Queere Fahrraddemo (mit Route) - Christopher Street Day am Samstag unter dem Motto „Na K.L.A.R.“ / Stadt arbeitet gegen Diskriminierung / Rückschritte als Gefahr / Beratung: „Gelder fehlen“

Christopher Street Day - Mannheim unter dem Motto „Na klar“

Von 
Lea Seethaler
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Samstag, 14. August, 14 Uhr, geht es los: Die Christopher Street Day (CSD)-Parade zieht vom Ehrenhof des Schlosses aus durch die Region. Oder besser: fährt, denn in diesem Jahr gibt es eine Fahrraddemo. Die bunte Parade macht bei aller Feierei auch immer auf Missstände der Lebenssituation von LGBTIQ-Personen aufmerksam, also lesbischen, schwulen, bisexuellen, transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen und queeren Menschen.

Vorhandene Missstände wie die Ausgrenzung dieser Menschen weltweit, in Europa und Deutschland will man angehen. Mit verschiedenen Mitteln. So hatte sich Mannheim vor kurzem als erste Stadt in Baden-Württemberg zum Freiheitsraum für sie erklärt. Damit verpflichtet sie sich zu „öffentlichen Maßnahmen“ zur Förderung und zum Schutz der Rechte von LGBTIQ-Personen.

Details zum CSD-Ablauf

  • Der Christopher Street Day steht 2021 in Mannheim unter dem Motto „Na K.L.A.R.“. KLAR steht für die Themen Kultur, Lebenslust, Akzeptanz und Respekt, „die nach dem oft existenzgefährdenden Jahresverlauf durch Corona wieder verstärkt in den Fokus gestellt werden müssen“, heißt es.
  • Samstag, 14. August, 14 Uhr geht es ab Start- und Endpunkt Ehrenhof als Fahrraddemo los. Teilnehmende können sich ab 12.30 Uhr „zum Fahrradschmücken auf dem Ehrenhof treffen“. Die Abschlusskundgebung folgt um 16 Uhr. Es gibt Musik-, Kultur- und Redebeiträge.
  • Es gelten Maskenpflicht, die Abstandsregelung sowie ein Alkoholverbot.
  • Der Christopher Street Day erinnert an den 28. Juni 1969, als Polizisten die New Yorker Schwulen- und Lesbenbar „Stonewall Inn“ in der Christopher Street stürmten und so Proteste von Schwulen, Lesben und Transsexuellen auslösten.

Auf lokaler Ebene kämpfen

Was ist der Hintergrund dieser Ausrufung? Sie hängt zusammen mit einem Entschluss des EU-Parlaments. Auch dieses hat sich zum LGBTIQ-Freiheitsraum ausgerufen. Der soll der immer stärker vorangetriebenen Ausgrenzung und Verfolgung von LGBTIQ-Personen entgegenwirken. Denn diese kommt oft von staatlicher Stelle und ist systematisch. Besonders in Polen und Ungarn, beschreibt Sören Landmann, LSBTI-Beauftragter der Stadt. Diese „besorgniserregende Entwicklung“ stelle ein europaweites Problem dar, da nämlich bei der Eindämmung der „bis heute anhaltenden Diskriminierung, Schikane und Hetze sowie Hasskriminalität gegenüber LGBTIQ-Personen“ wenig bis gar keine Fortschritte erzielt wurden, so Landmann.

Mit der Ausrufung des Freiheitsraums gehe es darum, als Stadt gesellschaftliche Herausforderungen auf „lokaler Ebene“ anzugehen. Und so einen „expliziten Kontrapunkt“ zu setzen zu den ebenfalls auf lokaler Ebene erfolgten Ausrufungen von LGBTIQ-freien Zonen in vielen polnischen Städten und Regionen. Mannheims Partnerstadt Bydgoszcz habe sich „erfreulicherweise entschieden, die ausgrenzende Politik nicht zu verfolgen“, sagt Landmann. Sie habe sogar ein Gremium zur Stärkung der Chancengleichheit eingerichtet.

