Finanzen

Die Angst vor der „Zwangsaufsicht“ - das sagen die Fraktionen zu den Sparplänen

Keiner war glücklich. Trotzdem hat der Mannheimer Gemeinderat den Sparplänen der Verwaltung zugestimmt. So argumentieren die Fraktionen.

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Timo Schmidhuber
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Im Mannheimer Gemeinderat ist man sich einig: Wenn die Stadt unter die Finanzaufsicht des Regierungspräsidiums kommt, gibt es kaum Gestaltungsmöglichkeiten mehr. © Steffen Mack

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Mannheimer Gemeinderat hat die geplante Sparliste der Stadtverwaltung beschlossen - allerdings mit ein paar Änderungen.
  • Die Fraktionen halten das für schmerzhaft. Aber für unumgänglich, weil Mannheim sonst unter die Finanzaufsicht des Regierungspräsidiums käme.
  • Die Sparvorgaben sind nur ein erster Schritt. Weitere werden folgen.

Mannheim. Wenn schmerzhafte Entscheidungen zu treffen sind, dann ist es extrem hilfreich, wenn die Beteiligten weitgehend einer Meinung sind. Das war in der jüngsten Sitzung des Mannheimer Gemeinderats der Fall, wo es um das erste Sparpaket der Verwaltung ging. Die geplanten Maßnahmen seien hart, wegen der schwierigen Finanzlage und den Sparauflagen des Karlsruher Regierungspräsidiums (RP) aber leider unumgänglich. So oder so ähnlich war es in vielen Redebeiträgen der Fraktionen zu hören. Schließlich könne niemand wollen, dass Mannheim unter die Finanzaufsicht des RP komme. Denn das werde dann alle freiwilligen Leistungen der Kommune einfach streichen, Politik und Verwaltung hätten dann keinen Gestaltungsspielraum mehr.

Sparpaket in Mannheim: Mehrheit nach einstündiger Debatte

Oder wie es Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) vor der Sitzung im Gespräch mit Journalisten mit bangem Gesichtsausdruck formulierte: „Bleibt es noch bei der kommunalen Selbstverwaltung oder wird die Kommune nur zur Zahlstelle für gesetzliche Ansprüche.“

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Am Ende, nach gut einstündiger Debatte, bekam Teil eins des Sparpakets jedenfalls die vom Oberbürgermeister erhoffte, aus seiner Sicht aber keineswegs gewisse „breite Mehrheit“. CDU, SPD, Grüne, FDP und Mannheimer Liste stimmten dafür. Das lag auch daran, dass die Verwaltung ihre Liste zur Sitzung nochmal angepasst hatte. Und dabei auf die Wünsche der Fraktionen aus den nicht-öffentlichen Beratungen eingegangen war.

Auf welche Änderungen der Mannheimer Gemeinderat gepocht hat

Heißt konkret: Die Stadtteilbibliothek Friedrichsfeld bleibt erhalten, der Jugendtreff Feudenheim erstmal auch, gemeinsam mit Vereinen und Kirchen soll hier eine finanzierbare Perspektive für die Jugendarbeit in dem Stadtteil erarbeitet werden. Der Kita-Zuschuss von 105 Euro im Monat für Eltern in Mannheim wird zwar gestrichen, allerdings nicht auf einen Schlag, sondern gestaffelt: Ab 1. Januar 2026 wird es nur noch 70 Euro Zuschuss geben, ab 1. September 2026 dann 35 Euro, ab 1. September 2027 fällt er ganz weg. Auch bei der Schulsozialarbeit hat die Verwaltung einen Rückzieher gemacht. Den weiteren Ausbau wollte sie eigentlich auf Eis legen. Jetzt soll es jedes Jahr zumindest eine zusätzliche Stelle geben. Damit lassen sich zwei Schulen mit Sozialarbeit versorgen.

Vor der Gemeinderatssitzung protestieren Bürgerinnen und Bürger gegen die Sparpläne. Das Aus für den Jugendtreff Feudenheim nahm die Verwaltung zurück. © Timo Schmidhuber

Der ganz große Teil des vor zwei Wochen offiziell vorgestellten Sparpakets wird allerdings wie geplant kommen. So werden in den nächsten Jahren kontinuierlich die Gebühren für den Kita-Besuch und die Verpflegung dort erhöht. Auch die Eintritte für Schwimmbäder oder die Gebühren für die Stadtbibliothek steigen, die konkreten Beträge sind noch nicht bekannt. Im Kulturbereich wird die Verwaltung ebenfalls weniger Geld ausgeben. Für Nationaltheater, Reiss-Engelhorn-Museen und Kunsthalle zum Beispiel werden die Betriebskostenzuschüsse gekürzt.

Wie CDU, SPD und Grüne in Mannheim ihre Entscheidung begründen

Er hätte auf diese ganzen Beschlüsse gerne verzichtet, sagte CDU-Fraktionschef Claudius Kranz in der Debatte. „Aber wir sind in einer Situation, die uns zum Handeln zwingt.“ Das Einhalten der Sparauflage des RP sei auch deshalb wichtig, damit Mannheim in den nächsten Jahren Kredite über 200 Millionen Euro aufnehmen könne. Diese Summe sei nötig, um das Klinikum in den geplanten Verbund mit Heidelberg zu entlassen. Das wiederum werde den städtischen Haushalt langfristig entlasten, weil die Stadt die Verluste des Krankenhauses nicht mehr ausgleichen müsse. Dass Mannheim den Kita-Zuschuss künftig nicht mehr zahlen könne, bedauert Kranz genauso wie die Vertreter anderer Fraktionen. „Aber das können wir uns nicht mehr leisten.“ Er appelliert an das von seiner Partei mitregierte Land, wie in Rheinland-Pfalz den kostenfreien Kita-Besuch zu ermöglichen.

