Mannheim. Mehr als eine Woche dauert der Einsatz am Container im Hafen an. 16 Polizeibeamte sowie ein Kranführer haben sich am Dienstag verletzt, der Krisenstab löste in betroffenen Gebieten Sirenenalarm aus und die Ursache dafür, dass chemisches Gefahrgut aus dem Container ausgetreten ist, ist noch unklar.
Auf Anfrage sprechen alle im Gemeinderat vertretenen Fraktionen den Einsatzkräften ihren Dank aus. In der politischen Bewertung der Ereignisse gehen die Meinungen auseinander, insbesondere bei der Frage, ob die Warnung der Bevölkerung funktioniert habe.
So erklärt der CDU-Fraktionsvorsitzende Claudius Kranz: „Die allermeisten Einwohner und Beschäftigten in den betroffenen Stadtteilen Jungbusch, Innenstadt und Neckarstadt-West haben gut und richtig auf die Warnungen über Nina, Katwarn, die Sirene und die Informationen im Radio und auf der Internetseite der Stadt reagiert.“ Menschen hätten Fenster geschlossen und ihre Häuser nicht verlassen. Kranz stellt aber auch fest, dass sich gezeigt habe, dass „Abläufe im Katastrophenfall nicht der gesamten Bevölkerung bekannt sind und eingehalten werden“. So sei die Broschüre ,Verhalten bei Störfällen’ „von einigen nicht ernst genommen“ worden. Hier appelliert die CDU an die Eigenverantwortung. Auch Birgit Reinemund, sie führt die FDP/MfM-Fraktion, erklärt: „Katwarn hat gut und schnell gewarnt“ und die Stadt habe „kurzfristig und regelmäßig“ informiert. „Die Sirenen haben funktioniert, doch die Menschen wussten wenig damit anzufangen.“
Warnungen einfacher vermitteln
Thorsten Riehle, Vorsitzender der SPD-Fraktion, kritisiert indes, dass die Warnung von Katwarn „erst rund 50 Minuten nach dem Schadensereignis“ erfolgt war. „Aufgrund der möglichen Kontamination durch austretende Gefahrstoffe erscheint das viel zu spät, zumal verschiedene Medien in den sozialen Netzwerken deutlich schneller gewarnt hatten.“ Zudem müsse geklärt werden, „warum mehrere Polizistinnen und Polizisten verletzt wurden und sich offenbar ohne ausreichenden Schutz dem Container nähern konnten“.
Als Chef der Li.Par.Tie verweist Dennis Ulas darauf, dass „sehr viele Menschen“ sich der Gefahr nicht bewusst gewesen waren. „Das kurze Aufheulen der Sirenen von etwa einer Minute haben Teile der Bevölkerung entweder nicht wahrgenommen oder sie wussten nichts damit anzufangen.“ Der Vorsitzende der AfD-Fraktion, Bernd Siegholt, kritisiert, dass die Sirenen erst ausgelöst worden seien, nachdem die Feuerwehr am Unfallort eingetroffen sei, um so einen Fehlalarm zu vermeiden. Die Fraktion sei der Meinung, viele Fehlalarme seien besser als ein verspäteter berechtigter Alarm.
Die Mannheimer Liste (ML) bezeichnet die Warnung der Bevölkerung auch als „deutlich verbesserungswürdig“. Holger Schmid, stellvertretende Fraktionsvorsitzender, erklärt, dass „der Hinweis auf eine im Frühjahr verteilte Broschüre zum Bevölkerungsschutz“ in diesem Fall „bei Weitem nicht ausreicht“.
Die Grünen erklären, dass „Information und Warnung rasch erfolgt sind“. Es stelle sich aber die Frage, wie „Warnungen verständlicher formuliert und vermittelt werden können, um dafür Sorge zu tragen, dass alle, die einer potenziellen Gefahr ausgesetzt sind, sich entsprechend verhalten können“, sagt Stadträtin Christina Eberle.
Indes fordert CDU-Fraktionschef Kranz, in Kitas, Schulen, Vereinen und Migranten-Communities müsste der Umgang bei Störfällen geübt werden. „Die Publikationen der Stadt ,Verhalten in Störfällen’ und vor allem die Kurzinfo ,Wie reagierein im Notfall richtig’ in zwölf Sprachen sollte über geeignete Wege nochmals an die Bevölkerung herangetragen werden.“ Die ML hofft, dass neben der Aufgabe von Kitas und Schulen, auf die Bedeutung der Sirenen hinzuweisen, auch durch Pressearbeit, in sozialen Medien und über monatliche Probealarme das Bewusstsein geschärft werde.
Sozialdemokrat Riehle sieht außerdem Klärungsbedarf, wie sich die Stadt auf derartige Ereignisse besser vorbereiten könne. „Deshalb wollen wir als SPD im Gemeinderat wissen, wie Notfallpläne konkret aussehen.“
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AfD-Fraktionsvorsitzender Siegholt warnt indes davor, „die komplette Abschaffung der Industrie und des Handels zu fordern“. Allerdings sei „die unmittelbare Nähe eines Umschlagplatzes von gefährlichen Waren oder Gütern zur Wohnbebauung“ ein „großes Problem“.
Das sehen auch die Grünen. Die potenzielle Gefahr, die mit der Nähe zum Containerterminal einhergehe, habe die Fraktion bereits bei Planungen der Friedrichspark-Bebauung und der Weiterentwicklung des Hafens thematisiert. „Die Dringlichkeit, sich damit zu befassen, zeigt sich nun mehr als deutlich.“
Auch FDP/MfM-Vorsitzende Reinemund macht auf die Nähe von Hafen und bebauten Gebieten aufmerksam und verweist darauf, dass der Gemeinderat vor Kurzem die Bereiche begrenzt habe, in denen Gefahrgut gelagert und umgeschlagen werden dürfe. Außerdem müssten „freiwillige und Berufsfeuerwehr und der Katastrophenschutz personell besser aufgestellt werden und gut ausgestattet sein“. Li.Par.Tie-Fraktionschef Ulas argumentiert, dass Umschlag und Lagerung von Gefahrgütern auf den Bereich beschränkt werden müsste, „der am weitesten von Wohn- und anderen schutzbedürftigen Nutzungen entfernt ist“. Außerdem müsste - das erklären auch SPD und AfD - die Ausrüstung der Polizei für derartige Fälle geprüft werden.
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