Kulturgut (mit Video)

Blick hinter die Kulissen: Was im Mannheimer Herschelbad saniert werden muss

Das Mannheimer Herschelbad soll geschlossen werden – und damit ein Teil Stadtgeschichte ein Ende haben. Wie es im Keller des Bads ausschaut und was Verantwortliche zur Zukunft sagen.

Von 
Sebastian Koch
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Dem Mannheimer Herschelbad droht 2026 die Schließung. © Malix

Mannheim. Ein großer Riss klafft in der Abwasserleitung. Die Enden stehen nach oben weg, scharfkantig, als hätte jemand sie auseinandergebogen. Unter dem Rohr liegt Staub. Eine Lampe an der Wand taucht den Raum in ein dämmriges Licht.

Die Leitung wirkt porös, brüchig, gezeichnet von jahrzehntelanger Nutzung. „So wie dieses Rohr schauen viele aus“, sagt Matthias Tandl. „Das zieht sich durch das ganze riesige Gebäude durch.“

Er muss es wissen. Als Betriebsstellenleiter kennt Tandl die Technik im Herschelbad, in dem er seit vielen, vielen Jahren arbeitet. Früher, erzählt er im alten Kesselraum, wurde das Wasser noch mit Kohleöfen gewärmt. Heute läuft das natürlich längst anders. Die Technik sei an manchen Stellen sogar „auf dem neuesten Stand“. Trotzdem ist das Herschelbad für Matthias Tandl „die Titanic unter den Mannheimer Hallenbädern“. Historisch, alt, schön – und längst ein Mythos.

Förderverein des Herschelbades: „Die Menschen in Mannheim sind entsetzt“

Bevor es in die Katakomben hinabging, stand Tandl mit der Vorsitzenden des Fördervereins Herschelbad, Bundestagsabgeordnete Isabel Cademartori, und Bürgermeister Ralf Eisenhauer in der Eingangshalle. Schon dort liegt er in der Luft, der unverwechselbare Duft nach Chlor. Ein Geruch, der für Schwimmbad steht – für Freizeit, Spaß, für Bewegung und Sport. In diesem Fall aber auch für Stadtgeschichte. Seit mehr als einem Jahrhundert gehört das Herschelbad zum Gesicht Mannheims. Unzählige Kinder haben hier ihre ersten Schwimmzüge gemacht, Familien gemeinsame Stunden verbracht. Ganze Generationen sind mit dem Bad groß geworden, manche kommen noch heute hierhin – und spüren den Geist, der diesen Ort ausmacht.

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Doch der steht vor einer ungewissen Zukunft. Vergangene Woche hat Oberbürgermeister Christian Specht angekündigt, das Herschelbad nicht weiter zu betreiben. Seit Jahren wurde über das Aus spekuliert, weil klar ist, dass das Bad saniert werden muss – und das viele Millionen Euro verschlingen würde. Und doch hat die Nachricht viele Menschen bewegt, ist Gesprächsthema in der Stadt. Wenn 2026 das Kombibad im Herzogenried eröffnet wird, soll in U3 sprichwörtlich das Wasser abgelassen werden.

„So wie dieses Rohr schauen viele aus“, sagt der Betriebsstellenleiter des Mannheimer Herschelbades Matthias Tandl. © Malix

„Die Menschen sind entsetzt, dass das Bad geschlossen werden soll“, sagt Cademartori, während sie vor dem großen Becken unter den Bögen im Jugendstil steht. Der für Bau und Sport zuständige Bürgermeister spricht von einem „Kulturdenkmal“, über dessen künftige Nutzung nun Verwaltung und Gemeinderat beraten müssen. „Wir haben ein hohes Interesse daran, dass das Gebäude in der Innenstadt erhalten bleibt“, sagt der SPD-Politiker. Wie dieses Konzept aber aussehen könnte, ist unklar. Spekulationen, die Stadtbibliothek könnte in das Gebäude ziehen, erteilte Oberbürgermeister Specht eine Absage. Das Bad würde sich allein architektonisch schon nicht als Bibliothek eignen.

Vor zehn Jahren hat die Stadt die Außenfassade des Herschelbades renoviert

Das Gebäude steht unter Denkmalschutz. Äußerlich scheint es beim Gang durch einen kleinen Hof in gutem Zustand zu sein. Ungefähr zehn Jahre sind vergangen, seit die Stadt die letzte größere Investition in das Herschelbad gesteckt und für rund zehn Millionen Euro den Außenbereich und Teile der Lüftungsanlage saniert hat.

