Mannheim. Einen Tag nach dem Verkehrschaos – ausgelöst durch die Sperrung des Fahrlachtunnels – zieht die Polizei eine überraschende Bilanz: Während sich am Dienstagnachmittag und -abend die Autos besonders auf der Bismarckstraße und der Reichskanzler-Müller-Straße gestaut hatten, sei die Lage am Mittwoch mittlerweile wider Erwarten entspannt. „Viele wissen nun Bescheid über die Sperrung und haben sich neue Weg gesucht. Auch die Sommerferien spielen da wohl eine Rolle“, sagt Polizeisprecher Norbert Schätzle.
Schon um 7 Uhr morgens sei zwar ein Polizeihubschrauber wieder über der Stadt gekreist, um Verkehrsströme zu beobachten und kritische Punkte zu identifizieren. Sein Einsatz wurde schon nach anderthalb Stunden wieder beendet. Einziges Nadelöhr sei am Mittwoch der Neckarauer Übergang gewesen, auch weil auf der Neckarauer Straße Richtung Schwetzingen wegen einer Baustelle eine Fahrspur gesperrt ist.
Trotz Fahrlach-Sperrung: Plädoyer für Verkehrsversuch
- Trotz der Sperrung des Fahrlachtunnels wollen die Fraktionen von Grünen und LI.PAR.Tie im Mannheimer Gemeinderat am für Ende August geplanten Verkehrsversuch in der Mannheimer Innenstadt festhalten. Das bekräftigten beide Fraktionen am Mittwoch in entsprechenden Mitteilungen. Bei dem Versuch sollen die Durchfahrten von Kunststraße und Fressgasse für ein Jahr unterbrochen werden, um die Aufenthaltsqualität in der City zu steigern.
- Der Verkehrsversuch sei „ein wichtiger Baustein für die nötige Verkehrswende“, betont Gerhard Fontagnier für die Grünen. „Wir müssen uns dringend unabhängiger vom Autoverkehr machen. Klimawandel, Lärm- und Gesundheitsbelastung müssen endlich zu Maßnahmen führen. Die umfangreiche und aufwendige Infrastruktur für den Autoverkehr ist anfällig und wird es auch weiterhin bleiben, unabhängig von den akuten Problemen im Fahrlachtunnel.“
- Auch LI.PAR.Tie will den Versuch machen. Die Innenstadt innerhalb des Stadtrings sei „gänzlich ungeeignet“, um Ausweichverkehre infolge der Tunnelsperrung aufzunehmen, heißt es in der Mitteilung. Die Tunnel-Situation sollte vielmehr den Druck erhöhen, „über Alternativen im Mobilitätskonzept der Stadt Mannheim und der Rhein-Neckar-Region nachzudenken und die Verkehrswende voranzutreiben“. Die Fraktion spricht sich deshalb für eine verstärkte Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel aus. Die Stadtverwaltung hatte am Dienstag erklärt, sie wolle noch prüfen, ob der Verkehrsversuch tatsächlich komme.
- Die Ludwigshafener CDU fordert nach der Tunnelsperrung, dass die Stadt Mannheim „in enger Abstimmung mit den Ludwigshafener Verantwortlichen“ ein Verkehrskonzept für diesen Notfall entwickelt. „Die plötzliche Sperrung des Fahrlachtunnels auf Mannheimer Seite hat leider auch große Auswirkungen für Arbeitnehmer und Unternehmen in Ludwigshafen.“ (imo)
Die Polizei will den Verkehr aber weiterhin regelmäßig auch mit Polizeimotorrädern beobachten, um rechtzeitig eingreifen zu können. Darüber hinaus sei man mit der Stadt im Austausch, um gegebenenfalls nachzujustieren, so Schätzle. Verkehrlich wird man laut Stadt-Sprecher Kevin Ittemann an der Zufahrt auf die Neckarauer Straße – von der B 36 kommend – nachjustieren müssen, damit der Verkehr zügiger abfließen kann. „Welche Maßnahmen ergriffen werden, steht heute noch nicht fest.“
„Völlig unvorhergesehen“
„Bei einer so kurzfristigen Entscheidung ist das Verkehrschaos natürlich programmiert“, so Alexa Sinz, Sprecherin des ADAC Nordbaden. Klar sei aber, dass die Sicherheit vorgehe. Jetzt, in den Sommerferien, sei das Pendleraufkommen nicht so hoch, das werde sich mit Schulbeginn wieder ändern. Erfahrungsgemäß verteile es sich nach ein paar Tagen wieder besser – „weil einige eine andere Uhrzeit wählen, eine andere Route oder den ÖPNV“.
