Aktionen für Demokratie

Demo gegen rechts: So geht es in Mannheim weiter

Am 27. Januar gingen in Mannheim 20.000 Menschen auf die Straße, um gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren. Seitdem ist allerdings nichts mehr passiert. Das soll sich ändern. Es gibt erste Pläne für weitere Aktionen

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Sebastian Koch
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Auf dem Alten Meßplatz in Mannheim kamen Ende Januar rund 20.000 Menschen zusammen, um gegen rechts zu demonstrieren. © Michael Ruffler

Mannheim. Vor einem Monat haben auf dem Alten Meßplatz etwa 20.000 Menschen gegen Rechtsextremismus demonstriert. Unter dem Motto „Nie wieder ist Jetzt!“ hatte dazu ein breites gesellschaftliches Bündnis nach den Enthüllungen von Correctiv zum Potsdamer Treffen von AfD-Funktionären mit Rechtsextremisten aufgerufen.

Nach der Kundgebung vom 27. Januar hat es bislang aber keine weiteren Aktionen zu „Nie wieder ist Jetzt!“ gegeben. Mitorganisator und Grünen-Stadtrat Gerhard Fontagnier, der CDU-Vorsitzende Christian Hötting und die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Mannheim, Heidrun Kämper - sie sitzt für die SPD auch im Gemeinderat -, ziehen im Gespräch mit dieser Redaktion eine erste Bilanz und sprechen über die Zukunft von „Nie wieder ist Jetzt!“. Fragen und Antworten dazu.

Wie wichtig ist es, den Protest am Leben zu halten?

Wichtig, sagt CDU-Chef Hötting, der auch für Grüne, SPD, ML, Linkspartei und FDP spreche. „Denn die Menschen vergessen schnell.“ Er sieht in der Potsdamer Konferenz und den Protesten eine Initialzündung, freut sich über das breite Bündnis aus Parteien, Organisationen, Vereinen und Initiativen.

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Es muss in den Alltag übergehen. Fontagnier: „Dieses klare öffentliche Bekenntnis gegen rechts haben wir in den letzten Jahren doch vermisst. Diese Demos haben jetzt gezündet, aber dabei darf es nicht bleiben.“

Ist eine Kundgebung, wie die vom 27. Januar, noch einmal möglich?

Fontagnier bezweifelt, dass es nötig und möglich ist, alle paar Wochen eine Demo in dieser Größe aufzuziehen. Sinken die Teilnehmerzahlen, verlieren solche Aktionen schnell ihre Wirkung. „Das nutzt sich irgendwann ab“, sagt auch Hötting.

Für Kämper haben die 20.000 Menschen vom 27. Januar großen Symbolcharakter. „Es wurde zum ersten Mal überdeutlich, dass wir wirklich mehr sind“, sagt sie und meint damit Demokratinnen und Demokraten, die sich gegen Rechtsextremismus stellen. Jetzt müsse man diese Bewegung verstetigen und möglichst viele - auch neue - Menschen erreichen.

Welche weiteren größeren Aktionen sind in Mannheim geplant?

Zum Auftakt der Kampagne „Nie wieder ist Jetzt! - Wählt demokratisch“ ruft das Bündnis Mannheim gegen Rechts im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus am 16. März zum Markt der Vielfalt auf. Zwischen 11 und 14 Uhr präsentieren Organisationen in der Innenstadt und im Jungbusch ihr Handeln gegen Rassismus und schulen Interessierte in Gesprächssituationen mit rechtem Gedankengut.

Heidrun Deborah Kämper, Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Mannheim. © Thomas Tröster

Für 15 Uhr ist eine Demonstration vom Paradeplatz zum Alten Meßplatz geplant, kündigt Fontagnier an. Laut ihm ruft außerdem die Arbeiterwohlfahrt am 25. Mai anlässlich des Tags des Grundgesetzes zu einer Kundgebung für Vielfalt und Demokratie im Ehrenhof auf. Anschließend gibt es eine Kundgebung mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Kultur. Am 25. Mai vor 75 Jahren ist das Grundgesetz in Kraft getreten. Laut Fontagnier werden im Wahlkampf zur Kommunalwahl weitere kleinere Aktionen geplant.

Die Kundgebung am 27. Januar - dem Holocaustgedenktag - hatte sich auch gegen Antisemitismus gerichtet. Gibt es zu diesem Thema weitere Veranstaltungen?

Zuletzt hatten Deutsch-Israelische Gesellschaft und Jüdische Gemeinde im Zusammenhang mit Palästina-Demonstrationen bereits mehrere Gegenveranstaltungen gegen Antisemitismus organisiert. Diese Aktionen sollen fortgeführt werden, ist immer wieder zu hören.