Weil die chloridhaltige Luft über Jahrezehnte den Beton angegriffen hat, müssen teilweise Eisenstangen die Statik im Herschelbad stützen. © Malix

In den Katakomben aber stechen mehr Probleme als nur die porösen Leitungen ins Auge. Immer wieder geht es an Eisenstangen vorbei, die die historischen Mauern stützen. Über Jahrzehnte hat die chloridhaltige Luft dem Beton zugesetzt, erklärt Marcus Becker, Abteilungsleiter Bäder. Das sei nicht ungewöhnlich, aufgrund des Alters des Herschelbads aber dort nun mal besonders stark ausgeprägt. Modernere Bäder verfügen über vergleichsweise bessere Luftaustauschanlagen. „Damit kann man das Problem reduzieren, aber nicht vermeiden.“

Bürgermeister Eisenhauer: „Die Sanierung würde Mannheims Haushalt überfordern“

Die Statik im Herschelbad werde natürlich regelmäßig geprüft. „Das Gebäude steht sicher“, sagt Becker. In den Katakomben fallen die vielen Stützen dennoch auf. „Man muss fast im ganzen Gebäude den Beton grundlegend sanieren. Im Zusammenhang mit der bis auf Ausnahmen alten Technik und den alten Mauern trägt das zu den hohen Sanierungskosten bei.“ An den Decken sind vereinzelt Feuchtigkeitsflecken zu sehen. Immerhin: Schimmel wurde schon lange Zeit keiner mehr entdeckt.

Nicht überall veraltet: Teilweise ist die Technik im Herschelbad auf dem "neuesten Stand". © Malix

Die Bilder in diesem Teil der Katakomben sind eindrücklich. Das Gebäude ist groß, die Herausforderungen offenbar noch viel größer.

Wie hoch die Summe für die Sanierung letztlich ist, lässt sich derzeit schwer beziffern. Eisenhauer geht mindestens von einem hohen zweistelligen Millionenbetrag aus – schon eine erste Konzeption vor Jahren sei zu diesem Ergebnis gekommen. Seither haben sich die Baukosten aber nochmals dramatisch erhöht. „Die Dimension der Sanierung würde den städtischen Haushalt nicht nur aktuell, sondern auch in den kommenden Jahren überfordern“, sagt der Bürgermeister. Gleichzeitig entsteht wenige Kilometer Luftlinie entfernt das Kombibad, das mehr Wasserfläche und Nutzungsangebote bieten soll. Auch das mache den Betrieb des Herschelbads „nicht mehr erforderlich“, erklärt der Leiter des Bürgermeisterbüros, Adnan Werning.

Wohl eines der schönsten Hallenbäder Mannheims: Der Blick in die Schwimmhalle im Jugendstil. © Malix

Das Herschelbad wurde 1920 eröffnet. Der jüdische Kaufmann und Stadtrat Bernhard Herschel hatte der Stadt vor seinem Tod 1905 eine halbe Million Goldmark für die Errichtung einer „Zentral-Bade- und Schwimmanstalt, die meinen Namen tragen soll“ in den Quadraten gestiftet. Mit seinen drei Hallen gehörte das Herschelbad zeitweise zu den größten Hallenbädern Deutschlands und verfügte in den Anfangsjahren sogar über ein Wellenbad.

Förderverein kritisiert: „Dass das Bad saniert werden muss, ist keine Überraschung“

Der Sanierungsbedarf sei „enorm“ und eine „große Herausforderung“, weiß Cademartori nicht erst nach dem Rundgang. Der habe ihr aber nochmal bewusst gemacht, welche Historie das Bad hat. „Das bedeutet auch, dass es viel zu modernisieren gibt.“

Dennoch hat der Förderverein nur „bedingt Verständnis“ für die Entscheidung, das Herschelbad aufzugeben. Zwar sei die Stadt heute in einer Haushaltslage, die eine derartig teure Sanierung kaum mehr möglich macht – der Bedarf aber sei bereits seit Jahren bekannt gewesen. „Das ist keine überraschende Situation. Der Förderverein setzt sich bereits seit vielen Jahren für eine Innensanierung ein und macht darauf aufmerksam“, sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete. Werning entgegnet, dass aufgrund der hohen Investitionssummen Konzepte abgewogen wurden. „Dabei kam heraus, dass das Kombibad Herzogenried die beste Lösung ist. Das wurde deshalb als erstes angegangen.“ Die Verwaltung, erklärt Eisenhauer, habe zudem mehrere private Investoren angesprochen. „Die Erfolge sind in den Dimensionen, die es auch nur ansatzweise bräuchte, aber ausgeblieben.“

Das Mannheimer Herschelbad befindet sich am Herschelplatz in U3. © Pressefotoagentur Thomas Tröster

Cademartori und der Förderverein haben dennoch noch nicht aufgegeben. „Wir kämpfen bis zum Schluss“, sagt die Vorsitzende. Die verbleibende Zeit will der Verein nutzen, Investoren zu finden. Schließlich sei das Herschelbad nicht nur ein Ort der Erinnerungen, sondern auch einer der Begegnung, Mannheimer Identität und Teil jüdischer Stadtgeschichte. „Wir wollen nochmal aufrütteln und das Bewusstsein dafür wecken, dass es diese Perle gibt.“

Am 15. September beginnt im Herschelbad die neue Saison. Kommendes Jahr könnte es dann still werden unter den eindrucksvollen Jugendstil-Bögen. Die sind übrigens an ein paar Stellen auch schon ein wenig verfärbt. Das wäre wohl schnell ausgebessert, sagt Betriebsstellenleiter Tandl. Aber es gibt weitaus größere Baustellen. „Die Titanic unter den Hallenbädern“, seit mehr als einem Jahrhundert Teil Mannheimer Geschichte, wartet auf ein Wunder.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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