Es sind schöne, große Räumlichkeiten, die Isabel Cademartori da eingerichtet hat. Ihr Mannheimer Wahlkreisbüro in H 4, gegenüber vom Odeon-Kino, liegt auch sehr zentral. Im Stadthaus in N 1 wäre sie in wenigen Minuten, doch dorthin wird die Sozialdemokratin fortan deutlich seltener gehen. Sie hat sich nun entschlossen, ihren Sitz im Gemeinderat aufzugeben.
„Ich bin sehr froh, dass ich als Neuling im Bundestag meine beiden Wunschausschüsse Verkehr sowie Bauen und Wohnen bekommen habe“, sagt Cademartori beim Treffen mit dem „MM“. Da lasse sich für ihren Wahlkreis so manches bewegen. Zum einen gebe es viele Förderprogramme, „mit denen ich gerade zuletzt für Mannheim schon einiges herausholen konnte“. Zum anderen dem stünden auf ihren Themenfeldern auch entscheidende Weichenstellungen für ihre Heimatstadt an, etwa nun der Ausbau der Bahnstrecke Frankfurt-Mannheim.
Entscheidung lange offen
Anders als ihre Grünen-Kollegin Melis Sekmen, die schon vor dem Einzug in den Bundestag für diesen Fall den Verzicht auf den Gemeinderat angekündigt hatte, ließ sich dies Cademartori bislang immer offen. „Ich wollte mir erstmal anschauen, wie das läuft.“ Nach einem Jahr in Berlin sei für sie jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen, als Stadträtin und somit als Fraktionsvize aufzuhören.
„Meine Entscheidung hängt auch damit zusammen, dass als Nachrückerin eine junge, kompetente und motivierte Frau bereitsteht, die bereit ist, in der Lokalpolitik mehr Verantwortung zu übernehmen“, so die direkt gewählte Bundestagsabgeordnete. Für sie zieht am 11. Oktober Melanie Seidenglanz in den Gemeinderat ein, bereits die zehnte Rochade seit der Kommunalwahl 2019. Seidenglanz ist SPD-Bezirksbeiratssprecherin und Ortsvereinsvorsitzende in Käfertal. Die 38-Jährige arbeitet als regionale Transfermanagerin im Bereich Bildung.
Es mache nun einfach für alle Beteiligten Sinn, die Aufgaben auf mehrere Schultern zu verteilen, sagt Cademartori. Wenn sie sich mit ihrer vollen Energie auf die Arbeit in Berlin konzentrieren könne, sei das auch für Mannheim von Vorteil. Das bedeute keineswegs, dass sie der Kommunal- die Bundespolitik vorziehe. „Ich mache jetzt vielmehr Kommunalpolitik im Bundestag.“
Mannheim bleibe ihr Lebensmittelpunkt, betont die 34-Jährige. In die Hauptstadt fahre sie wie bisher nur in Sitzungswochen. Sie mache auch als stellvertretende SPD-Kreisvorsitzende und in ihren Innenstadtvereinen weiter, etwa dem der Freunde und Förderer des Herschelbades. Dass Cademartori in Mannheim noch manches vorhaben könnte, verdeutlicht ihr Wahlkreisbüro. An den großen Sitzungstisch passen reichlich Menschen.
Vorzeitige Abgänge und Fraktionswechsel
- Isabel Cademartori ist in den drei Jahren nach der letzten Kommunalwahl bereits das zehnte von 48 Gemeinderatsmitgliedern, das vorzeitig ausscheidet. Für die Sozialdemokratin rückt ihre Parteifreundin Melanie Seidenglanz nach. Zuvor legten bei der SPD Ralf Eisenhauer und Lena Kamrad ihre Mandate nieder, es folgten Heidrun Kämper und Stefan Höß.
- Ebenfalls drei Wechsel gab es bei den Grünen. Dirk Grunert, Elke Zimmer und Melis Sekmen gingen, Patrick Haermeyer, Isabel Dehmelt und Regina Jutz kamen.
- Bei der CDU wurde Nikolas Löbel von Alfried Wieczorek ersetzt, bei der Linken Thomas Trüper von Dennis Ulas, bei der Mannheimer Liste (ML) der verstorbene Roland Weiß von Christiane Fuchs und bei der AfD Rainer Huchthausen von Rüdiger Ernst.
- Zu zwei zusätzlichen Wechseln kam es zwischen den Fraktionen. Chris Rihm verließ die CDU und schloss sich später den Grünen an, Wolfgang Taubert (Mittelstand für Mannheim) ging von der ML zur FDP, die daraufhin ebenfalls Fraktionsstärke erlangte.
Allerdings bekäme sie auch in Berlin immer mehr zu tun, berichtet die Abgeordnete. Neben der Tätigkeit in ihren Ausschüssen sei sie stellvertretende Sprecherin der baden-württembergischen SPD-Landesgruppe und leite in der Fraktion den Arbeitskreis Lateinamerika. Letzteres liegt vor allem an ihrem Großvater, der in den 1970ern in Chile Wirtschaftsminister war. Daher wird sie seit ihrer Wahl in den Bundestag auch stark über ihre familiären Wurzeln wahrgenommen. „Gefühlt hat sich mittlerweile schon jeder in Deutschland lebende Chilene bei mir gemeldet“, lacht Cademartori. „Aber das ist schon okay.“ Sie interessiere sich sehr für die Verhältnisse im Heimatland ihres Vaters und allgemein in Lateinamerika.
Andere Sicht auf Verkehrsversuch
Auch mit einem SPD-internen Auftritt fand die 34-Jährige große Beachtung. In der Debatte um das 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr stellte sie sich in einer Fraktionssitzung gegen Juso-Chefin Jessica Rosenthal - und bekam heftigen Applaus. „Mir war wichtig zu zeigen, dass wir Jusos nicht immer nur dagegen sein müssen“, erzählt Cademartori. Gerade die Nachwuchskräfte mit kommunalpolitischer Erfahrung entschieden auch pragmatisch. So möge das viele Geld fürs Militär aus pazifistischer Sicht eine Zumutung bedeuten, „aber nach dem russischen Angriff auf die Ukraine war es einfach notwendig“.
Ihre Berliner Perspektive lässt die Abgeordnete indes auch manches in Mannheim mit anderen Augen sehen. Als Beispiel nennt sie den Verkehrsversuch. Die Reduzierung des Autoverkehrs in den Innenstädten sei auch in anderen Kommunen ein großes Thema. „Die Argumente dafür und dagegen sind überall gleich. Dennoch ist eigentlich allen klar, dass das der beste Weg ist.“
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