Nahverkehr: VRN wartet noch ab
- Wie wirkt sich die spontane Sperrung des Mannheimer Fahrlachtunnels auf den öffentlichen Nahverkehr in der Metropolregion aus? Steigen die Pendler nun auf Bus und Bahn um? Nachgefragt beim Verkehrsverbund Rhein-Neckar wie und ob die Sperrung bereits spürbar ist, erklärt Sprecher Axel „Natürlich sind wir von der Sperrung des Fahrlachtunnels ebenfalls überrascht worden, so dass wir uns auf eine Sperrung nicht vorbereiten konnten.“
- Man wolle im ersten Schritt die Verkehrsströme und mögliche Behinderungen im Nahverkehr abwarten und beobachten. Im zweiten Schritt sollen dann Maßnahmen in Bus, Straßenbahn und S-Bahn geplant und umgesetzt werden. Alles in Zusammenarbeit mit der Stadt Mannheim, dem Verkehrsunternehmen Rhein-Neckar-Verkehr (RNV), dem BRN-Busverkehr Rhein-Neckar und der Deutschen Bahn.
- Ein Vorteil der Lage seien laut Sprecher die Sommerferien in Baden-Württemberg. Hinzu kommt, dass „Corona-bedingt aktuell noch keine Vollauslastung im Öffentlichen Nahverkehr gegeben ist“, so Thiemann. Allerdings sei auch klar: Sommerferien und Pandemie böten nur eine zeitlich begrenzte Entlastung. Schließlich steigen laut VRN die Fahrgastzahlen, und der Nahverkehr verzeichnet mehr Nutzer. (lia)
Ralph Schlusche, Verbandsdirektor des Verbands Region Rhein-Neckar, sagt: „Bereits in der letzten Sitzung des Arbeitskreises Baustellenkoordination Mitte Juli wurde die aktuelle Baustellenplanung zum Fahrlachtunnel besprochen. Die Stadt Mannheim ging zu diesem Zeitpunkt noch von einem verlässlichen einspurigen Betrieb je Fahrtrichtung während der Sanierung des Tunnels aus.“ Die derzeitige, „völlig unvorhergesehene Sperrung“ habe sich daher auch bei „bester Koordination der Baumaßnahmen nicht einplanen“ lassen, so Schlusche. „Wir behalten das Projekt natürlich auf der Agenda des Arbeitskreises.“
Die weiteren bekannten Baumaßnahmen in der Region, die der Stadt vorliegen, müssten jetzt bei der Verkehrslenkung für die Zeit der Vollsperrung Berücksichtigung finden, um die verkehrlichen Auswirkungen auf das Straßennetz so weit als möglich abzumildern.
Jährliche Wartung
Die Stadt hatte den Fahrlachtunnel am Dienstag, 14 Uhr, vollständig gesperrt. Gutachter hätten Defizite in der Tunnellüftung, bei den Rettungswegen und bei weiteren sicherheitstechnischen Einrichtungen festgestellt, hieß es. Insbesondere in der Brandschutzlüftung und -steuerung seien Mängel entdeckt, worden, die die Vollsperrung nötig machten.
Nach Auskunft von Stadt-Sprecher Ittemann wird der Tunnel jährlich gewartet. Zudem sei alle vier bis sechs Jahre eine Bauwerksprüfung nach der DIN 1076 vorgenommen worden. Eine solche Prüfung erfolgt laut Bundesverkehrsministerium durch einen erfahrenen und besonders geschulten Ingenieur, der auch die statischen und konstruktiven Verhältnisse am Bauwerk beurteilen kann. Vor dem Hintergrund immer älter werdender Bauwerke und des weiter zunehmenden Verkehrs auf den Bundesfernstraßen komme Bauwerksprüfungen eine immer größere Bedeutung zu.
Bestandsaufnahme veranlasst
Bei den Bauwerksprüfungen wird nach Angaben der Stadt nicht die Anlagentechnik geprüft. Das sei der Grund, warum diesbezüglich auch keine Erkenntnisse zu Mängeln vorlagen. „Auch die Wartungen stellten keine Überprüfung hinsichtlich einer Leistungsfähigkeit oder Steuerung im Brandfall dar, sondern es wurden Anlagenteile auf Funktion gewartet“, sagte Ittemann.
Abweichend von den Bauwerksprüfungen sei 2019 – nach dem Brand in der Trafoanlage – eine Bestandsaufnahme der Betriebstechnik veranlasst und 2020 Funktionstests vorgenommen worden. Erst diese beiden Maßnahmen hätten einen Anfangsverdacht zu Mängeln in der Tunnellüftung und bei weiteren Sicherheitseinrichtungen ergeben.
Die Frage, ob es einen Zeitpunkt in der Vergangenheit gegeben habe, an dem man mit einer langfristigen Teilsperrung die existierenden Mängel hätte angehen können, verneint Stadt-Sprecher Kevin Ittemann. Die Defizite in der Tunnellüftung und deren Steuerung seien zu umfangreich. In dieser Situation sei auch ein reduzierter Betrieb nicht zu verantworten.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-ein-nadeloehr-aber-kein-verkehrschaos-_arid,1832909.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html
Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Gesperrter Fahrlachtunnel Mannheim: Stadt muss sich erklären