Kauffmannmühle

Bewohner nach dem Großbrand: Der Jungbusch hält zusammen

Der Brand der Kaufmannmühle hat den Jungbusch schwer getroffen. Doch die Bewohner rund um die Hafenstraße halten zusammen und helfen sich - auch wenn sie es selbst gerade nicht leicht haben. Ein Streifzug durch den Stadtteil

Von 
Jonathan Funk
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Einsatzkräfte derFeuerwehr beobachtendie Abrissarbeitender Kaufmannmühleam Montagvormittag. © Jonathan Funk

Dynamisch und hilfsbereit. So hat sich der Mannheimer Stadtteil Jungbusch am vergangenen Wochenende während des Brandes der Kaufmannmühle und danach gezeigt. Jeder hilft jedem, und alle tun, was sie können. Auch wenn sie es selbst gerade schwer haben. Viele Mannheimer haben Solidarität und Zusammenhalt in dem kleinen, aber sehr vielfältigen Stadtteil Jungbusch bewiesen, als am Freitagnachmittag das Feuer in dem leerstehenden Gebäude in der Hafenstraße ausbrach.

Hermann Rütermann ist derzeit ständig im Jungbusch unterwegs. © Jonathan Funk

Hermann Rütermann ist eigentlich auf dem Weg zu einem Termin, als er von der Autobahnbrücke zwischen Mannheim und Ludwigshafen die Rauchwolken über dem Viertel aufsteigen sieht. Als er vor seinem Laden, dem Verein Kulturbrücke, ankommt, versuchen die Einsatzkräfte gerade, das Eisentor der benachbarten Parkplatzeinfahrt aufzustemmen. Die anwesenden Nachbarn packen alle mit an. Gemeinsam schieben sie das schwere Eisentor zur Seite, so dass eines der Einsatzfahrzeuge dort hineinfahren kann. Kurz drauf beginnt der Brand, sich von den oberen Stockwerken in die darunterliegenden auszubreiten.

Fehlende Kommunikation

Sören Landmann, ein Nachbar aus dem direkten Umfeld der Brandstelle, erinnert sich: „Das ging so unglaublich schnell. Ich stand da vor dem Gebäude und habe gefilmt, wie sich das Feuer ausbreitete. In wenigen Minuten griffen die Flammen auf die anderen Stockwerke über.“

Als immer klarer wird, dass viele Menschen durch das Feuer ihre Wohnung für einen gewissen Zeitraum nicht mehr betreten können, nimmt Rütermann mit dem Quartiersmanagement Kontakt auf und setzt sich für eine Unterkunft für die Betroffenen ein. „Es müssen jetzt mal Räume zur Verfügung gestellt werden, sagte ich, dann bin ich durch den Stadtteil gelaufen und habe vielen der direkten Nachbarn gesagt: Geht ins Laboratorio 17“, denn die Jungbusch-Sporthalle war noch nicht vorbereitet, um Betroffene aufzunehmen. „Im Grunde hat hier jemand gefehlt. Jemand mit einer Weste, jemand, der kommuniziert. Von Polizei oder Feuerwehr.“

Frank Degner von Zeitraumexit in der momentan einzig begehbaren Hofeinfahrt. © Jonathan Funk

Während der letzten Tage ist Rütermann ständig im Stadtteil unterwegs. Immer zwischen Tür und Angel, auf dem Weg, um etwas zu erledigen, etwas zu vermitteln oder um jemandem zu helfen. Egal, ob es um Logistik, Raumvermittlung, Sprachbarrieren oder Kontakte zur Lokalpolitik geht - Rütermann ist präsent und bringt sich für den Stadtteil ein. Wann er seine Räume der Kulturbrücken wieder nutzen kann, ist noch unklar. Sie sind immerhin unbeschädigt davongekommen.

Ständig im Stadtteil unterwegs

Frank Degler vom Zeitraumexit steht vor der Jungbusch-Sporthalle, in der am Wochenende die Notunterkünfte eingerichtet wurden. „Das zentrale Problem ist, dass wir gerade nicht hinkönnen, nicht rein können, dass wir leider keine Ahnung haben, wie die Gebäude von innen aussehen.“ Auch er und sein Team werden mit vielen Hilfsangeboten unterstützt. „Wir haben nette Angebote aus der Szene bekommen, für Coworking-Projekte.“

