Der Prozess zur Änderung der vier historisch belasteten Straßennamen in Rheinau-Süd kommt weiter planmäßig voran: Die betreffenden Straßenschilder wurden in dieser Woche von der Stadt mit einem Zusatz versehen. Der enthält Infos über die Vergehen der Namenspaten.
Im Februar hatte der Gemeinderat mit breiter Mehrheit beschlossen – nur zwei der 49 Mitglieder waren dagegen –, die Gustav-Nachtigal-, die Leutwein- und die Lüderitzstraße sowie den Sven-Hedin-Weg innerhalb der kommenden beiden Jahre umzubenennen. Als Sofortmaßnahme sollten sie zeitnah durch Informationen über die Namenspaten versehen werden. Dies ist nun geschehen. Die Texte lauten:
Gustav-Nachtigal-Straße: Gustav Nachtigal (1834-1885) betrieb aktiv als Forschungsreisender und Reichskommissar den gewaltsamen kolonialpolitischen „Wettlauf um Afrika“.
Leutweinstraße: Theodor Leutwein (1849-1921) legte als Gouverneur von Deutsch-Südwestafrika (Namibia) die Grundlagen für die „rassische“ Privilegiengesellschaft infolge eines auf Völkermord angelegten Kolonialkriegs.
Lüderitzstraße: Adolf Lüderitz (1834-1886) war eine Schlüsselfigur der gewaltsamen deutschen Kolonialpolitik, insbesondere in Deutsch-Südwestafrika.
Sven Hedin: Der schwedische Forschungsreisende Sven Anders Hedin (1865-1952) positionierte sich politisch klar für deutsche Expansion und das NS-Regime mit seiner rassistischen und antisemitischen Haltung.
Bei der Leutwein-, der Lüderitz- und der Nachtigalstraße steht zusätzlich der Hinweis: „Die Straße wurde 1935 im Rahmen des NS-Kolonialrevisionismus benannt. Diese Ehrung entspricht nicht mehr den heutigen Wertevorstellungen, eine Umbenennung ist vorgesehen.“ Beim Hedin-Weg heißt es: „Die 1985 erfolgte Straßenumbenennung entspricht nicht mehr den heutigen Wertevorstellungen.“
„Die Siedler sind irritiert, dass die Beschilderung ohne zeitnahe Vorankündigung erfolgt“, beklagt Hans Held, der Vorsitzende der örtlichen Siedlergemeinschaft: „Das hat erneut Vertrauen gekostet. Ich habe jetzt wieder alle Hände voll zu tun, die Emotionen vor Ort zu glätten.“
Die Bandbreite der Reaktionen zeigen zufällige Äußerungen von Passanten, die nicht genannt werden möchten. Sie reichen von praktischen Einwänden („Viel zu viel Text“, „Zu klein geschrieben, kann ja kein Mensch lesen“) bis zu Grundsätzlichem: „Dieser Zusatz hätte völlig ausgereicht“, meint ein älterer Herr, „da würde man die Umbenennung gar nicht brauchen.“ Ein Jüngerer sieht sie als Provokation: „Den Leuten hier wird gesagt: Wir machen das, ob ihr das wollt oder nicht.“
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Manche stellen auch Fragen zum Inhalt wie dem historischen Fachbegriff NS-Kolonialrevisionismus. Diskussionen gab es ja im Vorfeld in der Kommunalpolitik über die Formulierung „rassisch“. Eingewandt wurde, dass es korrekt „rassistisch“ heißen muss. Kompromiss waren die An- und Abführungszeichen.
Die Schilder sollen so bis zur Umbenennung in knapp zwei Jahren hängen. Was die neuen Namen betrifft, so prüft die Stadt laut ihrer Sprecherin Klara Scheffler derzeit noch die 247 Vorschläge der Bürger.
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