Mannheim. Was passiert mit dem dringend sanierungsbedürftigen Mannheimer Nationaltheater? Darum ging es am Donnerstagabend bei einer Podiumsdiskussion, zu der diese Zeitung eingeladen hatte. Vertreter aus Politik und Kultur diskutierten am Ort des Geschehens im Schauspielhaus und stellten sich den Fragen der Besucher.
„MM“-Chefredakteur Dirk Lübke begrüßte rund 600 Gäste im Theatersaal – darunter auch Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne), bevor Stefan M. Dettlinger, Ressortleiter Kultur, und Peter W. Ragge, Chefreporter, die Moderation auf der Bühne übernahmen. Unstrittig im Saal war gestern Abend der dringende Sanierungsbedarf des Gebäudes – die Kosten hat der Architekt Andreas Schmucker ermittelt, es geht demnach um rund 200 Millionen Euro. Woher das Geld kommen soll, ist bislang noch offen.
„Spätestens bis zum 31.12.2022 müssen wir draußen sein“, sagte Oberbürgermeister Peter Kurz. Er stellte in einer Präsentation zu Beginn des Abends kurz das aktuelle Konzept einer Generalsanierung vor. Darin erklärte er, warum man sich in Politik und Verwaltung früh auf eine Sanierung des Bestandsbaus festlegte. „Warum wurde das Thema Neubau nicht früher in die Öffentlichkeit getragen?“, fragte Peter W. Ragge den Oberbürgermeister. „Wir kamen zu so einem eindeutigen Ergebnis, dass niemand den Einfall hatte, wir müssten hier überhaupt das Feld aufmachen“, so Kurz. 2014 sei man auch noch von deutlich niedrigeren Sanierungskosten ausgegangen, dagegen sei ein Neubau rein finanziell „schlicht und einfach gar nicht angebracht“ erschienen. Nicht nur finanzielle Fragen sprechen laut Kurz zudem gegen einen Neubau – auch der fehlende Platz. Der Untere Luisenpark, über den intern geredet wurde, schien „nicht umsetzbar“.
200 Millionen Euro Sanierungskosten – „für uns ist das natürlich ein Wahnsinn, über welche Summen hier gesprochen wird“, sagte Gabriele Oßwald, die die freie Szene vertrat. Die vier Häuser der freien Szene müssten dagegen um viel geringere Summen kämpfen. „Ich würde mir wünschen, dass die Diskussion nicht nur über die Finanzierung des Nationaltheaters geführt wird, sondern auch über die Frage, welche Kultur braucht die Stadt eigentlich.“
Als „total reizvoll“ bezeichnete Opernintendant Albrecht Puhlmann die Ausweichzeit während einer Sanierung. Natürlich sei ein Wechsel der Spielorte „auch eine Herausforderung, für die man alle motivieren muss“. Denkbar seien etwa Ludwigshafen, Schwetzingen und zwischenzeitlich auch ein Zelt als Spielorte. Beim Ausweichen an andere Orte gebe es aber auch die Chance, die Erneuerung der Oper voranzutreiben. „Hat Sie die Idee eines Neubaus nie fasziniert“, fragte Stefan M. Dettlinger. Nein, antwortete Puhlmann –„wie kann man überhaupt daran denken, das abzureißen, das ist mir total fremd“.
„Nach vier Jahren bekommt man ein mit Sinn und Verstand generalsaniertes Haus“, sagte Architekt Andreas Schmucker. Man müsse entscheiden was man in diesem Rahmen machen kann und kein „Wünsch-Dir-was“ durchführen. So würden nach der aktuellen Planung beispielsweise viele Raumvolumen gleich bleiben, „man darf nicht gegen das Haus planen, man muss mit dem Haus planen.“ Das Nationaltheater sei auch nicht zu groß, „das Haus ist so, wie es konzipiert ist, richtig konzipiert“, sagte Marc Stefan Sickel, der geschäftsführende Intendant.
Die Diskussion
Fünf Teilnehmer hatte der „Mannheimer Morgen“ zu der Diskussion gestern Abend eingeladen:
- Peter Kurz, SPD: Er ist seit 2007 Oberbürgermeister, zuvor war er von 1999 an Bürgermeister für Kultur und Bildung.
- Marc Stefan Sickel: Der geschäftsführende Intendant des Nationaltheaters war zuvor in Frankfurt, Essen und Magdeburg.
- Gabriele Oßwald: Sie repäsentiert die freie Szene, von 1995 bis 2016 leitete sie „Zeitraumexit“.
- Albrecht Puhlmann: Er ist seit der Spielzeit 2016/17 Intendant der Opernsparte am Nationaltheater und war zuvor an vielen Häusern tätig.
- Andreas Schmucker: Der Architekt kümmert sich um die Zahlen und er hat die Planung für die Sanierung des Nationaltheaters vorgelegt. bro
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