Nach Chemieunfall

Mannheims Sicherheitsdezernent Specht: Menschen haben die Sirene "nicht mehr gelernt"

40 Firmen aus der Region veröffentlichten am Jahresanfang ein Dokument mit der Stadt, um über Betriebsabläufe im Störfall zu informieren. Wie die Stadt diese Infos verteilt hat - und was sie von Lautsprecherdurchsagen hält

Von 
Lea Seethaler und Julius Paul Prior
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Eine Alarmsirene: Sie gibt Signale ab, die vor Gefahren warnen. © DPA

Nach Angaben der Stadt haben sich in Mannheim 21 Firmen und in Ludwigshafen 19 Unternehmen abgestimmt, um die Bevölkerung über ihre Betriebsabläufe und Notfallpläne bei Störfällen zu informieren. Sie hatten am Jahresanfang die neue Auflage der Broschüre „Verhalten bei Störfällen“ vorgelegt. Diese gilt für den Zeitraum 2022 bis 2026.

Alle in der Publikation genannten Firmen erfüllten auf diesem Weg ihre „Informationspflicht gegenüber der Bevölkerung“, so die Stadt. Diese Pflicht schreibt die Störfallverordnung vor. Sie soll Mensch und Umwelt schützen. Alle in der Broschüre gelisteten hiesigen Unternehmen unterliegen ihr. Unter ihnen sind auch Contargo und die BASF.

Verhaltenshinweise in 12 Sprachen

Nach dem Chemieunfall waren wie berichtet viele Menschen trotz Sirenenalarm sorglos in betroffenen Gebieten in der Stadt unterwegs gewesen. Auf Nachfrage, ob Mannheim neue Kanäle für die Verbreitung dieser in der Broschüre enthaltenen (Präventiv-)Informationen plane oder Änderungen in der Broschüre oder ihrer Verteilung selbst, sagte Rathaussprecherin Désirée Leisner: „Eine Überprüfung, ob und inwieweit sich künftig Änderungen ergeben, kann erst nach Abschluss der Ursachenermittlung erfolgen.“ Bei einem Pressestatement am Freitagnachmittag sprach Erster Bürgermeister und Sicherheitsdezernent Christian Specht dann über Formen von Bevölkerungswarnungen. Er sagte, dass etwa in Mannheim Lautsprecherdurchsagen der Polizei nicht wieder verwendet werden sollen. Der Grund: Hier habe die Stadt schlechte Erfahrungen gemacht, da Menschen die Durchsagen nicht verstehen würden und aus diesem Grund Fenster und Türen öffnen. Dabei sollten die in einem solchen Fall geschlossen bleiben - was auch der Sirenenalarm bedeutet.

Die Störfall-Broschüren, und auch eine vorliegende Kurzfassung, enthalten indes Verhaltenshinweise für den Notfall: Hier werden alle Verhaltensregeln im Notfall erklärt, so Specht. Auch auf verschiedene Informationskanäle wie etwa die Warn-Apps KATWARN und NINA, Rundfunkdurchsagen, das Gefahreninfotelefon sowie die städtischen Internetportale wird im Dokument verwiesen. Das alles habe zum Ziel, dass die Bevölkerung bei Großschadenslagen „zeitnah und umgehend“ informiert ist, so die Verwaltung. Die kürzere Störfallbroschüre mit Verhaltenshinweisen in zwölf Sprachen, sei an rund 270 000 Haushalte in Mannheim und Ludwigshafen verteilt worden, heißt es weiter von der Stadt. Per Postwurfsendung sei das Heft zuletzt im Januar dieses Jahres an alle Mannheimer Haushalte verteilt worden, spezifiziert Leisner. Die Broschüre, die auf Webseite der Stadt auch als barrierefreie Version vorliegt, erscheint alle fünf Jahre.

Nationaler Warntag geplant

Specht nannte die Broschüre bei der Veröffentlichung der Neuauflage bereits einen „wichtigen Baustein des Katastrophenschutzes“. Am vergangenen Freitag erklärte er weiter: „Das ist ein Stück Lebensqualität und Sicherheit für jeden Bürger.“ Specht nahm jedoch auch die Bürgerinnen und Bürger in die Verantwortung. Die Broschüre sei das Minimum, mit dem sich die Bevölkerung auf eine mögliche Gefahrensituation vorbereiten müsse. Im besten Fall gehöre aber auch ein „Transistorradio mit Batterien ins Kit“, fuhr der Sicherheitsdezernent fort. Ein Problem sei jedoch, dass die Broschüre „nicht von allen ernstgenommen wird“. Zudem sei auch die Sirene „nicht mehr gelernt“.

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Thomas Näther, Kommandant der Feuerwehr Mannheim, fügte am Freitag hinzu: „Was die Feuerwehr im Großen tut, muss die Bevölkerung im Kleinen tun.“ Sich vorzubereiten und im Notfall informiert zu sein, sei wichtig. Um der Bevölkerung die Sirene und andere Warnsignale näher zu bringen, werde die Stadt im kommenden Jahr am nationalen Warntag teilnehmen, sagte Specht. Der Sicherheitsdezernent verweist zudem auf den Bund, der derzeit an einem Konzept arbeite, wie die Bevölkerung am Warntag am besten über die Alarmsysteme informiert werden könne. Derzeit werde etwa über ein Signal auf Handys sowie das Einbinden in den Unterricht an Schulen diskutiert.

Die Broschüre wird seit 2016 veröffentlicht - dem Jahr des BASF-Unglücks. In der Hauptwache der Feuerwehr seien laut Näther noch Exemplare vorhanden, im Rathaus seien sie dagegen bereits vergriffen, so Specht. Im Internet sei die Broschüre verfügbar. Falls jemand keinen Internetzugang besitzt, könne die Stadt eine Broschüre zuschicken, erklärte Specht. Online sind die Lang- und Kurzfassung unter den folgenden Links zu finden:

Kurzversion in 12 Sprachen: bit.ly/3e06tdQ Langversion: bit.ly/3CAiuRz

Redaktion Redakteurin und Online-Koordinatorin der Mannheimer Lokalredaktion

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