Mannheim. Kaum noch Maßnahmen, dafür mehr Aktivitäten im Freien: Wie bereits im vergangenen Sommer scheint die Angst vor dem Coronavirus geringer zu sein und die Lage entspannter. Gleichzeitig steigen die Inzidenzen wieder stärker an, und bei den bislang kostenlosen Bürgertests wird ab Freitag ein Eigenanteil von drei Euro fällig, von dem nur wenige Personengruppen ausgenommen sind. Wie gehen die Menschen derzeit mit dem Virus um? Schützen Sie sich noch? Wir haben uns in der Innenstadt umgehört.
Lydia und Lukas sehen die Lage aktuell entspannter. „Im Supermarkt trage ich manchmal Maske“, räumt der 22-Jährige ein. „Eigentlich habe ich keine Angst, aber es ist ein sozialer Aspekt.“ Der Medizinstudent macht sich generell weniger Sorgen um seine eigene Gesundheit, sondern möchte auf keinen Fall andere anstecken. „Ich bin geimpft und habe mich trotzdem zwei Mal mit Corona bei der Familie angesteckt.“ Wenn er Symptome hat, lässt er sich auch testen. Als angehender Arzt ist es für ihn selbstverständlich, bei der Arbeit eine Maske zu tragen, dafür verzichtet er in der Freizeit gerne darauf, wenn das Risiko gering ist.
Neue Regeln für Bürgertests
- Ab diesem Freitag sind Bürgertests nur noch für bestimmte Personengruppen kostenlos. Dazu zählen unter anderem Kinder bis zum fünften Geburtstag, Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können (wie Schwangere in den ersten drei Monaten), Patienten und Besucher von Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen, pflegende Angehörige, Mitbewohner von Infizierten sowie diejenigen, die einen Test zur Beendigung ihrer Quarantäne brauchen.
- Die Betreffenden müssen entweder einen Nachweis vorlegen oder glaubhaft machen, dass sie die Voraussetzungen erfüllen.
- Mit drei Euro Eigenbeteiligung stehen die Bürgertests auch weiter Menschen offen, die etwa zu einer Innenraum-Veranstaltung wollen oder deren Corona-Warn-App eine rote Kachel zeigt.
- Auf wen all das nicht zutrifft, der muss seinen Test – theoretisch jedenfalls – selbst bezahlen. Näheres unter bundesgesundheitsministerium.de.
Lydia sieht es ähnlich. An den Masken stört sie sich nicht, die gehören für sie zum Alltag. Angst vor einer Infektion hat sie weniger, eher vor den Konsequenzen für ihr Studium. Die Ludwigshafenerin achtet vor allem vor Klausuren darauf, gesund zu bleiben. „Da hat man keine Lust, sich anzustecken“, sagt die 19-jährige Studentin. Sie hat ihr Studium begonnen, als die meisten Kurse online stattgefunden haben und wünscht sich, dass die Vorlesungen künftig wieder komplett in Präsenz gemacht werden. „Viele Kommilitonen sind gar nicht erst hergezogen“, bedauert sie. Man kenne sich gar nicht so gut untereinander. Die Freunde sind zudem der Meinung, dass die Menschen mehr Eigenverantwortung für ihr Tun tragen sollten und sie die Chance hatten, selbst Maßnahmen zu ergreifen.
Sorge wegen Dunkelziffer
Marcel Schädler aus Hemsbach trägt weiterhin Maske. „Beim Einkaufen und in geschlossenen Räumen“, sagt der 32-Jährige. „Für mich ist das vertretbar und bedeutet keine Einschränkung.“ Der Umweltanalyst lässt sich zudem testen, wenn er Symptome hat. Das Ende der kostenlosen Bürgertests heißt er daher nicht gut. „Ich hielt es auch vergangenes Mal, als sie die kostenlosen Tests abgeschafft haben, für einen Fehler.“ So würde die Dunkelziffer steigen, weil die Bürger sich weniger testen ließen. Angst vor einer neuen Welle im Herbst hat er weniger aus gesundheitlichen Gründen. „Ich bin relativ fit und gehöre keiner Risikogruppe an.“ Allerdings hat er kleine Kinder, bei denen er kein gesundheitliches Risiko eingehen will. „Und ich mache mir Sorgen um die Kinderbetreuung, denn mein Sohn geht in den Kindergarten.“ Schädler befürchtet zudem Konsequenzen auf den Arbeitsmarkt, wenn Plätze unterbesetzt sind.