Am 27. Januar sind auch anlässlich des Holocaust-Gedenktags etwa 20 000 Menschen zusammengekommen, um gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus zu demonstrieren. © Michael Ruffler

Die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Heidrun Kämper, verweist außerdem auf die Zusammenarbeit mit muslimischen Vereinen, die auch nach der Terrorattacke der Hamas am 7. Oktober anhalte. „Ich verschweige auch nicht, dass wir trotz vieler guter Begegnungen auch von einigen enttäuscht waren, die nicht mit uns kommuniziert haben“, sagt Kämper. Eine Basis für gemeinsame Projekte sieht sie aber dennoch.

Sind im Wahlkampf Aktionen von Parteien - auch über Lagergrenzen hinweg - noch möglich?

Hötting verweist auf den „Aufruf für Demokratie“, den CDU, Grüne, Linke, FDP und SPD zur Kundgebung am 27. Januar gemeinsam initiiert haben. Diese Zusammenarbeit möchten die Parteien fortführen und dafür auch auf Vereine, Kirchen, Gewerkschaften und Verbände zugehen. Auch die ML, die den Aufruf am 27. Januar nicht geteilt hatte, hat laut Hötting Bereitschaft zu gemeinsamen Gesprächen signalisiert.

Der CDU-Vorsitzende deutet an, dass zum Tag des Grundgesetzes am 25. Mai parteiübergreifend Ideen besprochen werden. „Es geht darum, zu verdeutlichen, auf welcher Grundlage wir stehen. Da ist es egal, ob man bei den Grünen, der FDP, der Linken oder der CDU ist“, sagt Hötting. „Da müssen wir uns in der ganz heißen Phase des Wahlkampfs am Riemen reißen und uns in diesem einen Punkt auf das Gemeinsame besinnen.“

Hat die Demo gegen rechts mit ins Leben gerufen: Gerhard Fontagnier © Grüne

Laut Fontagnier gibt es auch Gespräche zu einer Kampagne, in der sich Vertreter verschiedener Parteien auf Plakaten gemeinsam zum Grundgesetz und zur Vielfalt in Mannheim bekennen. „Von den Plakaten soll die Aussage ausgehen, dass wir uns über Inhalte streiten, aber wir alle Demokraten sind und bereit sind, diese Demokratie zu verteidigen“, sagt Fontagnier.

Lassen sich Menschen mit Migrationshintergrund mobilisieren?

Obwohl der Aufruf ja auch ganz in ihrem Sinn ist, haben an der Kundgebung am 27. Januar nicht viele Menschen mit Migrationshintergrund teilgenommen. Dabei wurde die Veranstaltung von Zahra Alibabanezhad Salem, der Vorsitzenden des Migrationsbeirats, mitorganisiert.

Der Mannheimer CDU-Kreisvorsitzender Christian Hötting. © Christoph Blüthner

In Mannheim schlummert da noch viel Potenzial. Aber, sagt Kämper, das zu heben, sei extrem schwierig: „Diese Gruppe demonstriert häufig nicht öffentlich. Dennoch muss man dahinter sein, sie zu aktivieren.“ Man habe, ergänzt Fontagnier, die Kundgebung in zwölf Sprachen beworben. „Das hat wenig gewirkt. Es ist nicht so einfach, an diese Menschen ranzukommen.“

Hat sich seit der Kundgebung der Umgang mit der AfD geändert?

„Es gab vorher keine Kommunikation, und jetzt erst recht keine“, so Hötting. Genau dasselbe sagt Kämper. Fontagnier, der nach eigenem Bekunden regelmäßig die Homepage der Mannheimer AfD besucht, ergänzt: „Sie werden im Tonfall aggressiver.“ Er glaubt, das liege an den Protesten, die der Partei natürlich nicht passten. „Man muss schon beobachten, was sich bei der AfD tut.“

Stufen die Drei die Mannheimer AfD als radikal ein?

Auch wenn sie keine Radikalen seien, die Steine werfen, sei die Partei in ihren Ansichten radikal und „keinesfalls gemäßigt, wie das gepredigt wird“, so Fontagnier: Das gelte nicht für alle in der Mannheimer AfD, aber die meisten verbreiteten radikale Ansichten.

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Kämper greift sogar jedes Parteimitglied an, denn die AfD vertrete ein antidemokratisches, antisemitisches und rassistisches Weltbild. „Jede Person, die Mitglied in dieser Partei ist, unterschreibt dieses Weltbild.“ Hötting ergänzt: „Jeder, der mit dem Gedanken spielt, in die AfD einzutreten, muss sich vergegenwärtigen: Er ist dann in derselben Partei wie Björn Höcke.“ Er sei der geistige Taktgeber der Partei.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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