Sicherheitsausschuss

Diskussion um Rassismus bei der Mannheimer Polizei: Nur Einzelfälle oder strukturelles Problem?

Ein erster Einblick in die bisherigen Kontrollen in der Waffenverbotszone in Mannheim - und die große Frage: Fühlen sich in Mannheim wirklich alle sicher und von der Polizei richtig behandelt?

Von 
Lisa Uhlmann
Lesedauer: 
Bei einer Verkehrskontrolle in Mannheim diskriminiert? Laut Migrationsbeirat entstehen durch solche Vorfälle Ängste und Sorgen in der migrantischen Community. Stadträte und Verwaltung haben nun entschieden, dem auf den Grund zu gehen. © dpa

Ein erster Einblick in die Kontrollen in der Waffenverbotszone - und die große Frage: Fühlen sich in Mannheim wirklich alle sicher und von der Polizei richtig behandelt? Im vergangenen Sicherheitsausschuss ist vor allem über diese Frage eine Diskussion entbrannt. Anlass ist, wie Sitzungsleiter und Sicherheitsdezernent Volker Proffen (CDU) erklärt, eine Verkehrskontrolle der Polizei im vergangenen Oktober.

Der Betroffene hatte sich mehr als ungerecht behandelt gefühlt, eine Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht, Anzeige erstattet - und sich beim Migrationsbeirat gemeldet. Der wiederum will diesen Vorfall zum Anlass nehmen, im Ausschuss offen Rassismus und Diskriminierung von Menschen mit Migrationsgeschichte bei Polizeikontrollen anzusprechen.

Der Mannheimer Morgen auf WhatsApp



Auf unserem WhatsApp-Kanal informieren wir über die wichtigsten Nachrichten des Tages, empfehlen besonders bemerkenswerte Artikel aus Mannheim und der Region und geben coole Tipps rund um die Quadratestadt

Jetzt unter dem Link abonnieren, um nichts mehr zu verpassen

Gleich zu Beginn erklärt deshalb Migrationsvorsitzende Zahra Alibabanezhad Salem: „Wir wollen keine Einzelfallbesprechung machen, sondern das als Fallbeispiel nutzen, um sichtbar zu machen, was in der unserer Stadt passieren kann - und eben auch passiert.“ Im Rat wisse man von vielen Betroffenen, die aus Angst schwiegen. Sie würden die Sorgen und Ängste, die durch solche Vorfälle entstehen, innerhalb der Community weitertragen - und so einen großen Vertrauensverlust bei der Polizei auslösen.

Verwaltung und Polizei auf Problematik aufmerksam machen

Das Anliegen des Beirats: Verwaltung und Polizei auf diese Problematik aufmerksam zu machen und zu erreichen, dass solche Ängste gehört und ernst genommen werden. „Diese Person lebt in Mannheim. Wir sind verantwortlich dafür, dass sie sich hier sicher fühlt. Aber das tut sie eben nicht - und viele andere auch nicht.“ Zwar wolle man solche Anliegen auf keinen Fall unter den Tisch kehren. Allerdings gehe es hier um ein laufendes Verfahren, so Sitzungsleiter Proffen.

Er habe keine Zweifel an der Aufklärung der zuständigen Dienststellen. Auch Vizepolizeipräsidentin Ulrike Schäfer ist anwesend und erklärt: Beim Polizeipräsidium Mannheim arbeiteten selbst viele Beamte mit Migrationshintergrund. „Ich weise aber eine permanente Unterstellung von Racial Profiling zurück. Mich befremdet, dass hier ein Einzelfall für alle Einsätze pauschalisiert wird. Das haben meine Kollegen nicht verdient. “

Es macht mich betroffen, wenn von allen Seiten auf das Problem hingewiesen wird, hier aber wie eine kaputte Schallplatte erklärt wird: Sowas gibt es nicht bei uns. Solche Redebeiträge sollten wir ernst nehmen, statt zu sagen: ,wir machen hier keine Fehler'
Bernhard Boll Stadtrat (SPD)

Daraufhin melden sich die Stadträte zu Wort: So fragt sich Marianne Seitz (CDU), „ob es wirklich so schlimm war“, und will sich mit der Person selbst treffen. Fraktionsvorsitzender Holger Schmid (Freie Wähler/Mannheimer Liste) erklärt sein vollstes Vertrauen in die Aufklärung der Polizei und will das Verfahren abwarten. Schmid zeigt sich ähnlich wie Jörg Finkler (AfD) irritiert darüber, dass dieses Thema im Gemeinderat behandelt wird.