Michael und Irena halten Abstand, treffen sich mit Freunden vor allem im Freien und tragen Maske in kleinen Läden sowie in vollen Supermärkten. Das Ehepaar aus Mannheim hat bereits eine schwere Corona-Infektion hinter sich und möchte sich vor einer weiteren Ansteckung schützen. „Wir haben uns im Lockdown angesteckt“, sagt die Mannheimerin. Veranstaltungen in geschlossenen Räumen meiden sie derzeit noch. „Wir sind sehr vorsichtig.“
Eine Mannheimerin, die ihren Namen nennen will, lässt die Maske weg. „Sicher fühle ich mich nicht mit Maske, ich habe mich damals trotzdem mit Corona angesteckt.“ Sie versucht daher vor allem, Abstand zu halten. Die Maßnahmen des Staats akzeptiert sie. Auch ihr Begleiter hält Abstand zu anderen. Er setzt eine Maske auf, wenn er mit Menschen zusammen ist, die Erkältungssymptome haben. „Dann bin ich vorsichtig.“ Angst hat er vor allem vor neuen Varianten, die im Herbst aufkommen könnten.
Abdoulay aus Mannheim trägt lediglich in der Straßenbahn Maske. Die öffentlichen Verkehrsmittel nutze er aber eher selten, sagt er. Abstand gehöre für ihn ebenfalls dazu. „Ich habe Corona schon gehabt, obwohl ich zwei Mal geimpft bin. „Das war richtig schlimm, und die ganze Familie war krank.“ Angst vor einer Herbstwelle hat er weniger, eher vor den Maßnahmen und einem erneuten Lockdown.
Vor allem Ältere noch vorsichtig
Ümit und Marina Akbas haben sich impfen lassen, haben das Vakzin aber nicht gut vertragen. „Seitdem sind wir ständig krank“, klagt die Mannheimerin. Corona haben sie trotzdem bekommen, glücklicherweise mit einem milden Verlauf. „Wir würden uns nie mehr impfen lassen“, sagt er.
Emma Müller sieht das Ganze entspannt. Masken trägt die Frankenthalerin, die im Einzelhandel arbeitet, wenn viele Leute im Laden sind, und beim Arzt. Vor einer Corona-Welle im Herbst hat sie keine Angst. „Die Angst macht es nicht leichter“, sagt sie. Isabella Schroth ist ebenfalls im Verkauf tätig. Die Filialleiterin des Strike Vintage Store hat festgestellt, dass vor allem ältere Kunden noch eine Maske tragen, wenn sie das Geschäft betreten. „Am Anfang haben noch viele Leute eine Maske getragen.“ Das habe sich jetzt geändert. „Sie freuen sich, dass sie keine Maske mehr tragen müssen.“ Jetzt trauen sich auch generell wieder mehr Kunden in das Geschäft, denn viele seien am Anfang noch vorsichtiger gewesen. Angst vor einer Welle im Herbst hat sie, vor allem, was die Arbeit betrifft. „Für den Einzelhandel war das nicht gut.“
Sie hofft, dass es nicht mehr so schlimm wie in den Vorjahren wird. Man könne allerdings nur abwarten. Schroth selbst trägt keine Maske mehr im Laden, außer, es sind viele Leute im Geschäft. Die Händlerin ist froh, denn nach acht Stunden mit Mund-Nasen-Schutz bekomme sie Kopfschmerzen. Sie freut sich zudem, wenn sie das Lächeln im Gesicht anderer Menschen sieht. „Das habe ich sehr vermisst.“
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