Zwei CDU-Landtagsabgeordnete aus der Region haben sich mit einer Kleinen Anfrage über den Stand der Intelligenten Videoüberwachung in Mannheim informiert. Zur Begründung schrieben Ansgar Mayr (Wahlkreis Bretten) und Andreas Sturm (Schwetzingen), die Stadt habe mit dem Pilotprojekt einen neuen Weg eingeschlagen, um Straßenkriminalität im öffentlichen Raum besser bekämpfen zu können und Straftaten zu verhindern. Wir dokumentieren Ihre Fragen und die Antworten der grün-schwarzen Landesregierung hier in gekürzter Form.
Welche Erfahrungen konnten mit der seit mehr als drei Jahren laufenden „Intelligenten Videoüberwachung“ gemacht werden?
Durchweg positive Erfahrungen, so die Regierung. Das Beispiel Mannheim habe gezeigt, dass Videoüberwachung grundsätzlich einen positiven Effekt auf die Entwicklung der Kriminalität an sogenannten Brennpunkten entfalte. Es handele sich um ein, zumindest europaweit, einzigartiges Pilotprojekt. Parallel zur klassischen Aufzeichnung (Speicherfrist: 72 Stunden) überwachten Polizeibeamte die Übertragung in Echtzeit und initiieren eine sofortige Intervention, sobald die Software polizeilich relevante Verhaltensmuster erkenne. So habe die neue Technik vielfach dazu beitragen, sich anbahnende körperliche Auseinandersetzungen zu unterbinden.
Beispielhaft wird ein Vorfall im Juni 2022 angeführt, als sich ein Mann auf dem Alten Messplatz in Mannheim wiederholt äußerst aggressiv gegenüber Passanten verhielt. Dies sei von den Videobeobachtern wahrgenommen worden, die unverzüglich entsendeten Interventionskräfte hätten schon nach 1,38 Minuten einschreiten können.
Auch die Brandlegung an einem Corona-Testzentrum am Paradeplatz im Oktober 2021 habe man mit der Videoaufzeichnung aufklären und die Täter überführen können. Nicht zuletzt erleichtere die neue Technik auch schnelle Hilfeleistungen bei medizinischen Notfällen.
Wie viele polizeilich relevante Vorgänge wurden erkannt?
Eine Aussage zur Anzahl der bislang erkannten Vorgänge sei derzeit noch nicht möglich, heißt es. Das Projekt sei auf fünf Jahre ausgelegt. In einem ersten Schritt gehe es um die Objekterkennung und die sogenannte Personendetektion. Im nächsten Schritt schätze der sogenannte „Posenschätzer“ die Posen der im Bild detektierten Personen ein und versehe diese mit einem elektronischen Skelett. Im letzten Schritt analysiere die Aktivitätserkennung die geschätzten Posen und berechne daraus eine Wahrscheinlichkeit eines polizeilich relevanten Sachverhalts.
Wie lange dauerte es bisher nach Feststellung eines polizeilich relevanten Vorgangs, bis die Beamten am Tatort eintrafen?
Im Zeitraum Januar 2019 bis Dezember 2021 erfolgte den Angaben der Regierung zufolge bei insgesamt 2627 polizeilich relevanten Sachverhalten (davon 719 Straftaten) eine sofortige Intervention des Polizeipräsidiums. Hierbei wurde eine durchschnittliche Interventionszeit von 2,20 Minuten bei Straftaten und 2,56 Minuten bei sonstigen Sachverhalten (Ordnungswidrigkeiten, Gefahrenabwehr, Hilfeleistungen, sonstige Gründe) erreicht. „Das Ziel der ‘Echtzeitintervention’ konnte damit bislang in vollem Umfang erreicht werden.“
Worin liegt die Besonderheit des Mannheimer Projektes? Während sich andere Projekte unter anderem mit der Wiedererkennung von Personen anhand von biometrischen Merkmalen (sogenannte Gesichtserkennung) beschäftigten, liege der Schwerpunkt des Projekts intelligente Videoüberwachung in der Erkennung polizeilich relevanter Verhaltensmuster durch das softwarebasierte Analysieren menschlicher Verhaltensweisen, heißt es. Die Fähigkeiten der Experimentalsoftware seien jüngst in einer externen wissenschaftlichen Betrachtung untersucht worden. Die Autoren seien zum Ergebnis gekommen, dass der in Mannheim zum Einsatz kommende „Posenschätzer“ den aktuellen Stand der Wissenschaft übertreffe.
Lässt sich anhand von Rückmeldungen aus der Bevölkerung erkennen, ob die anonymisierte Videoüberwachung eher abgelehnt oder eher begrüßt wird?
Das Projekt werde von den Bewohnern überwiegend befürwortet, heißt es. Das habe eine repräsentative Umfrage im Auftrag der Stadt aus dem Jahr 2020 belegt. 17 Prozent der Einwohner Mannheims fühlten sich aufgrund der Videoüberwachung deutlich sicherer, 34 Prozent etwas sicherer. Insgesamt werde das Projekt mit einem Durchschnitt von 2,3 mit der Schulnote „Gut“ bewertet. Zudem hätten 94 Prozent der Befragten angegeben, dass sie die geschützten Bereiche nicht meiden und 95 Prozent ihr Verhalten dort nicht einschränken würden.
Wie wird dem Datenschutz genügend Rechnung getragen?
Der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit sei von Beginn an kontinuierlich in die Planungen des Projekts einbezogen worden, heißt es. Bei einer Vor-Ort-Besichtigung am 4. November 2019 habe er keine datenschutzrechtlichen Unregelmäßigkeiten festgestellt. Höchstpersönliche Bereiche seien schon im Vorfeld identifiziert und durch technische Vorkehrungen (Verpixelung) von der Videoüberwachung ausgeschlossen worden. Bei Versammlungen würden die Kameras temporär deaktiviert. Zudem sei gewährleistet, dass nur Befugte Daten einsehen, kopieren, ändern oder löschen könnten. Der Umgang mit Videoaufnahmen erfolge nach einem abgestuften Rechtekonzept durch mindestens zwei Benutzergruppen (Vier-Augen-Prinzip). Jeder Zugriff auf das System werde automatisiert in einer Protokollierungsdatei erfasst und grundsätzlich zwölf Monate gespeichert. Die Bildaufzeichnungen seien unverzüglich, spätestens jedoch nach vier Wochen zu löschen. Nur wenn sie für die Verfolgung von Straftaten oder von Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung seien, erfolge eine weitere Speicherung.
Bewertung der Ergebnisse
Die Antworten der Landesregierung kommentiert Claudius Kranz, CDU-Fraktionschef im Mannheimer Gemeinderat, so: „Mit ganz wenigen Ausnahmen, die aber auch nur ideologisch motiviert sind, wird die Videoüberwachung nach dem ‘Mannheimer Modell’ von den Verantwortlichen in der Stadt als Erfolg gewertet.“ Vor allem, weil sich Menschen dadurch deutlich sicherer fühlten.
Auch der CDU-Kreisvorsitzende Christian Hötting freut sich, dass die Akzeptanz in der Bevölkerung vorhanden sei. „Von vielen in ihrem Nutzen in Zweifel gezogen, wird nunmehr mit Fakten unterlegt, dass die Videoüberwachung nach dem ,Mannheimer Modell’ Straftaten aktiv verhindert und der Polizei ermöglicht, in kürzester Zeit einzugreifen“, so Hötting. Auch die Landtagsabgeordneten Ansgar Mayr und Andreas Sturm begrüßen das Projekt ausdrücklich. red
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