Soziales

"Einander Aktionstage" in Mannheim: Das Café Anker im Jungbusch stellt sich vor

Das Café Anker ist eine niedrigschwellige Suchthilfeeinrichtung im Mannheimer Jungbusch. Was Besuchende dorthin führt und was das Projekt zum Tag der offenen Tür auf die Beine gestellt hat

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Tanja Capuana
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Das Team des Café Anker. © Tanja Capuana

Mannheim. Im Hof vor dem Café Anker herrscht an diesem Freitag ausgelassene Stimmung. DJane CeCe legt fetzige Partyhits auf, an den Tischen lassen sich die Gäste Leckereien wie Kuchen und Hotdogs schmecken. Beim Mitmach-Tag der offenen Tür im Rahmen der „Einander Aktionstage“ hat die Einrichtung zu einer Feier eingeladen. Bei dem Café handelt es sich um eine niedrigschwellige Suchthilfeeinrichtung, die von der Stadt Mannheim finanziert wird und von der Suchtberatung des Caritasverbandes Mannheim e.V. und dem Drogenverein Mannheim e.V. getragen wird. Mit den Feierlichkeiten stellt das im August 2020 eröffnete Café sich und seine Arbeit vor. „Wir wollen zudem eine Möglichkeit für Begegnungen schaffen und Berührungsängste abbauen“, sagt Manuela Morsch, hauptamtliche Sozialarbeiterin des Café Anker.

Soundcollage zum Thema "GEGENGEWALT" im Café Anker

Im Rahmen ihres Tags der offenen Tür präsentiert das Team zudem ein ganz besonderes Projekt: Ihre Soundcollagen zum Thema „GEGENGEWALT“. Hinter der Aktion stecken neben Morsch auch die Kölner Schauspielerin und Sprecherin Rebecca Madita Hundt sowie Jan Kalt vom Tonstudio Schraubfabrik. Dafür hat das Trio am Donnerstag den "Mannheimer Demokratiepreis" in der Kategorie "Sonderpreis Sprache" gewonnen, ausgelobt vom Leibniz Institut und dem Mannheimer Morgen, so Morsch. Der Preis ist mit 1000 Euro dotiert. Aus insgesamt 14 Interviews sind vier Soundcollagen entstanden, die sich mit dem Thema Gewalt auseinandersetzen.  Anhören kann man sich die Aufnahmen auf MP3-Spielern. Die Protagonisten erzählen, was sie unter Gewalt verstehen, welche Erfahrungen sie damit gemacht haben, was es mit ihnen macht – und wie ein friedliches Miteinander gelingen kann. Morsch, die früher als Regieassistentin gearbeitet hat, und Hundt sind seit vielen Jahren befreundet. Ihnen kam die Idee, ein gemeinsames kreatives Projekt auf die Beine zu stellen. „Das Thema Gewalt ist naheliegend und auch sehr präsent“, sagt Morsch. „Wir haben angefangen, ein Konzept zu schreiben.“  Zudem mussten Gelder beantragt werden, unter anderem bei der Caritas Stiftung der Erzdiözese Freiburg sowie bei SIMA, e.V. dem Förderverein Sicherheit in Mannheim.

AUDIO: Auszug aus einer Soundcollage des Projekts „Gegengewalt“

Die anonymen Interviewten sind etwa Besucher, aber auch Angehörige der Polizei, der Kirche und sozialen Einrichtungen. Auf das Ergebnis sind Hundt und Morsch stolz. „Da stecken einfach so viele wichtige Botschaften drin mit zentralen Denkansätzen“, sagt Morsch. Aus der Fülle an Materialien die aussagekräftigsten Parts auszuwählen, sei nicht einfach gewesen. „Wir haben super gut zusammengearbeitet und ergänzen uns da auch total gut“, sagt Morsch. „Es hat richtig viel Spaß gemacht.“ Nun wollen sie die Soundcollagen auch der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen.

