Votum im Hauptausschuss

Entscheidung über Mannheimer Verkehrsversuch erst im November

Sperren für Autos in der Innenstadt wird es so schnell nicht mehr geben. Der Hauptausschuss des Gemeinderats beschloss am Dienstag nach kontroverser Debatte, dass eine Entscheidung darüber im November fallen soll

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Steffen Mack
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Die Anfang Mai wieder abgebaute Schranke in der Fressgasse. Hier war der Verkehrsversuch aus Sicht der Verwaltung indes durchaus ein Erfolg und könnte fortgeführt werden, aber frühestens Ende des Jahres. © Thomas Tröster

Mannheim. Es ist für Peter Kurz seine vorletzte Hauptausschusssitzung. Sollte das den scheidenden SPD-Oberbürgermeister mit Wehmut erfüllen, lässt er es sich nicht anmerken. Im Gegenteil wirkt er, jedenfalls äußerlich, entspannt und mit sich im Reinen. Mit Wortmeldungen, die er erkennbar für weniger klug hält, geht er an diesem Dienstag jedenfalls zunächst sehr viel geduldiger um als in der mitteljüngeren Vergangenheit. Dabei steht - und das sogar letztmals in der Amtszeit des 60-Jährigen, wie am Sitzungsende beschlossen wird - ein Thema auf der Tagesordnung, das so umstritten ist wie seit vielen Jahren kein anderes in der Mannheimer Politik: der Verkehrsversuch, die mittlerweile wieder abgebauten Sperren für Autofahrer in Fressgasse, Marktstraße und Kunststraße.

CDU und Mannheimer Liste (ML) beantragen zu Beginn vergeblich, das Thema wieder von der Tagesordnung zu nehmen. Ihre Fraktionschefs Claudius Kranz und Achim Weizel beklagen, die mit allen Anhängen rund 240 Seiten umfassende Vorlage sei den Ausschussmitgliedern viel zu kurzfristig zur Verfügung gestellt worden - erst am vergangenen Mittwoch, und am Donnerstag sei ja Feiertag gewesen, noch dazu Pfingstferien. Im Urlaub Hunderte Seiten Unterlagen zu durchstöbern sei nicht nur ehrenamtlichen Stadträten schwer zumutbar, sondern auch deren Familien, so Weizel.

Priorität hat Fressgasse

Der Antrag auf Verschiebung, den auch FDP-Fraktionschefin Birgit Reinemund befürwortet, findet jedoch keine Mehrheit. Grünen-Stadtrat Gerhard Fontagnier, der die Gegenrede hält, verweist darauf, entschieden werden solle über einen Fortgang des Verkehrsversuchs ja ohnehin erst im November.

In dieses Horn stößt auch Kurz. Die Beschlussvorlage bedeute lediglich einen Arbeitsauftrag an die Verwaltung, ein Konzept zu erstellen, wie es weitergehen könne. Der Oberbürgermeister verweist auf die der Vorlage angehängten Erhebungen, wonach sich der Verkehrsversuch vor allem in der Fressgasse bewährt habe, in der Kunststraße dagegen weit weniger. Bei Letzterer müsse man daher grundlegend neu ansetzen und eine andere Lösung suchen. Das werde bis November voraussichtlich nicht gelingen, daher falle wohl erstmal nur eine Entscheidung über den Fortgang in der Fressgasse.

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Grüne und Linke stimmen dem Zeitplan der Stadt zwar zu. Fontagnier und LI.PAR.Tie-Fraktionschef Dennis Ulas machen aber deutlich, dass sie sich deutlich mehr Tempo wünschen würden. Sie hatten schon im März vergeblich beantragt, den Verkehrsversuch nicht nach knapp einem Jahr zu beenden, sondern möglichst nahtlos fortzusetzen. Fontagnier zeigt sich verärgert, dass „gestandene Geschäftsleute den Abbau der Sperren gefeiert haben wie den Mauerfall in Berlin“.

Auch Handel meldet sich zu Wort

SPD-Fraktionschef Thorsten Riehle sagt zur Kritik von CDU, ML und FDP an der Behandlung des Themas bereits am Dienstag: „Wenn wir Ihnen jetzt eine Woche mehr Zeit geben würden, würde sich das Meinungsbild ja auch nicht ändern.“ Wichtig sei, bis November die bestmögliche Lösung zu finden. Und zwar für mehrere Nutzergruppen der Innenstadt, nicht nur für eine.

Der Handel hat seinen Standpunkt zur Ausschusssitzung erneut unterstrichen: „Die Mannheimer Innenstadtwirtschaft bewertet den abgeschlossenen Verkehrsversuch überwiegend negativ und wünscht sich künftig keine weiteren Einschränkungen bei der Einfahrt in die Quadrate“, teilen Industrie- und Handelskammer, Einzelhandelsverband und Werbegemeinschaft City unter Verweis auf Mitgliederbefragungen mit.

Anderer Meinung ist Jutta Schroth, Vorsitzende des Bürgervereins Innenstadt. Sie fordert in einer Mail an den „MM“ sofortige weitere Schritte, um die Anwohner vor Abgasen und Lärm zu schützen. Der Zeitplan der Stadtverwaltung sei „nicht hinnehmbar“. Zumal die Maßnahmen, die der Gemeinderat dann im November endlich beschließen werde, ja auch erst noch umgesetzt werden müssten.

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Damit wird sich dann auch der neue Oberbürgermeister maßgeblich zu befassen haben. Kurz, dessen Laune nach fast vierstündiger Sitzung und zweieinhalbstündiger Debatte über den Verkehrsversuch nicht mehr ganz so prima wirkt, gibt allerdings auch einige grundsätzliche Punkte zu bedenken. Demnach gebe es seiner Meinung nach nur noch zwei legitime politische Positionen: Entweder lasse man das Ganze aus Sorge vor ökonomischen Schäden für den Handel ganz. Oder man setze den eingeschlagenen Weg fort. Schließlich habe sich die Verwaltung für die gewählten Maßnahmen nach reichlicher Prüfung und Dialogen mit allen Beteiligten entschieden. Jetzt alles wieder auf Anfang zu stellen und den Prozess komplett neu aufrollen zu wollen, mache dagegen wenig Sinn. Dafür erntet der Sozialdemokrat indes deutlichen Widerspruch von CDU, ML und FDP, die durchaus Raum für Modifizierungen sehen und möglichst alle Interessengruppen noch mal an einen Tisch bringen wollen.

Ein Versuch zu wenig?

Der scheidende Oberbürgermeister hält es offensichtlich im Nachhinein auch nicht mehr für die allerklügste Entscheidung, dass Ganze nur auf Versuchsbasis anzugehen. Das lade ja geradezu zu ständiger Kritik ein. Er stellt die rhetorische Frage in den Raum: „Hätten wir es 1975 geschafft, die Fußgängerzone nur als Versuch hinzukriegen?“ Manchmal müsse man eben auch einfach Dinge angehen, bei Bedarf lasse sich ja immer noch nachsteuern.

Kurz bemängelt auch, leider lasse die Straßenverkehrsordnung den Kommunen bei Maßnahmen zum Klimaschutz nicht ausreichend Spielraum. Das sei einhellige Position im Städtetag. Man dürfe auch nicht so tun, als gehöre Mannheim bei Verkehrsberuhigung zur Avantgarde. Entsprechende Bemühungen gebe es weltweit. Darauf weist auch Verkehrsdezernent Ralf Eisenhauer hin, der anders als Kurz im November noch im Amt sein wird.

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

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