Die Bilder sind beeindruckend gewesen: 20 000 Menschen haben am Holocaustgedenktag am 27. Januar in Mannheim gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus demonstriert. Trotz Tonproblemen und Ärger über den Auftritt von Aktivisten mit Palästina-Fahnen konnten die Organisatoren stolz sein. Auch bundesweit teils sinkende Umfragewerte der AfD sind eine Folge der Proteste in der ganzen Republik und im Sinne der Organisatoren.
Zur Vollständigkeit gehört fast fünf Wochen später aber auch, dass in Mannheim gefühlt nur noch wenig von der Demokratie-Euphorie dieses Wochenendes zu spüren ist. Die Frage, wie nachhaltig die Kundgebung war, muss deshalb diskutiert werden.
Niemand kann erwarten, dass eine derart große Demo regelmäßig stattfindet. Allein organisatorisch ist das für Ehrenamtliche nicht leistbar. Schon die Kundgebung im Januar war zeitlich und finanziell herausfordernd. Auch haben die Verantwortlichen Recht, wenn sie sagen, zu viele Demos würden sich abnutzen.
Menschen teils nicht erreicht
Dennoch fiel etwa am vergangenen Samstag – nicht zum ersten Mal – auf, dass zu einer Kundgebung von Jüdischer Gemeinde und Deutsch-Israelischer Gesellschaft nur mit Mühe überhaupt eine dreistellige Zahl an Menschen mobilisiert werden konnte, um auch gegen Antisemitismus zu demonstrieren. Verglichen mit den 20 000 Menschen Ende Januar und den etwa 2000 Teilnehmern an der am vergangenen Samstag gleichzeitig stattfindenden Palästina-Demo war das fast kläglich.
Sorgen muss außerdem bereiten, dass am 27. Januar verhältnismäßig wenige Menschen mit Migrationshintergrund demonstriert haben – obwohl es ja auch um sie ging. Die Organisatoren sind sich zwar einig, dass die in vielen Sprachen verbreiteten Aufrufe diese große Gruppe kaum erreicht haben. Das lässt sich auch nicht bestreiten. Wie man sie aber künftig erreicht – dazu fehlt es derzeit an Ideen.
Dabei sind die so wichtig. Nicht nur mit Blick auf die von den Organisatoren vom Januar angekündigte große Kundgebung für Vielfalt und Demokratie am 25. Mai zum Tag des Grundgesetzes – sondern vor allem für die wichtige Kommunalwahl zwei Wochen danach. Spätestens dann sind auch wieder viele Menschen mit Migrationshintergrund aufgerufen, sich zu beteiligen und für die Demokratie zu engagieren. Der Politik bleibt also nicht mehr viel Zeit, Ansätze und Ideen zu entwickeln, um an diese Gruppe heranzukommen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Mannheims Politik braucht Ideen, Menschen mit Migrationshintergrund endlich zu erreichen
Fünf Wochen ist die Kundgebung in Mannheim gegen Rechtsextremismus nun her. Organisatoren fragen sich noch, warum sie dabei nur wenige Menschen mit Migrationshintergrund erreicht haben, kommentiert Sebastian Koch