Schwer getroffen hat es das Team von Basementbikes, der alternativen Fahrradwerkstatt direkt hinter dem ehemaligen Kornspeicher. Arne Große Hülsewiesche berichtet vor Ort: „Der Funkenflug der Kaufmannmühle hat auf unserem Dach die Dämmung und die Dachbalken entzündet. Die Feuerwehr hat daraufhin von einer Dachterrasse aus begonnen, die Ziegel zu öffnen und Wasser auf die Glut zu geben. Mit einer Wärmebildkamera haben sie unterm Dach weitere Glutnester entdeckt und mussten dann die Decke aufreißen, um noch mehr Wasser hineinzuspritzen.“ Nun dürfen Arne, Manuel, Hannes und Nico ihre Werkstatt nicht mehr betreten - sie ist zu nah an der Mühle, die immer noch als einsturzgefährdet eingeschätzt wird.

Erst wenn Treppenhaus und Fahrstuhlschacht der Mühle abgerissen seien, könne man den Ort wieder betreten, teilte der Referent des Ersten Bürgermeisters dem Team mit. Wann dies ungefähr der Fall sein könnte, sei aber noch unklar.

Das Team von Basement Bikes (v.l.): Arne Große Hülsewiesche, Manuel Wilke, Hannes Stockmar, Nico Netzer. © Jonathan Funk

„Wir haben wirklich nette Möglichkeiten angeboten bekommen, von Freunden und Bekannten. Orte, an denen wir übergangsweise schrauben und arbeiten könnten. Aber natürlich wollen wir uns an den Wiederaufbau unseres Hofs machen“, erzählt Arne. „Ausstellungsraum und Lager sind wahrscheinlich komplett geflutet. Die Hauptsaison steht an, und wir haben Ketten und Material im Wert von Tausenden Euro gelagert, die nun vor sich hin rosten“, sorgt sich Arne.

Die Ruine der Kaufmannmühlevon einem benachbarten Dach:Die Abrissarbeiten laufenauf Hochtouren. © Jonathan Funk

Zum geschäftlichen Schaden kommt noch das Schicksal von Nico Netzer hinzu, der durch den Brand seine Wohnung verloren hat. Der Gründer der Werkstatt lebt im Hof über der Werkstatt und hat dort in den vergangenen Jahren einen Ort geschaffen, der viel mehr als nur eine Fahrradwerkstatt ist: ein Raum für Kreativität und Entfaltung, Austausch und zum Zusammenkommen im Stadtteil. Seine Wohnung ist jetzt bis auf Weiteres unbewohnbar.

Die vier jungen Männer haben schon am Freitagabend viel Solidarität und Unterstützung aus der Bevölkerung erfahren. „Als hier noch alles gebrannt hat, sind schon viele Leute auf uns zugekommen. Leute, die teilweise auch in der Notunterkunft der Jungbuschhalle untergekommen waren und uns gefragt haben, ob sie uns irgendwie helfen können.“ Weiter erzählt er: „Über Social Media haben wir super viele Hilfeangebote und Solidarität erfahren. Befreundete Gastronomen wie die Kombüse haben für uns Solidrinks ausgeschenkt. Ich glaube, solche Aktionen machen den Jungbusch aus.“ Was sich das Team der Fahrradwerkstatt für die kommenden Wochen wünscht, ist vor allem eine gute Verständigung mit den Behörden und Verantwortlichen, die in den Abriss der Kaufmannmühle eingebunden sind.

Nico Netzer, einerder Gründer der Fahrradwerkstatt Basement Bikes © Jonathan Funk

Vernetzung und Austausch wichtig

Nicht nur die Vernetzung zwischen den Behörden und den Bürgern sei wichtig. Auch der Austausch unter den Menschen im Stadtteil selbst, findet Rütermann. Deshalb initiiert er am Sonntag, 12. Februar, in seinen Räumlichkeiten der Kulturbrücken ein Nachbarschaftstreffen. „Wir freuen uns, mit Nachbarn aus der Böck-, Hafen- und Werftstraße zusammen einen Nachmittag zu verbringen“, sagt Rütermann.

Die meisten Geschichten, die es in den letzten Tagen zu hören oder zu erleben gibt, beinhalten viele warmherzige Momente. Situationen, in denen einmal mehr deutlich wird, dass der kleine, multikulturelle Kosmos des Jungbusch in Mannheim ein besonderer ist. Egal, woher die Menschen kommen, egal, was sie hier tun, jeder greift hier dem anderen unter die Arme und zeigt sich hilfsbereit.

Und wenn es einmal an unkomplizierter, schneller Hilfe mangelt - dann kommt vielleicht Hermann Rütermann vorbei und regelt das.

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