Mannheim. Die Sonne knallt auf den Zeltplatz auf einem Feld in der Nähe von Friedrichsfeld, doch die Kinder und Jugendlichen, die in dieser Woche das Sommerlager Mannheim besuchen, bleiben davon unbeeindruckt. Voller Energie stürzen sie sich von Abenteuer zu Abenteuer und bleiben bei jedem Spiel hochmotiviert. Die Musik, die über den Platz schallt, bringt die Zwölf- bis 16-Jährigen immer wieder zum Tanzen und Singen. Sei es beim Aufbau des Lagers, dem Schauspiel im Veranstaltungszelt, den Andachten am Abend oder beim Ausflug mit Schwimmweste im Neckar: Alles wird gemeinsam durchgestanden und als Gemeinschaft gemeistert. Und das Wichtigste dabei: „Alle sind gleich“, erklärt der Leiter des Lagers, Daniel Ehmer.
Das Sommerlager ist das größte aller Anbieter in Mannheim und wird vom Dietrich-Bonhoeffer-Verein für christliche Pädagogik Mannheim organisiert. Das Ziel des Vereins ist klar: Das Lager soll ein Ort sein, an dem Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten zusammenkommen und Spaß haben. Ein Ort, an dem es keine Diskriminierung jeglicher Art gibt und an dem die Kinder und Jugendlichen etwas fürs Leben lernen.
Extrem schwere Bedingungen
Stadt- und Landesjugendring wollen an dem Beispiel des Sommerlagers zeigen, wie wichtig die Arbeit der Ehrenamtlichen in ganz Baden-Württemberg ist. Ehmer und Manfred Shita, Jugendbildungsreferent vom Stadtjugendring Mannheim, der das Lager unterstützt, zeigen Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz, der in seiner Funktion als Präsident des Städtetags Baden-Württemberg vor Ort ist, wie das Ehrenamt wegen der Pandemie gelitten hat und erklären, was geschehen muss, um dieses wieder attraktiver zu machen.
„Das Lager findet unter extrem schweren Bedingungen statt“, erklärt Shita. Während der Pandemie haben viele Menschen ihr Ehrenamt aufgegeben. In diesem Jahr sind mehr als 300 Kinder und Jugendliche auf dem Platz. Darauf kommen etwas mehr als 150 Teamleiter und -leiterinnen. Früher waren es mehr als 200. Mindestens eine verantwortliche Person für elf Kinder ist vorgeschrieben. „Bei uns ist das Verhältnis etwa eins zu vier“, erklärt Ehmer. Die Kräfte für Technik, Küche und Theater werden dabei nicht mitgezählt. Diesen Überschuss an Teamleiterinnen und -leitern kann er gut begründen. Denn nur so könne wirklich auf die Bedürfnisse eines jeden Teilnehmers eingegangen werden. „Viele Kinder erzählen von psychischen Problemen“, sagt er.
Depressionen, Einsamkeit, Sucht: All dies sei wegen der Pandemie keine Seltenheit mehr. „Im Lager bekommen sie die Möglichkeit, einfach mal wieder Kind zu sein“, sagt Ehmer. Doch auch Personen zu haben, denen sie sich anvertrauen können, ist wichtig. Ehmer kümmert sich nicht nur im Camp um die Kinder, sondern auch danach. „Wir hatten schon Fälle, da sind die Kinder nach dem Camp direkt zum Jugendamt gekommen“, berichtet er.
Hohe Anforderung an Betreuer
Fälle, bei denen Kinder in ihren Familien geschlagen oder sogar vergewaltigt wurden, werden oft erst im Lager aufgedeckt – wenn die Betroffenen jemanden haben, dem sie vertrauen können und der ihnen zuhört und hilft. Auch bei Fällen von Mobbing kümmert sich der Dietrich-Bonhoeffer-Verein um die Nachsorge der Kinder. So sucht man beispielsweise Jugendgruppen, um die Jugendlichen in Mannheim zu integrieren.
Um dies zu ermöglichen, braucht es jedoch ausgebildete Teamleiterinnen und -leiter, die diese Geschichten auch selbst – vom psychologischen Standpunkt aus gesehen – aushalten. Diese Ausbildung ist in den vergangenen zwei Jahren ausgefallen.
Zudem eignen sich nicht alle Menschen dazu, als Verantwortungsperson aufzutreten. Beim Sommerlager sind das Vorlegen eines Führungszeugnisses und ein Hintergrund-Screening vorgeschrieben. Deshalb sei es bisher auch noch nicht zu Zwischenfällen gekommen, betont Ehmer.
Damit auch in Zukunft alle, die wollen, beim Lager dabei sein können, müsse das Ehrenamt wieder attraktiver gemacht werden. Shita appelliert an Kurz, dass die Strukturen des Ehrenamts überarbeitet werden müssen. Die Arbeit in den Ferienlagern müsse besser bezahlt werden, und auch die Vereinbarkeit mit dem Beruf solle verbessert werden, verlangt Shita. Der Sonderurlaub für ehrenamtliche Arbeit müsse ebenfalls bezahlt werden.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-mannheimer-stadtjugendring-fordert-attraktiveres-ehrenamt-_arid,1981353.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html