Die beiden Mannheimer Direktmandate gehen an die Grünen-Kandidatinnen / Enttäuschung herrscht dagegen bei AfD und CDU / Reaktionen vom Wahlabend

Die strahlenden Siegerinnen in Mannheim - und die Verlierer

Von 
Timo Schmidhuber und Daniel Kraft
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Mannheim. Schon um kurz nach 19 Uhr bekommt Elke Zimmer bei der virtuellen Wahl-Pressekonferenz der Stadt von ihren Kontrahenten Florian Kußmann (FDP) und Christine Fuchs (Freie Wähler) die ersten Glückwünsche zum Direktmandat im Süden. Der Auftakt zu einem Abend, an dessen Ende zwei strahlende Grünen-Siegerinen stehen. Denn neben Zimmer gewinnt auch Nord-Kandidatin Susanne Aschhoff ihren Wahlkreis.

„Ich freue mich total über das Ergebnis“, sagt Zimmer, die auf knapp 36 Prozent kommt. „Ich freue mich über die Unterstützung meiner Partei, aber auch aus breiten Kreisen der Stadtgesellschaft.“ Das sei eine Bestätigung ihrer Arbeit und der von Ministerpräsident Winfried Kretschmann. In den Sondierungsgesprächen mit möglichen Koalitionspartnern gehe es darum, die Grünen-Kernanliegen durchzusetzen. Neben Klimaschutz seien das aus ihrer Sicht die Themen sozialer Zusammenhalt und Bildungsgerechtigkeit.

„Doch keine AfD-Hochburg“

Auch Aschhoff ist glücklich. „Ich freue mich wahnsinnig, auch darüber, dass die AfD abgeschlagen ist“, sagt die Schönauerin am Abend am Telefon. Mit knapp 28 Prozent liegt sie deutlich vor SPD-Vertreter Fulst-Blei und noch deutlicher vor AfD-Mann Robert Schmidt, dessen Partei vor fünf Jahren noch überraschend das Direktmandat geholt hat. „Der Mannheimer Norden ist eben doch keine AfD-Hochburg, das habe ich schon immer gesagt.“ Sie hätte nicht gedacht, dass sie das Direktmandat so deutlich hole, sagt Aschhoff.

Die Mannheimer Abgeordneten

  • Es werden wohl vier Abgeordnete sein, die Mannheim im Stuttgarter Landtag vertreten werden.
  • Direkt gewählt sind die beiden Grünen-Politikerinnen Susanne Aschhoff und Elke Zimmer. Susanne Aschhoff ist 49 Jahre alt und von Beruf Tierärztin. Sie wohnt auf der Schönau, wo sie auch ihre Praxis hat. Dort sitzt sie auch seit 2009 für ihre Partei im Bezirksbeirat. Elke Zimmer gehört dem Stuttgarter Landtag seit Dezember 2016 an, als die Grüne für ihren verstorbenen Parteifreund Wolfgang Raufelder nachrückte. Die 54-jährige Diplom-Handelslehrerin ist verheiratet, hat drei Kinder und lebt seit 1990 in Neckarau.
  • Mit großer Wahrscheinlichkeit werden über das Zweitmandat auch Stefan Fulst-Blei und Boris Weirauch (beide SPD) in den Landtag einziehen. Fulst-Blei sitzt seit der Wahl vor fünf Jahren im Landtag. Der 52-jährige frühere Berufsschullehrer ist verheiratet, hat zwei erwachsene Kinder und wohnt in Feudenheim. Boris Weirauch ist vor fünf Jahren wie Fulst-Blei über das Zweitmandat in den Landtag gekommen. Weirauch ist 44 Jahre alt und von Beruf Rechtsanwalt. Er ist verheiratet und hat vier Kinder. (imo/sma)

SPD-Vertreter Stefan Fulst-Blei, der Zweitplatzierte im Norden, will bei der Online-Pressekonferenz trotz der Niederlage im Kampf um das Direktmandat Zufriedenheit ausstrahlen. Sein persönliches Wahlziel, dass er seit fünf Jahren verfolge, habe er erreicht, sagt er. „Die AfD liegt in keinem Stadtbezirk vorne.“ Als ihn der „MM“ später in einem Video-Gespräch auf das verpassten Wahlkreis-Sieg anspricht, gibt er aber zu: Natürlich sei es das Ziel gewesen, das Direktmandat zu holen. „Aber die Kretschmann-Welle war zu stark.“ Durch die hohe Stimmenzahl von ihm und Süd-Kandidat Boris Weirauch werden beide auch im nächsten Landtag vertreten sein. Sie hoffen auf eine Koalition mit den Grünen.

Es gibt aber naturgemäß auch Verlierer an diesem Wahlabend. Ganz vorne dabei: die AfD. „Unser Ziel, aus Mannheim einen Abgeordneten nach Stuttgart zu schicken, haben wir leider verfehlt“, teilt der Kreisvorsitzende Robert Schmidt mit. Er landet im Norden nur auf dem vierten Platz. Seine Partei habe „mit dem geballten Hass der vereinigten Front von CDU bis Linkspartei“ zu kämpfen gehabt, so Schmidt. „Es war die systematische Zusammenarbeit aller Parteien notwendig, um uns das Mandat abzuringen.“ Besonders die systematische Zerstörung und Fälschung von AfD-Plakaten habe einen regulären Wahlkampf fast unmöglich gemacht.

„Leute fassungslos“

Die Enttäuschung ist auch den beiden CDU-Kandidaten Lennart Christ und Alfried Wieczorek am Telefon deutlich anzuhören. „Ich hatte ja erwartet, dass das schlecht ausgeht, nach den Ereignissen, die wir hatten“, sagt Wieczorek. Der Skandal mit dem zurückgetretenen Bundestagsabgeordneten Nikolas Löbel „hat die Leute fassungslos gemacht, das überschattet alles“. Das zeige sich auch daran, dass die CDU-Kandidaten bei der Briefwahl deutlich besser abgeschnitten hätten als im Lokal. Darauf weist auch Lennart Christ hin, der „alles andere als zufrieden“ ist. „Jetzt geht es darum, durch Transparenz und Offenheit zu zeigen, dass Maskendeals in der CDU keinen Platz haben.“

FDP-Kandidat Florian Kußmann freut sich, „dass wir für die FDP landesweit so ein tolles Ergebnis bekommen haben“. Linken-Vertreterin Isabell Fuhrmann ist enttäuscht, weil es ihre Partei nicht in den Landtag geschafft hat. Aber zuversichtlich. „Das Ergebnis in Mannheim ist gut und zeigt, dass es die Linke braucht.“

Wie die Manheimer in den 117 Urnenwahlbezirken abgestimmt haben, zeigt die folgende Karte. In den Wahlbezirks-Ergebnissen sind keine Briefwahlstimmen enthalten. Bei der Landtagswahl haben mehr als die Hälfte der Wähler (53,9 Prozent) von der Möglichkeit der Briefwahl Gebrauch gemacht. Die Aussagekraft der Ergebnisse auf der Ebene der Wahlbezirke ist daher eingeschränkt. Briefwahlstimmen lassen sich erst auf der Ebene der Stadtbezirke eindeutig zuordnen. Neben den 117 Urnenwahlbezirken gibt es bei der Landtagswahl 63 Briefwahlbezirke.

Stefan Fulst-Blei (l.) und Boris Weirauch bei einem Online-Wahlkampftermin mit Olaf Scholz. Auch die beiden SPD-Vertreter werden im Landtag sein. © Timo Schmidhuber

Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim

Redaktion stellvertretende Nachrichtenleitung digital

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