Finkler geht noch einen Schritt weiter. Er fordert zum einen die Verwaltung auf, künftig solche Dinge nicht mehr im Ausschuss zu besprechen. Zum anderen wirft er dem Migrationsbeirat vor, oft Vorwürfe nur in eine Richtung zu erheben. Für Finkler gehören solche Verkehrskontrollen zum Alltag, es komme darauf an, wie man sich dabei verhalte. Kritik an der Vizepräsidentin kommt von Stadtrat Bernhard Boll (SPD), der sich ebenfalls irritiert zeigt - aber darüber, dass sich Schäfer direkt gegen mögliche diskriminierende Kontrollen verwahrt.

Ist das Vorgehen der Mannheimer Polizei immer gleich?

Boll will wissen: Ist das Vorgehen für jeden gleich? Laut Schäfer spielten bei Verkehrskontrollen nur Sacherwägungen eine Rolle, nicht die Person selbst. Täglich gebe es 800 Einsätze. Bei polizeilichem Fehlverhalten gebe es Konsequenzen. Angesprochen auf den vorgeworfenen rassistischen SEK-Einsatz in Käfertal erklärt die Vizepräsidentin: Die geprüften Anzeigen hätten kein Fehlverhalten festgestellt. Boll verweist auch auf die jüngste Gedenkfeier für die Opfer von Hanau auf dem Mannheimer Marktplatz. „Es macht mich betroffen, wenn von allen Seiten auf das Problem hingewiesen wird, hier aber wie eine kaputte Schallplatte erklärt wird: Sowas gibt es nicht bei uns. Solche Redebeiträge sollten wir ernst nehmen, statt zu sagen: ,wir machen hier keine Fehler’“, so Boll.

Grünen-Stadt Chris Rihm schlägt vor, „das Thema gesondert, weg vom Einzelfall und ohne Emotionen im Ausschuss betrachten“. Dieser Vorschlag erntet Zustimmung von allen, inklusive Verwaltung. Andreas Parmentier (Li.PAR.Tie) findet, dass man die „Vorgehensweise der Polizei diskutieren muss. Denn das sind keine Einzelfälle mehr, wie jüngst die tödlichen Polizeischüsse auf der Schönau zeigen“. Auf die Beiträge der Stadträte antwortet Migrationsbeiratsvorsitzende Alibabanezhad Salem, dass man bereits mit der Werte-AG der Polizei im Gespräch sei. Allerdings „schützt das Migrantisch-Sein nicht davor, rassistisch zu sein. Jeder kann Vorurteile haben.“

Mehr zum Thema

Rassismuskritik

Rassismuskritik in Mannheim: Wie die neue "weact"-Beratung funktioniert

Veröffentlicht
Von
Lea Seethaler
Mehr erfahren
Rassistischer Anschlag

300 Menschen gedenken in Mannheim der Opfer von Hanau

Veröffentlicht
Von
Stefanie Ball
Mehr erfahren
Mannheim

Demo gegen rechts in Mannheim: Was Menschen zur Kundgebung bewogen hat

Veröffentlicht
Mehr erfahren

Volker Proffen (CDU) zieht am Ende das Fazit: Man habe sich bewusst entschieden, das Thema hier zu behandeln, da sich eine Gruppe ungleich behandelt fühle. „Der Austausch darüber ist sehr wichtig, aber der Ausschuss ist nicht das richtige Gremium.“ Vielmehr will die Verwaltung ein gesondertes Treffen im Polizeipräsidium mit den Ausschussmitgliedern samt Migrationsbeirat organisieren.

Einen ersten Einblick gibt Proffen auch in die Kontrollen der Waffenverbotszone, die laut einer kurzen, nicht repräsentativen Umfrage von 180 Menschen zeigt: Die Zone ist bekannt und kommt gut an. Über ein Drittel der Befragten fühlt sich sicherer, 13 Prozent unsicherer, 40 Prozent spüren keine Veränderung. Seit der Einführung vor zehn Wochen hat es 450 Kontrollen geben, es wurden 28 Waffen, darunter Messer, Teleskopstangen und Schreckschusswaffen, eingezogen. Offen bleibt, ob dieser Zwischenstand ein Erfolg ist. Alle sind sich einig, die Zone samt ihrer Wirkung und ihren Folgen in der Sicherheitsbefragung zum Schwerpunkt zu machen.

Redaktion Seit 2018 als Polizeireporterin für Mannheim in der Lokalredaktion.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke