Mannheim. „Papier ist geduldig“, weiß der Volksmund. Eine Erkenntnis, die auch für elektronisch übermittelte Schriftstücke gilt. Im Prozess vor dem Landgericht um Vorwürfe in Zusammenhang mit betrügerisch in Rechnung gestellten Sanitärcontainern und Absperrzäunen für Aufnahmelager in Mannheim und Heidelberg während des Ansturms von Flüchtlingen 2015 und 2016 spielt das Überprüfen von Schriftverkehr, Skizzen und Fotos auf mögliche Manipulation eine wichtige Rolle.
Dass sich die 22. Strafkammer damit intensiv auseinandersetzt, hat auch mit der Vorgeschichte des Angeklagten zu tun: In einem früheren Verfahren stellte sich heraus, dass der inzwischen 53-jährige beim Abwickeln von Bauschäden in einer Ferienkolonie Rechnungen betrügerisch gefälscht hat. Außerdem manipulierte der gelernte Schreiner, der neben einer festen Anstellung frei schaffend Bauleistungen anbot, eine Urkunde, die ihn als „Diplom Ingenieur“ auswies - obwohl er an der TU Darmstadt nie einen solchen Studienabschluss erreicht hat.
Der Geschäftsmann habe „unglaublich seriös gewirkt“ und obendrein alle wichtige Daten wie Typennummern parat gehabt, schildert ein Verwaltungsangestellter des Regierungspräsidiums (RP) Karlsruhe, wie es dazu kam, dass der Angeklagte beispielsweise in der Flüchtlingsunterkunft auf dem Konversionsareal Funari drei Container als Eigentum beanspruchen und wieder abholen lassen konnte - obwohl die mobilen Sanitär-Einrichtungen, wie sich später offenbarte, dem RP gehörten.
Einstiger Gebäudemanager veranschaulicht unübersichtliche Situation
Nicht nur dieser Zeuge blickt auf „eine turbulente Zeit“ zurück, als es während der Flüchtlingskrise galt, Aufnahmelager schnell und unbürokratisch aus dem Boden zu stampfen: „Ich habe morgens um sieben angefangen und war häufig erst um elf Uhr abends wieder daheim.“ Angesichts von teilweise zehn Kilometer langen Geländeabsperrungen sei es „schwierig“ gewesen, immer zu wissen, welche (Miet-)Zäune genau von wem stammten, veranschaulicht der einstige Gebäudemanager die damalige Situation mit viel Wirrwarr.
Es waren keine Kaufbelege oder Lieferscheine für Zäune oder Container auffindbar.
Bei der Beweisaufnahme gilt es jenen Schriftverkehr zwischen dem Mannheimer Unternehmer und dem RP Karlsruhe einzuordnen, mit dem der Angeklagte belegen will, dass er in Rechnung gestellte Ausstattung tatsächlich besessen habe. Auf ein solches aus den Akten vorgelegtes Dokument reagiert der Zeuge: „Im Lebtag ist das Schreiben nicht von mir“ - auch wenn sein offizieller RP-Briefkopf darauf zu sehen sei.
Geladen hat das Gericht auch den einstigen Ermittler. Bei der Hausdurchsuchung, berichtet dieser, habe der Unternehmer noch angegeben, Container wie Bauzäune lediglich ans Regierungspräsidium vermittelt zu haben. Auf Nachfragen des Kammervorsitzenden Andreas Lindenthal erklärt der Zeuge: „Es waren keine Kaufbelege oder Lieferscheine für Zäune oder Container auffindbar.“
Der Angeklagte behauptet, bei einer polnischen Firma gebrauchte Sanitär-Großbehälter wie Absperrelemente geordert zu haben. Die direkt zu den Flüchtlingsunterkünften transportierten Lieferungen seien von ihm jeweils bar auf die Hand bezahlt worden. Wie der Ermittler ausführt, gelang es, mit der Firma in Warschau Kontakt aufzunehmen - diese habe eine Geschäftsbeziehung mit dem Angeklagten verneint.
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