Mannheim. Rund 10 000 Jugendliche leben in Mannheim. Viele von ihnen möchten die Gesellschaft mitgestalten und sich im Ehrenamt engagieren. Doch auch wenn der Wille da ist: Helfen ist für sie nicht immer ganz einfach. Denn obwohl laut einer Umfrage des Malteser Hilfsdienstes bei 56 Prozent der Jugendlichen die Bereitschaft grundsätzlich vorhanden ist, engagiert sich doch nur jeder Fünfte ehrenamtlich. Die Gründe sind vielfach Mangel an Zeit und Orientierung. Was brauchen Jugendliche, um sich gut einbringen zu können? Welche bürokratischen Hürden gibt es? Wo fehlt es Organisationen und Vereinen?

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Während der Weihnachtszeit haben die Mitglieder von Interact, der Jugendorganisation von Rotary, die Wunschbaumaktion im Q 6/Q 7 in Mannheim organisiert. Jetzt stehen diese und andere Interact-Projekte auf der Kippe. „Im Moment haben wir ein Mitgliederproblem. Wir sind nur zu fünft und suchen eine neue Präsidentin oder einen neuen Präsidenten, die oder der die Treffen organisiert und die Kommunikation zu unserem Rotary Patenclub aufrechterhält“, sagt Clubpräsidentin Clara Greten, die selbst in diesem Sommer altersbedingt ausscheidet.
Jugendfeuerwehr braucht mehr Betreuer
Es ist ihr aber bisher nicht gelungen, neue Mitglieder zu finden oder eine Nachfolge-Regelung für sich zu gewinnen. Und dabei geht es gar nicht elitär zu, wie manch einer bei dem Namen Rotary vermuten könnte. Lediglich der Spaß an den gemeinsamen Projekten und ein Alter zwischen zwölf und 18 Jahren sind entscheidend.
Bei der Jugendfeuerwehr kann ebenfalls fast jeder mitmachen: Dafür müssen interessierte Jugendliche nur das Kontaktformular auf der Website der Nachwuchsorganisation auszufüllen oder einen der acht Jugendgruppen-Leiter anzurufen. 156 Jugendliche zwischen zehn und 18 Jahren sind derzeit bereits bei der Feuerwehr. Zusammen mit den vier Kindergruppen, den Löschlöwen, sind es sogar 207 Kinder. „Wir bräuchten aber mehr Betreuer. Bei der Jugendfeuerwehr Käfertal gibt es eine Warteliste für die Jugendlichen“, berichtet Stadtjugendfeuerwehrwart Cedrik Ludwig.
Neue Betreuer werden innerhalb der Freiwilligen Feuerwehr rekrutiert. Doch es sei schwierig, die bereits ehrenamtlich Tätigen dazu zu überreden, noch mehr Freizeit zu investieren. Das hat einen Grund: Ein Jugendlicher bei der Freiwilligen Feuerwehr nimmt an vier Übungen im Monat teil und kommt damit auf 16 Stunden. Die Betreuer benötigen zusätzlich eine Stunde Vor- und Nachbereitung. Dazu kommt die Arbeit als Feuerwehrmann selbst. „Das rechnet sich schnell auf 40 bis 60 Stunden im Monat, die ein Betreuer aufbringt“, zählt Ludwig.
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Für ihn lohnt sich dieser Aufwand wegen der Freude bei den Kindern und Jugendlichen. Und für den Moment, wenn man jahrelang mit einem Jugendlichen gearbeitet hat und er dann seinen ersten Einsatz fährt. „Das ist ein sehr emotionaler Moment. Unbeschreiblich“, sagt der Feuerwehr-Ausbilder.
