Prozess

Betrug während Flüchtlingskrise: Landgericht Mannheim verhängt Haftstrafe

53-Jähriger wegen Betrugs mit Containern und Zäunen für Flüchtlingsunterkünfte zu zwei Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt. Warum auch ein spätes Geständnis nicht half

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Das Landgericht verhängte eine Gefängnisstrafe von zwei Jahren und neun Monaten gegen einen 53-Jährigen wegen Betrugs mit Containern und Zäunen für Flüchtlingsunterkünfte, hier die Erstaufnahmeeinrichtung in Franklin 2015. © Markus Prosswitz

Mannheim. Beim Prozessauftakt bezeichnet sich der Angeklagte noch als unschuldig, ja als „Opfer“. Die zunächst bestrittenen Taten rund um betrügerisch in Rechnung gestellte Hygiene-Container und Zäune für Erstaufnahmelager während des Flüchtlingsansturms 2015 und 2016 räumt er freilich angesichts immens belastender Zeugenaussagen am dritten Verhandlungstag dann doch ein. Das späte Geständnis bewirkt aber nicht die erhoffte Bewährungsstrafe.

Das Mannheimer Landgericht verhängt eine Gefängnisstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. Allerdings gelten aufgrund der überlangen Verfahrensdauer elf Monate als bereits verbüßt. Bei der mündlichen Urteilsbegründung legt die 22. Strafkammer dem 53-Jährigen „hohe kriminelle Energie“ gepaart mit „Dreistigkeit“ zur Last.

Prozess um Betrug mit Containern an Flüchtlingsunterkünften: Drei Jahre Haft gefordert

Eigentlich ist das Verfahren bis Mitte Mai terminiert. Nach dem Geständnis sind freilich einige der noch ausstehenden Zeugenbefragungen nicht mehr notwendig. Und so beginnt der vierte Verhandlungstag mit den Schlussvorträgen. Staatsanwältin Micha sieht die Vorwürfe der Anklage auch durch die Beweisaufnahme vollumfänglich bestätigt.

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Sie wirft dem einst neben einer festen Anstellung frei schaffenden Anbieter von Bauservice vor, die Herausforderungen beim schnellen wie unbürokratischen Errichten von Flüchtlingsunterkünften in Mannheim wie Heidelberg zur persönlichen Bereicherung missbraucht zu haben. In ihrem Plädoyer geht es noch einmal darum, wie Container und Absperrzäune, die dem Unternehmer gar nicht gehörten, an das Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe vermietet beziehungsweise als Eigentum reklamiert wurden - und dies mittels gefälschter Dokumente nebst digital manipulierter Fotos.

Die Staatsanwältin hält drei schwere Betrugsfälle für erwiesen und fordert - auch mit Blick auf gleich gelagerte Vorstrafen, die „nicht als Warnung dienten“ - eine Haftstrafe von drei Jahren, von denen sechs Monate aufgrund der langen Verfahrensdauer als vollstreckt gelten sollen.

Richter bewertet Geständnis als "taktisch"

Verteidiger Holger Rapp stellt bei seinen Ausführungen in den Mittelpunkt, dass zwischen den Taten, nämlich 2015 und 2016, und der Verurteilung eine „extrem lange“ Zeitspanne liegt, in der sein Mandant das Leben „neu geordnet“ habe, was eine „günstige Sozialprognose“ signalisiere. Als Argument für eine bewährungsfähige Strafe führt der Anwalt außerdem die zwischenzeitlich bei dem Mittfünfziger ausgebrochene chronische Erkrankung Multiple Sklerose an: „In der Haft wären die Behandlungsmöglichkeiten sicherlich deutlich schlechter.“ Der Angeklagte bittet in seinem „letzten Wort“ um eine Bewährungsstrafe, die ermögliche, „endlich einen Schlussstrich unter mein altes Leben zu ziehen“.

Als nach einer Beratungspause der Kammervorsitzende Andreas Lindenthal das Urteil verkündet, findet dieser in der mündlichen Begründung deutliche Worte. In seiner langen Zeit als Strafrichter sei ihm schon so manches aufgetischt worden, aber die Lügenkonstrukte des Angeklagten rund um selbst hergestellte Lieferscheine, frei erfundene Rechnungen und manipulierte Fotos hätten im Gerichtssaal vorgetragenen Fantasiegeschichten „die Krone aufgesetzt“.

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Als „taktisches Geständnis“ werte die Kammer, so der Vorsitzende, das späte Einräumen der betrügerischen Taten mit einer Schadenssumme von um die 280 000 Euro. Bis weit in die Beweisaufnahme hinein habe der Schreiner „mit Hartnäckigkeit“ an seinen Lügen festgehalten. Zum Umdenken habe er sich wohl erst gezwungen gesehen, als jeder einzelne Zeuge die falschen Behauptungen des Angeklagten „ungespitzt in den Boden rammte“, wie es Lindenthal formuliert.

Für Lug und Trug spreche außerdem, dass der Ex-Unternehmer zu Beginn der Ermittlungen, nämlich bei der Hausdurchsuchung, noch angab, Container wie Zäune lediglich vermittelt zu haben, erst später Käufe direkt bei Herstellern vorgaukelte und schließlich „den ominösen Polen“ ins Spiel brachte. Bis zu seinem Geständnis hat der Geschäftsmann wortreich geschildert, wie er Hygienegroßbehälter und Absperrungen über Ebay-Kleinanzeigen angeblich gebraucht in Osteuropa erwarb und zu den Eingängen der Flüchtlingsunterkünfte auf Konversionsflächen transportieren ließ - gegen jeweilige Zahlung bar auf die Hand bei Anlieferung.

Mahnforderungen sieht das Gericht als besonders "dreist" an 

Als besonders „dreist“ sieht die Kammer, dass der Unternehmer noch 2022 für „frei erfundene Forderungen“ einen Mahnbescheid an das RP schickte, um an Geld zu kommen.

In seinen Ausführungen erklärt der Vorsitzende Richter, dass die verhängte Gefängnisstrafe mit Blick auf die Erkrankung des Angeklagten „der Kammer leid tut“. Möglicherweise hätte ein von Reue geprägtes Geständnis in der Einlassung am ersten Prozesstag zu anderen Überlegungen bei der Urteilsfindung geführt.

Weil ein Angeklagter das Recht auf eine zeitnahe Klärung von Vorwürfen hat und die Anklage bereits 2017 zugestellt wurde, aber das Verfahren jahrelang bei einer vorherigen Kammer wegen Überbelastung unbearbeitet liegen blieb, habe man die gewährte Vollstreckung im Sinne einer Entschädigung „großzügig“ bemessen - mit elf Monaten. Dies bedeutet: Bei der verhängten Strafe in Höhe von zwei Jahren und neun Monaten gilt ein knappes Jahr als verbüßt. Unabhängig davon muss der einstige Unternehmer und geschiedene Vater von drei Kindern aufgrund des Schuldspruchs die Kosten des Verfahrens tragen.

Freie Autorin

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