Mannheim. Nostalgie pur hat am Sonntagnachmittag auf und vor der Hauptbühne auf dem Bundesgartenschaugelände in Spinelli geherrscht. Genau 40 Jahre nach dem ersten Bundesligaspiel des SV Waldhof Mannheim kamen zahlreiche damalige Akteure zusammen, um sich an dieses Ereignis zu erinnern und den 2:0-Sieg gegen den deutsche Vizemeister Werder Bremen im Public Viewing zu verfolgen. Mehrere Hundert Waldhof-Fans sowie acht Spieler des aktuellen Drittligakaders mitsamt Trainer Rüdiger Rehm sorgten für einen würdigen Rahmen.
Wie schon vor 40 Jahren zeigte sich Trainer Klaus Schlappner auf der Bühne beim „Legenden-Talk“ alles andere als auf den Mund gefallen. Immer wieder witzelte er herum und hielt auch mit seiner Meinung zur heutigen Fußball-Szene nicht hinterm Berg: „Damals waren das noch Spieler, heute sind das doch nur noch Profitis.“ Mit Blick auf den DFB-Supercup am Vorabend, den RB Leipzig gegen Bayern München gewann, sprach er bei den Münchenern von „Pfadfindern“, die da auf dem Platz unterwegs gewesen seien: „Joshua Kimmich war vor zwei Jahren noch eine Granate. Heute schläft man bei dem Touch-Touch-Touch ein.“
Der Fokus lag selbstverständlich auf dem SV Waldhof. So berichtete Alfred Schön, der damals das erste Bundesligator für die Waldhöfer erzielte, dass die jungen Spieler noch Liegestütze im Training machen mussten, „wenn der Günter Sebert schon frisch geföhnt war“. Doch sie hätten davon profitiert -„und irgendwann konnten wir mithalten“. Er wisse nicht, ob er bei seinem Treffer - immerhin schlenzte er den Ball in der siebten Minute an Nationaltorhüter Dieter Burdenski vorbei - nachgedacht habe: „Fritz Walter passte den Ball nach vorne. Ich habe ihn mitgenommen und versenkt.“
Tolle Kulisse im Südweststadion
Schon in der zweiten Minute hatte Schön eine Großchance, doch dabei schoss er Burdenski an. „Ich wusste, dass du die zweite Chance reinmachst“, blickte Schlappner zurück. Nach dem 2:0 durch Fritz Walter habe die junge Mannschaft das Spiel „heimgeschaukelt“. Das lag vielleicht auch daran, weil die Mannschaft laut Kapitän Günter Sebert „nicht nur auf dem Feld eine Einheit“ war.
Irene Schlappner, Ehefrau von Klaus Schlappner, erinnerte daran, dass es den Spielerfrauen recht gut ging, wenn die Mannschaft im Trainingslager gewesen sei: „Wir konnten machen, was wir wollten, und die waren eingesperrt.“ Sie und ihr Mann hätten erst vor wenigen Tagen ihren 60. Hochzeitstag gefeiert - und das „trotz des Fußballs, wegen bestimmt nicht“, wie sie auf Nachfrage von Gerhard Mandel, der damals Stadionsprecher war, betonte.
42 000 Zuschauer waren gegen Werder ins Südweststadion nach Ludwigshafen gekommen, wohin der SVW umgezogen war, weil in Mannheim kein bundesligataugliches Stadion stand. „Als wir eine Stunde vor dem Spiel ins Stadion kamen, da waren die 42 000 gefühlt schon alle da. Das war ein Gefühl, das man nie vergisst“, sagte Schön. Auch Jürgen Weber, der das Spiel als Linienrichter begleitete, sprach von einer „beeindruckenden Kulisse“. Während des Spiels habe er viel mit Schlappner zu tun gehabt: „Er hat mich beschimpft - und ich habe ihn nicht verstanden.“
Mit Jürgen Kohler und Maurizio Gaudino standen zwei Spieler auf der Bühne, die beim SV Waldhof erstmals Bundesligaluft schnupperten und dann zur großen Karriere ansetzten. Kohler trug 105 Mal das Trikot der Nationalmannschaft und holte zahlreiche Titel, darunter die Weltmeisterschaft 1990. „Wir haben dem Verein viel zu verdanken“, betonte Gaudino. Doch: „Du hättest bei deinem Talent 80 Nationalspiele machen müssen“, sagte Schlappner. Indes, es waren nur fünf.
„Mythos Waldhof“ neu definieren
Waldhof-Präsident Bernd Beetz betonte, dass der Verein versuche, dem „Mythos Waldhof“ gerecht zu werden: „Wir wollen ihn weitertragen und neu definieren.“ Allerdings reiche der wirtschaftliche Unterbau noch nicht aus, auch wenn der SVW schon wieder vier Jahre in der Dritten Liga sei und Ambitionen habe. Oberbürgermeister Christian Specht sprach seine Hoffnung aus, dass die Renaissance des SVW vielleicht von der Buga aus starte.
„Das hat heute etwas mit Vergangenheit und Tradition zu tun. Deswegen ist es auch für uns ein wichtiger Termin“, betonte der aktuelle Trainer, Rüdiger Rehm. Schlappner sei das Aushängeschild des Vereins, und es für ihn eine Ehre, „so etwas wie seine Nachfolge anzutreten“. Kapitän Marcel Seegert freute sich auf den Austausch mit den Legenden. Für ihn wäre es ein Traum, an den alten Erfolgen anzudocken. Nur: „Dafür müssen wir hart arbeiten, da die Leistungsdichte extrem ist.“
Dem Auftaktsieg gegen Bremen folgten in der Premierensaison neun weitere Siege sowie elf Unentschieden und 13 Niederlagen. Nach der noch damals geltenden Zwei-Punkte-Regelung und 31 Punkten (heute wären es 41) beendete der SVW die Saison auf Rang elf. Fritz Walter erzielte 16 Treffer und landete in der Torschützenliste auf Rang sieben, hinter so illustren Namen wie Karl-Heinz Rummenigge, Klaus Allofs oder Rudi Völler. Es folgten sechs weitere Jahre in der Beletage des deutschen Fußballs. In der zweiten Saison schnupperte des SVW sogar mit Platz sechs am internationalen Geschäft. Der Rest ist Geschichte mit dem Absturz bis in die Oberliga und der Rückkehr in den Profi-Fußball im Jahr 2019.
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