Von der Mannheimer Stadtverwaltung wünscht sich Ludwig hingegen mehr Wertschätzung und Anerkennung. Die Jugendlichen würden sich schließlich darauf vorbereiten, den Mitmenschen zu helfen und Leben zu retten. Mitunter scheitere es schon mal an einer Genehmigung, wenn es darum gehe, ein Gebäude für eine Übung zu finden. „Wenn die Verwaltung ein bisschen mehr wüsste, was wir für die Stadt machen, und die bürokratischen Hürden wegfallen würden, würde uns das sehr helfen.“
Kaum Möglichkeiten zum Helfen gefunden
Dass die Förderung der Jugendlichen ein wichtiges Thema ist, betont Karin Heinelt, Geschäftsführerin des Stadtjugendrings (SJR) Mannheim. Die 33 Jugendverbände, die sie unterstützen, hätten stark gelitten. „Die hauptamtliche Entlastung für das Ehrenamt ist wichtig. Denn auch jugendliches Ehrenamt muss man sich erstmal leisten können.“ Der Stadtjugendring stärkt die Jugendverbände, indem er etwa die Zuschussabwicklung erledigt und Aufwandsentschädigungen anfordert. Aktuell befragt der SJR die Verbände, was sonst noch notwendig ist, damit sich wieder mehr Jugendliche beteiligen.
Ehrenamt funktioniert aber auch ohne festgelegte Zeiten und auf Zuruf. So wie bei der Young Caritas, die in Mannheim seit 2015 besteht. Tagesaktionen finden nach Bedarf statt, zum Beispiel ein Spielenachmittag im Seniorenheim, ein Fußballturnier in einer Flüchtlingsunterkunft oder das Projekt „Warm durch die Nacht“ für Wohnungslose, bei dem die Jugendlichen im Winter Suppe und Tee verteilen. Es gibt Kinderkochkurse mit Kindern aus benachteiligten Familien auf der Schönau und der Rheinau, junge Männer besuchen Senioren in einer der Caritas-Pflegeeinrichtungen, um Playstation oder Karten zu spielen.
In einer Messenger-Gruppe werden die Aktionen eine Woche vorher bekannt gegeben. Sie werden außerdem über Instagram und Facebook, aber vor allem über Mund-zu-Mund-Propaganda verbreitet. „Die Jugendlichen sagen selbst, auf was sie Lust haben, wie viel und wann sie Zeit haben und können einfach dazukommen“, erklärt Stefanie Paul, Leiterin der Abteilung Arbeit, Migration und Soziales der Caritas. Rund 200 Jugendliche pro Jahr sind dabei.
Als Hürde für Jugendliche, ein Ehrenamt auszuüben, benennt Paul den Zeitmangel durch Schule und Lernen, durch Hobbys wie Sport und Musik und durch die Einschränkungen während der Corona-Pandemie. In den vergangenen zwei Jahren hätten viele Jugendliche Lust gehabt zu helfen, aber nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten vorgefunden.
Verbände nutzen soziale Medien
„Viele Jugendliche haben Impftermine für Senioren gemacht, die das technisch nicht hinbekommen haben. Sie haben für sie eingekauft und sie begleitet. Sie sind mit dem Hund Gassi gegangen und haben Kindern kostenlos Nachhilfe gegeben, die beim Homeschooling Schwierigkeiten hatten. Das war ein großes Zusammenrücken“, ist Paul voll des Lobes und berichtet von einem Balkonbingo in einer der Wohnbebauungen der Mannheimer Wohnungsbaugesellschaft GBG: Die Bewohner hatten morgens einen Bingozettel im Briefkasten gefunden, und am Nachmittag standen die Jugendlichen mit dem Megafon vor dem Haus und haben mit den Bewohnern gespielt.
„Es liegt an uns, die Rahmenbedingungen für die Jugendlichen zu schaffen, die sich im Ehrenamt engagieren möchten. Die oft heraufbeschworene Verrohung der Jugendlichen bemerken wir gar nicht. Dem müssen wir nachdrücklich widersprechen.“
Ein Mangel an Zeit, Orientierung und Jugendleitern: Die Hindernisse für die willigen Nichtengagierten sind vielfältig. Die Zeit, in der aufgrund der Kontaktbeschränkungen während der Pandemie keine neuen Jugendleiter ausgebildet werden konnten, ist vorbei. Verbände nutzen vermehrt die Kanäle der sozialen Medien, um auf sich aufmerksam zu machen. Die Möglichkeiten für Jugendliche, sich zu engagieren und die Gesellschaft mitzugestalten, wachsen wieder. In Mannheim schlummert ein großes Potenzial. Und dieses gilt es nun zu nutzen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Vereine müssen Sehnsucht nach dem Ehrenamt wecken