Beim Fotografieren am Donnerstagvormittag ist der Ehrenhof fast verwaist. Hin und wieder kreuzen vereinzelt Studenten und Studentinnen gemächlich den Platz. Daran, dass an diesem Tag das Grundgesetz 75 Jahre alt wird, erinnert nichts. Abgesehen von der gewohnt imposanten Schloss-Kulisse wirkt der Hof alles andere als feierlich. Am Samstag soll das anders sein: Anlässlich des Jubiläums wollen Arbeiterwohlfahrt (Awo) und der Verein Mannheim sagt Ja! die Demokratie feiern. Von 14 Uhr an erwartet Interessierte ein Angebot aus Demokratiebildung, Familienfest und Kulturfestival. Fragen und Antworten zum Programm.
Was steckt hinter dem Demokratie- und Kulturfest?
Wie schon bei Kundgebungen in der Vergangenheit - etwa am 27. Januar auf dem Alten Meßplatz - beziehen sich die Veranstalter auf die Enthüllungen rund um das Potsdamer Treffen. Auch hohe Umfragewerte rechter Parteien sowie zunehmender Rechtspopulismus gäben Anlass zur Sorge, sagt Alexander Manz, Geschäftsführer des Kreisverbandes der Awo, am Mittwoch. Der Verband beteiligt sich in mehreren Netzwerken an Demokratie-Projekten. „Für unsere Bedeutung als Wohlfahrtsverband und als wichtiger Akteur der Stadtgesellschaft sind wir aber zu leise gewesen, wenn es darum ging, Zeichen für eine freiheitlich-demokratische Ordnung und für Vielfalt zu setzen.“ Das wolle die Awo ändern, indem sie im Ehrenhof prominent Position bezieht. „Das erwarten unsere Mitglieder mit Recht.“
Mannheim sagt Ja! hat sich an der Organisation vieler Veranstaltungen gegen Rechtsextremismus beteiligt. Inhaltlich wolle man an den Erfolg vom 27. Januar anknüpfen, als etwa 20 000 Menschen demonstriert haben, sagt Gerhard Fontagnier, der dem Vorstand angehört. Geopolitische Konflikte würden den gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Stadt belasten. „Außerdem wird die Demokratie insgesamt angegriffen, wenn man zum Beispiel an Spitzenpersonal der AfD denkt, das vermutlich Kontakte nach China und Russland pflegt“, sagt der Grünen-Stadtrat. „Deshalb müssen wir schauen, dass wir aktiv bleiben.“ Vom Fest soll ein Zeichen für eine bunte Stadt ausgehen, ergänzt Angela Wendt. Die Grünen-Stadträtin engagiert sich auch bei Mannheim sagt Ja!.
Am Samstag findet das Stadtfest statt. Hätte man diese Kollision nicht vermeiden können?
Kaum, antworten Manz und Fontagnier. Zum einen sei man terminlich wenig flexibel, wenn man eine Veranstaltung im Ehrenhof organisiert. Zum anderen wollten sie das Demokratiefest in zeitlicher Nähe zum Tag des Grundgesetzes organisieren.
Was erwartet Interessierte auf dem Ehrenhof?
Das Programm ist geteilt. Um 14 Uhr beginnt das Demokratiefest der Awo, auf dem sich Interessierte über Teilhabe, Vielfalt oder entsprechende Verbände informieren können. Es soll Essens- und Getränkestände sowie Unterhaltungsangebote geben. „Wir organisieren ein Familienfest werden, bei dem sich alle einbringen können“, sagt Manz. In einer Fotobox können sich Besucher mit Schildern fotografieren lassen, die Gründe zeigen, wählen zu gehen. Die Organisatoren verteilen kostenlose Grundgesetze, die auch in Türkisch, Russisch und Arabisch übersetzt sind. Zudem gibt es Reden, darunter ein Grußwort von Alt-Oberbürgermeisters Peter Kurz (SPD).
Dem Fest folgt ab 18 Uhr die Kulturkundgebung von Mannheim sagt Ja!. Unter anderem soll es dort Ausschnitte aus dem Joy-Fleming-Musical zu sehen geben. Auch Soffie singt. Die Wahl-Mannheimerin war bereits am 27. Januar aufgetreten. Ihr Hit „Für immer Frühling“ wurde zuletzt millionenfach geklickt und entwickelte sich so zu einem Soundtrack der Bewegung. „Künstlerinnen und Künstler sollen Gelegenheit haben, sich mit Kunst oder Worten zu positionieren“, sagt Fontagnier.
Auf Nachfrage versichert er, dass die Lautsprecher-Anlage funktioniere. „Wir lernen dazu und sind froh, dass wir technisch deutlich besser ausgestattet sind.“ Die Kundgebung am 27. Januar war von großen Tonproblemen überlagert gewesen.
Wird Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) sprechen?
Nein. Laut Fontagnier haben die Organisatoren den Oberbürgermeister zwar angefragt. Der aber hat abgelehnt. Aufgrund der „erhöhten Neutralitätserfordernisse zwei Wochen vor der Wahl“, wie Stadtsprecherin Monika Enzenbach dieser Redaktion erklärt. „Außerhalb der Neutralitätszeit wäre dies kein Problem“, sagt sie und verweist auf Spechts Rede bei der Kundgebung am 27. Januar auf dem Alten Meßplatz.
Wie parteipolitisch wird die Veranstaltung?
Ausrichtung und Ziel sind klar: Position gegen Rechtsextremismus und Ausgrenzung beziehen. So gesehen ist das Fest politisch. Dennoch werfen die Wahlen ihre Schatten voraus: Weil nicht alle „demokratischen Parteien“, von denen die Organisatoren sprechen, wenn sie Parteien außer der AfD meinen, einen Stand angefragt haben, soll es gar keine dieser Art geben. Laut Fontagnier haben Politikerinnen und Politiker mehrerer Parteien dennoch ihr Kommen angekündigt. „Wir wollen überparteilich feiern und eine Einseitigkeit so kurz vor der Wahl vermeiden.“ Darauf angesprochen, erklärt Enzenbach, die Veranstaltung sei dennoch geeignet, eine parteipolitische Dimension zu erreichen, weil etwa Wahlempfehlungen und Ähnliches ausgesprochen werden können.
Mit wie vielen Menschen rechnen die Organisatoren?
Sie hoffen auf „mehrere tausend Menschen“, die über den Tag hinweg kommen und dies mit einem Besuch des Stadtfests verbinden. Zu dem wolle man keine Konkurrenz, sondern eine Ergänzung sein. „Die Veranstaltung wird mit dem 27. Januar nicht vergleichbar sein“, sagt Fontagnier. Besucher erwarte eher ein familiäres Fest als eine eng aneinanderstehende Menschenmasse.
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