Der Erreger Sars-CoV-2 beschäftigte auch in Mannheim die Kammern der Sozialgerichte. Es galt jeweils zu klären, ob eine Infektion beziehungsweise Erkrankung als Arbeitsunfall zu werten ist. Mehrere Klagen, beispielsweise die einer Klinikmitarbeiterin in der Verwaltung, wurden abgewiesen, weil eine wahrscheinliche Ansteckung am Arbeitsplatz nicht schlüssig belegt werden konnte. Hingegen gewann die Witwe eines Bäckers den Prozess gegen jene Berufsgenossenschaft, die den Tod des Ehemannes als Folge von Covid nicht als Arbeitsunfall anerkennen wollte. Die gerichtliche Beweisaufnahme ergab: Ein anderer Bäcker des Großbetriebes, der regelmäßig mit teilweise nur 60 bis 70 Zentimeter Abstand neben dem später verstorbenen Angestellten gearbeitet hatte, war wenige Tage vor der Corona-Infektion seines Kollegen eindeutig positiv auf das Virus getestet worden war. Die Witwe erstritt Hinterbliebenenleistung (Aktenzeichen S 14 U 836/22).
Ansteckung in der Pause?
Beim Streit um eine Covid-Erkrankung als Arbeitsunfall geht es stets darum, wer die Indexperson war – also jene Person, die den Erreger höchstwahrscheinlich weitergegeben hat. In einem Konfliktfall argumentiert die Berufsgenossenschaft, die Filialleiterin eines Heidelberger Geschäfts habe sich vor der Eröffnung des neuen Ladens beim Einräumen der Ware in der nichtversicherten Mittagspause bei einer Kollegin angesteckt. Allerdings hatte die Klägerin, die „Long Covid“ entwickelte, auch während der Arbeitszeit mit dieser Indexperson zusammen gearbeitet. Dass die Virus-Übertragung in der kurzen Pause erfolgt sein soll, sahen die Sozialrichter als keineswegs erwiesen. Sie entschieden, dass die Berufsgenossenschaft für die von ihr behauptete Ansteckung während der Mittagsunterbrechung die Beweislast trägt. Der Fall ist inzwischen beim Landesarbeitsgericht in Stuttgart anhängig. (LAG-Aktenzeichen: L 6 U/ 1413/23)
Verlängerung der Beine
Keinen Erfolg hatte die Klage einer jungen Frau, die wegen ihrer geringen Körpergröße von 141 Zentimetern eine operative Bein-Verlängerung erreichen wollte. Die 18-Jährige machte Einschränkungen im Alltagsleben geltend und berichtete von Mobbing während der Schulzeit. Das Sozialgericht wies die Klage nach Befragung des behandelnden Arztes ab. Dieser bestätigte zwar Kleinwuchs – aber nicht im Sinne einer Krankheit mit Funktionsstörungen, für die eine Kasse aufkommen müsste. Probleme wie Autofahren oder Erreichen von Regalen könnten mit technischen Hilfsmitteln gelöst werden. Und bei seelischen Belastungen böte sich psychologische Unterstützung an. Gegen das Urteil (S7 KR 136/ 21) hat die junge Frau beim Landessozialgericht Berufung eingelegt.
Wem die Stunde schlägt
Wie viele Minuten hat eine Stunde im Sinne einer Unterrichtseinheit? Das Jobcenter hatte einem Leistungsempfänger ein digitales Gründercoaching zum Heranführen an eine selbständige Berufstätigkeit bewilligt und maximal acht Stunden genehmigt. Der beauftragte Bildungsträger verteilte das Coaching auf zehn Einheiten von je 45 Minuten und rechnete siebeneinhalb Zeitstunden zu je 97,50 Euro ab. Das Jobcenter wollte aber lediglich acht Unterrichtseinheiten und damit insgesamt 780 statt 975 Euro zahlen. Der Bildungsträger pochte auf die zugebilligten acht Stunden. Das Sozialgericht gab ihm Recht, weil das Jobcenter ohne Einschränkung acht Stunden zuerkannt hatte. Das Urteil (S 4 AS 1415/22) ist inzwischen rechtskräftig.
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