Eisstadion-Serie - Der Mannheimer blickt zurück auf Spieler, Prügeleien und Kuriositäten rund um die Eishockeymannschaft in den 1960er und 1970er Jahren

Erinnerungen an den Friedrichspark: Der erste MERC-Fotograf

Von 
Florian Karlein
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Das Mannschaftsfoto des MERC in der Saison 1974/75 – geschossen von Norbert Raffel. © Norbert Raffel

Mannheim. Im November 1968 sieht Norbert Raffel zum allerersten Mal ein Eishockey-Spiel des MERC. Damals ahnt er noch nicht, welche Beziehungs sich im Laufe der folgenden Jahre zwischen den Spielern und ihm entwickeln sollte. Im Rahmen der „MM“-Serie „Erinnerungen an den Friedrichspark“ hat Raffel der Redaktion seinen Rückblick aufgeschrieben. Er war nah dran an den Sportlern wie nur wenige. So nah, dass es in der heutigen Eishockey-Welt „einfach undenkbar“ wäre, sagt der Mannheimer selbst.

„Ich kam in einer Zeit zum MERC, als die Mannschaft in der Bundesliga eigentlich nur noch Niederlagen hinnehmen musste.“ Auch sein Premerenspiel gegen den EC Bad Tölz geht verloren. Das Ergebnis kennt Norbert Raffel nicht mehr. In Erinnerung ist ihm geblieben, dass nach dem Spiel ein paar Spieler beider Mannschaften in Strümpfen auf das Eis kommen, um sich zu prügeln. Trotz Prügelei zieht Raffel die Faszination Eishockey, wie er sagt, magisch in den Friedrichspark.

Norbert Raffel ist bis heute großer Eishockey-Fan. © Norbert Raffel

In der Saison 1969/70 steigt der MERC in die Oberliga ab. Verteidiger Dave Mazur, Stürmer Manfred Gmeiner, Werner Bingold und auch Torwart Michael Lotz können das nicht verhindern. „Es war aber auch die Zeit, als das Eisstadion in einem baulich schlechten Zustand war.“ Die Zuschauertribünen sind zwar überdacht, aber nicht die Eisfläche, erinnert sich Raffel. „Das führte dazu, dass sich die Zuschauer im trockenen befanden, aber nicht die Spieler auf dem Eis.“ Bei Regen kommt es vor, dass Quecksilber-Dampflampen über dem Eis mit lautem Knall zerbersten. Noch sind die Spielunterbrechungen nur, wenn es während eines Spiels schneit. Denndann kann der Puck nicht mehr gespielt werden. „Wann die Spielfläche überdacht wurde, kann ich nicht mehr so genau sagen - es war wohl so um 1972 herum.“ Doch mit dem Abstieg in die Oberliga beginnt die besondere Beziehung zwischen Raffel und seinem MERC.

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Nur wenige Spieler bleiben dem Eishockeyclub treu: Torwart Gerhard Hägele, Hans Maier, Hubert Kühnl, Wilbert Duszenko, Jörg Etz, Reinhold Meister, Kalle Scheytt, Eugen Seidl und Hans Clouth. Die Spiele im Eisstadion in dieser Zeit bezeichnet Raffel als „immer etwas Besonderes. Die Zuschauer waren - anders als heute - besonders kreativ mit ihren Anfeuerungsrufen.“ Ein Beispiel nennt er auch: „Etz, Etz, Etz! Der Puck, der muss ins Netz!“ Besonders schön für viele Zuschauer ist die Weihnachtszeit mit Glühweinduft im Stadion.

Norbert Raffel ist begeistert - und will mehr. „Ich wollte wissen, ob und wie man an die Spieler herankommt.“ Weil er gern fotografiert, knipst er während der Spiele vorsichtig von der Bande aus. Weil er noch näher ran will, schaut der Fan einfach mal im Training des MERC vorbei - und nach Rücksprache mit Trainer Eugen Seidl durfte er fotografieren. Irgendwann rekrutiert Raffel einen Freund, der ihm hilft, gleichzeitig Schwarzweiß-Fotos und Dias mit einer Vogtländer zu machen. „Wir machten Einzel-Aufnahmen der Spieler und ein paar Mannschaftsfotos.“ Die Spieler wollen Abzüge haben, erzählt er - sogar in Postergröße zum Aufhängen. Dafür zieht er die Bilder auf Spanplatten auf, demoliert aber beim Auftragen einer Borde das Bügeleisen. „Zu manchen Spielen fuhr ich dann mit dem Kofferraum voll Poster ins Stadion und mein 128er Fiat kam dadurch fast an seine Belastbarkeitsgrenze.“ Bis dahin existierten kaum Bilder der Spieler.

Die Serie

  • Der Friedrichspark, jahrzehntelang Heimat des MERC und der Adler sowie Veranstaltungsort vieler Konzerte, ist bald Geschichte. Voraussichtlich ab Sommer wird das Gebäude abgerissen. Die Grünfläche östlich des Schlosses soll neu gestaltet werden, und die Uni will im nördlichen Bereich drei Gebäude errichten.
  • In einer Serie präsentieren wir in loser Folge Erinnerungen, die Leserinnen und Leser, aber auch Redakteurinnen und Redakteure mit dem alten Eisstadion verbinden.

Mistgabel-Einsatz in Miesbach

Zum Saisonende 1973 veranstaltet Norbert Raffel einen Dia-Abend für Mannschaft und Trainer bei Kultwirt „Moggl“ am Eisstadion. „Während der Saison hatte ich auf einem Kassetten-Recorder die Schlachtgesänge der Fans aufgenommen und sie dann abgespielt, erinnert sich Raffel. Für ihn und die Spieler ein außergewöhnlicher Abend. Nach der Show gab es Essen, Spaghetti mit Tomatensoße - der Kohlenhydrate wegen natürlich. Fotos liefert Norbert Raffel bis 1976, als der neue Trainer Heinz Weißenbach kommt.

Noch gut erinnern kann sich Raffel an eine kuriose Geschichte aus dem Jahr 1972. „Nach einem Auswärtsspiel in Miesbach wurde Hans Maier mit einer Mistgabel verfolgt - wahrscheinlich weil er zu gut gespielt hatte.“ Jedenfalls prägt den Mannheimer die Zeit beim MERC von 1968 bis 1976. „Ich habe festgestellt, dass die Spieler auch nur Menschen sind und sich genauso freuen oder ärgern wie wir Fans.“ Einige Spieler der damaligen Mannschaft sitzen auch bei Familie Raffel zuhause, essen mit der Familie, trinken und fachsimpeln über Eishockey und den MERC. Mit einigen Spielern hat der Fan bis heute Kontakt, andere sind bereits verstorben.

Doch Raffel hat noch ein anderes Hobby: „Ich habe die Zeitungsberichte der Spiele und alles, was mit dem Mannheimer Eishockey zusammenhing, ausgeschnitten und in einem Ordner festgehalten.“ Zwischen 1972 und 1980 sammelt er. „Wenn meine Frau wegen Platzmangel nicht das Einstellen dieses Hobbys verlangt hätte, dann wäre unser Keller heute bis zur Decke voll mit diesen Ordnern“, schildert er.

Redaktion Leiter des Redaktionsteams Mannheim

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