Stunde Diktat schreiben“ musste: „Das war der blanke Horror für mich.“ Aber das nahe gelegene Bunkergelände sei „ein herrlich gefährlicher Spielplatz“ gewesen – „mit den angrenzenden Ruinen und der ,High-Mauer’. Wer darauf kletterte, war in die Clique aufgenommen.“
Im Eckhaus davor lebte ab 1956 Bernd Seiler mit Eltern und Bruder im zweiten OG. Er kann sich noch genau an die merkwürdige Wohnungsaufteilung erinnern und hat dazu eine Skizze angefertigt: Zwischen den Räumen der Familie lag eine weitere Wohnung, um die „ein langer Flur mit Schränken führte“.
Aus heutiger Sicht wohnte die Familie wenig komfortabel: „Die Toilette war über das Treppenhaus erreichbar und musste mit einer weiteren Wohnung geteilt werden. Bäder waren Luxus und auch nicht vorhanden – und so wurden wir samstags in einem Blechzuber gebadet. Die Wohnungen waren insgesamt feucht und kalt. Doch zur Freude für uns Kinder waren jeden Winter Eisblumen an den Fensterscheiben.“
Die Zustände in B 5,12 waren kaum besser, erinnert sich Alfred Storch. Vor mehr als einem halben Jahrhundert gehörte er zu einer studentischen Wohngemeinschaft, die das erste Obergeschoss angemietet hatte. Die feuchten Wände isolierten die Studenten in Eigenarbeit.
Außerdem entfernten sie den Linoleum-Bodenbelag, legten ein „wunderschönes Parkett“ frei: „Noch vor Semesterbeginn hatten wir es in drei Tagen und einigen nächtlichen Stunden aufgearbeitet und versiegelt.“ Bei Sperrmüllaktionen sammelten die Studenten außerdem „damals noch kostenlos erhältliche antike Möbelstücke“ und restaurierten sie in Eigenarbeit.
Zwei Jahrzehnte zuvor sah es in B 5, 12 noch deutlich schlechter aus, berichtet Horst Schmidt: „Kurz vor Kriegsende wurden meine Mutter, meine Großmutter und ich evakuiert. Nach unserer Rückkehr waren sehr viele Häuser zerbombt. Die Seitenwand unserer Nr. 12 war wie das Haus Nr. 13 total zerstört, so dass wir in zwei Zimmern praktisch im Freien saßen. Auch das Dach war beschädigt. Bei Regen mussten wir Eimer und sonstige Gefäße aufstellen, da das Wasser durch die Decke tropfte.“
Durchweg gute Erinnerungen haben einige Einsender an die Geschäfte in diesem Innenstadt-Bereich. Winfried Blanks älterer Bruder Willi zum Beispiel begann bei der Metzgerei Heinrich Ares in B 4,8 im Jahr 1953 seine Ausbildung, „damals sprach man übrigens noch von ,Lehre’“.
Ganz in der Nähe in B 4, so Günter Meder, sei „ein hervorragendes Elektro-Reparatur-Geschäft“ gewesen: „Der damalige Chef hat mein Tonbandgerät wieder zum Laufen gebracht.“ Und von Möbel Arnold, dem Geschäft in der Mitte der abgebildeten Häuserzeile, „stammt ein kleiner Teil unserer Wohnungseinrichtung“, teilt Jürgen Beres mit.
Der Metzger Ares, erinnert sich Beres, sei wohl schon in Blumenpeterwitzen vorgekommen. Und Beres hat auch einen Witz parat: „Mutter: ,Geh’ mol niwwer un guck, ob er Schweinsfüßle hot’. Peter kommt zurück: ,Ich hab’s net sehe kenne, er hot Gummistiffl a kabbt.’“
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