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Dennoch: Dass „es durchaus auch wieder zu Rückschritten kommen kann, können wir aktuell in Polen sehen“, sagt auch Johannah Illgner vom Queeren Zentrum Mannheim auf Anfrage. „Polen hatte bereits im letzten Jahrhundert, und zwar im Jahr 1932 - in Deutschland war das erst 1994 der Fall - Homosexualität entkriminalisiert. Davon ist in diesem Land heute nichts mehr zu spüren.“ Landmann sagt indes: LGBTIQ-Personen berichten in der EU über starke Diskriminierungen - in allen Lebensbereichen. Etwa bei der Arbeit, in der Schule oder im Gesundheitswesen. Hier seien sie zudem „überproportional häufig körperlichen, emotionalen und sexuellen Übergriffen - sowohl online als auch offline - ausgesetzt.“

Das führe unter anderem dazu, dass die Suizidrate und andere Gesundheitsparameter unter jungen LGBTIQ-Menschen und insbesondere unter jungen trans Personen besorgniserregend seien. „Dies gilt auch für Mannheim“, sagt Landmann.

Die klare Freiheitsraum-Haltung der Stadt soll nun gegen Vorbehalte wirken und auch Anlass zur Debatte sein, „die wiederum Sichtbarkeit“ schaffe. Von der FDP/MfM-Fraktion im Gemeinderat kam indes Kritik, dass es der Erklärung an konkreten Maßnahmen mangle und sie eine „inhaltsleere Deklaration“ sei. Landmann meint, Mannheim habe bereits eine Reihe von Maßnahmen umgesetzt. Einige Beispiele seien hier genannt: der „Runde Tisch sexuelle und geschlechtliche Vielfalt“ oder die Anschubfinanzierung von 294 000 Euro für das Queere Zentrum. Zudem nennt er einen erfolgreicher städtischen Beteiligungsprozess für junge queere Menschen.

Schwule Kunst in Mannheim

  • Unter dem Motto „Schwule Kunst zum CSD 2021“ zeigt die „queer go area“ (Elfenstr 29) die Ausstellung: „Ausgetanzt“. Hannes Steinert aus Stuttgart präsentiert seine „feinsinnigen schwulen Corona-Comics im morbiden Jahrhundertwendetreppenhaus vom Erdgeschoss bis unters Dach und an der historischen Ziegelwand Linoldrucke mit teils homoerotischen Inhalten“, heißt es in der Ankündigung.
  • Bei „Relax! don’t do it..“ zeigt Heinz-Jürgen Walther Acryl-Bilder im alten Pferdestall und lädt ein ins Schwarzlichtkabinett im ehemaligen Kellerbunker zu einer Installation aus fluoreszierenden Bildern mit männlichen Körperlinien. Geöffnet ist 14. August bis 15. August, jeweils 12 bis 21 Uhr. Begrüßung: Samstag, 16 Uhr durch Michael Weil.

Indes sagt Vorständin Andrea Jäger von der Psychologische Lesben- und Schwulenberatung Rhein-Neckar (PLUS): „Wir finden es toll, dass diese symbolische Unterstützung stattfindet. Allerdings braucht jetzt die Community auch wirklich Unterstützung, um dringend benötigte Arbeit machen zu können. So erhält die Beratung zu Vielfalt von Geschlecht und sexueller Orientierung für Nicht-Jugendliche immer noch keinen Cent von der Stadt.“

Dass Projekte, die unter Gleichstellung, Vielfalt und LGBTIQ fallen, „nicht ausreichend Mittel zur Verfügung haben“, könne gerade durch die Gemeinderäte beeinflusst werden, findet auch Johannah Illgner. „Wir sehen auch Chancen, denn je mehr sich eine Stadt verpflichtet, umso größer ist unsere Möglichkeit, sie daran - wenn nötig, auch öffentlich - zu erinnern.“

Redaktion Redakteurin und Online-Koordinatorin der Mannheimer Lokalredaktion

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