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An diesem Tag können die Besucher selbst aktiv werden: Auf einer gelben Schreibmaschine schreiben sie auf, was man gegen Gewalt machen kann. Die Antworten fasst das Team auf einem Plakat zusammen. Unter den Gästen befinden sich auch viele externe Besucher. Gleichzeitig feiern viele Stammgäste mit. Einer von ihnen ist Jascha. Der 31-Jährige trägt ein orangefarbenes T-Shirt mit dem Logo des Mitmachtags, das er selbst entworfen hat. Der junge Mann kommt fast täglich in die Einrichtung: Seit November 2023 ist er obdachlos. „Ich komme hier her zum Duschen und essen“, erzählt er. Gleichzeitig schätzt er die Möglichkeit, mit anderen Gästen sowie dem Team ins Gespräch zu kommen. „Hier ist jeder willkommen.“ So geht es auch Chris. „Ich kenne auch viele Leute aus dem Gefängnis“, sagt der 38-Jährige, der selbst eine Haftstrafe hinter sich hat. „Das Café Anker ist essenziell für Leute, die schlimmer dran sind als ich.“ Nicole aus Wilhelmsfeld hat früher in Mannheim gewohnt. Durch ihren ehemaligen Partner sei sie auf die Einrichtung aufmerksam geworden. Inzwischen kommt sie weiterhin einmal pro Woche in das Café im Jungbusch. Die 33-Jährige hat ein Suchtproblem sowie eine psychische Erkrankung. Im Café Anker findet sie Trost, und fühlt sich verstanden. „Man kann auch einfach herkommen, wenn man einen schlechten Tag hat“, lobt sie. Das Café in der Akademiestraße sei für sie ein Safe Space, ein sicherer Ort, in dem man auch seinen Tränen freien Lauf lassen kann. Mohamed sieht das ähnlich. Der 42-Jährige ist ohne festen Wohnsitz und hat bereits an einem Ausflug vom Café Anker-Team in den Schwarzwald teilgenommen. Für ihn eine willkommene Abwechslung aus seinem Alltag und der Wohnungslosigkeit. Im Café könne man auch mal seine Probleme rauslassen und mit dem Team reden. „Das ist ganz wichtig“, sagt der Mannheimer.

Im Winter kommen teils 120 Besuchende ins Café Anker im Jungbusch

Ann-Kathrin Truber vom Caritasverband Mannheim gehört zum Team des Cafés Anker. Die Sozialarbeiterin kümmert sich an diesem Nachmittag unter anderem darum, dass die Verpflegung der Gäste reibungslos über die Bühne geht. Im Sommer zählt das Café zwischen 70 und 80 Besucherinnen und Besucher. „Im Winter kommen zum Teil bis zu 120 Besuchende“, sagt sie. Etwa 80 Prozent von ihnen seien von einer Abhängigkeitserkrankung betroffen, so Truber. „Es kommen auch viele Besucherinnen und Besucher mit psychischen Erkrankungen.“ Zu den Gästen zählen auch Menschen ohne festen Wohnsitz sowie Leute, die im Jungbusch leben, und Hilfe bei bürokratischen Anliegen haben und daher die Sozialberatung nutzen. Problematisch sei, wenn etwa Menschen mit „wenn etwa mehrere Menschen mit einer akuten Psychose gleichzeitig in den Anker kommen. Das ist dann eine Herausforderung“, räumt die junge Sozialarbeiterin ein. Sie vermutet, dass das nicht zuletzt auch daran liegt, dass das ZI sich ganz in der Nähe befindet. So kämen nicht selten ehemalige Patienten in den Anker, um Hilfe zu bekommen.

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Manchmal kommen aber auch Leute ins Café Anker, die in der Nähe arbeiten, etwa Bauarbeiter, erzählt sie. Gleichzeitig freut sich Truber, dass die Einrichtung inzwischen im Quartier bekannt ist. Mal spendet eine Anwohnerin Bücher in die Einrichtung, dann Studenten, die wieder wegziehen, Dinge, die sie nicht mehr benötigen. „Und der Bäcker aus der Hafenstraße bringt uns manchmal nach Feierabend Backwaren vorbei.“

Freie Autorin Kulturredaktion, Lokalredaktion, Wochenende. Schwerpunkte: Bunte Themen, Reisereportagen, Interviews, Musik (von elektronischer Tanzmusik bis Pop), Comedy und Musicals

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