Dem schloss sich Reinhold Götz (SPD) an. Auch er bedauert das Aus für den Kita-Zuschuss. „Das wird Familien hart treffen.“ 8000 seien betroffen, die Streichung bringe allein für die städtischen Einrichtungen drei Millionen Euro pro Jahr und weitere vier Millionen bei denen freier Träger. Immerhin habe man mit der stufenweisen Streichung eine „Abfederung“ erreichen können, so Götz. Er verwies auf die 250 Millionen Euro, mit denen Mannheim in den vergangenen Jahren die Verluste des Klinikums decken musste. Das sei ein Grund für die schlechte Haushaltslage. Ein anderer sei die „strukturelle Unterfinanzierung“ der Kommunen durch Bund und Land.

Auch Chris Rihm (Grüne) fordert in Richtung Bund unter anderem „verlässliche Anteile“ an den Steuereinnahmen. Vom viel gepriesenen Sondervermögen für Infrastruktur dürften in Mannheim allenfalls „20 bis 30 Millionen Euro“ ankommen., sagte er. „Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein.“ Bei den Debatten ums Sparen, so Rihm, sei es wichtig, „dass auch die ohne Lobby gehört werden“. Und dass nicht Stadtteile „gegeneinander ausgespielt“ würden, „wie es aktuell leider passiert“. So brauche man zum Beispiel im neuen Stadtteil Franklin dringend einen Ausbau der Jugendarbeit.

Wer gegen die Mannheimer Sparpläne gestimmt oder sich enthalten hat

Die AfD stimmte – wie Einzelstadtrat Julien Ferrat – gegen die Sparpläne der Stadt. Man solle lieber das linke Jugendkulturzentrum JUZ schließen statt den Jugendtreff Feudenheim, sagte AfD-Fraktionschef Jörg Finkler - obwohl die Stadt die Schließung längst zurückgenommen hatte. Auch sieht er noch jede Menge Sparpotenzial bei der Kultur, insbesondere beim Nationaltheater. Kulturförderung ist nach Finklers Ansicht „Steuerverschwendung“.

„Es ist schwierig, nach der AfD zu reden, weil dann immer so viel Redezeit draufgeht, um deren Denkfehler zu korrigieren“, sagte FDP-Fraktionschefin Birgit Reinemund . Und bekam dafür viel Applaus von den anderen Fraktionen. Mannheim habe über seine Verhältnisse gelebt, so Reinemund. „Meine Fraktion hat in der Vergangenheit immer wieder angemahnt, dass ein Gegensteuern nötig ist, dafür aber immer nur ein müdes Lächeln geerntet.“ Ihre Fraktion stimme „schweren Herzens“ für das Sparpaket – „aus Verantwortung für die Handlungsfähigkeit der Stadt“.

Entwicklung der Liquidität und Sparmaßnahmen der Stadtverwaltung. © "MM"-Grafik

Für Jessica Martin (LTK) sind die Sparvorgaben der Verwaltung „größtenteils nachvollziehbar“. Trotzdem enthielt sich ihre Fraktion. Unter anderem wegen der Erhöhung der Kita-Gebühren und der Verpflegungskosten. „Das belastet Familien mit niedrigem und mittlerem Einkommen.“ Auch kritisierte sie die Kürzungen beim städtischen Klimafonds von 5,5 auf drei Millionen Euro. „Das macht es Mannheim unmöglich, die selbstgesteckten Klimaziele zu erreichen.“

Holger Schmid (Mannheimer Liste) sieht es als „gute Nachricht“, dass die Sparpläne von einer breiten Mehrheit im Rat getragen würden. Härten habe man „gemeinsam abgefedert“. Das Sparen vergleicht er mit einer Bergwanderung. „Von 1000 Höhenmetern haben wir die ersten zurückgelegt.“

Warum Sparen wie eine Bergwanderung ist

Die „Bergwanderung“ besteht darin, dass Mannheim nach der Auflage des RP bis 2028 wieder eine Mindestliquidität von rund 30 Millionen Euro erreichen muss. Davon ist die Stadt laut den aktuellen Prognosen allerdings meilenweit entfernt. Der Oberbürgermeister hat die Dezernate deshalb bereits aufgefordert, bis zum Jahresende weitere Vorschläge zu machen, wie sie – neben den anvisierten drei Prozent mit der jetzt beschlossenen Liste – jeweils weitere zwei Prozent jährlich einsparen können.

Darüber hinaus laufen in der Verwaltung Überlegungen, wie zum Beispiel Büroflächen reduziert werden können oder wie sich der städtische Fuhrpark verkleinern lässt. Doch auch wenn das alles umgesetzt wird, fehlen noch rund 375 Millionen Euro, um die Mindestliquidität zu erreichen (siehe Grafik). Es sind also in der Tat noch einige Höhenmeter zu gehen.

Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim

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