Bestechungsverdacht im Bauamt - Frauen und Männer aus U-Haft entlassen / Sachbearbeiterin hat umfassend ausgesagt / Ging es um Immobilien in der Lupinenstraße?

Bestechungsverdacht im Mannheimer Bauamt: Kontakt ins Rotlichtmilieu

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Angela Boll
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„Sehr umfangreich“ seien die Ermittlungen beim Bestechungsverdacht im Bauamt, sagt der Oberstaatsanwalt. © dpa

Mannheim. Im mutmaßlichen Bestechungsfall im Mannheimer Bauamt sind mittlerweile alle Verdächtigen wieder auf freiem Fuß. Eine 48-jährige Sachbearbeiterin aus dem Fachbereich 60 „Baurecht, Bauverwaltung, Denkmalschutz“ sowie zwei Männer im Alter von 41 und heute 29 Jahren waren im März festgenommen worden. Die 48-jährige Mitarbeiterin des Bauamts hat in mehreren Vernehmungen die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft teilweise eingeräumt.

Die Polizei war bei verdeckten Ermittlungen im Bereich Drogen/Organisierte Kriminalität in den Jahren 2019 und 2020 auf den Bestechungsverdacht im Bauamt gestoßen. Nach ihren Erkenntnissen soll die Sachbearbeiterin gegen Geschenke und Bargeld nicht-öffentliche Informationen aus der Behörde an die Männer weitergegeben und in einem Fall unrechtmäßig eine Baugenehmigung erteilt haben. Die verdächtigen Männer verkehren im Rotlichtmilieu und sollen sich mit Immobilien in der Lupinenstraße beschäftigt haben. Die Verteidiger der beiden Mannheimer wollen auf Anfrage der Redaktion zum aktuellen Stand der Ermittlungen keine Angaben machen.

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Die Rechtsanwälte Jörg Becker und Steffen Lindberg vertreten in dem Verfahren die Sachbearbeiterin des Bauamts. Zum Inhalt der Vernehmungen und dazu, welche Vorwürfe ihre Mandantin gestanden hat, wollen sie sich nicht äußern. „Richtig ist“, so viel bestätigt Lindberg, „dass zahlreiche umfangreiche Vernehmungen stattgefunden haben und sich unsere Mandantin umfassend geäußert hat.“ Die Staatsanwaltschaft wirft der 48-Jährigen Bestechlichkeit vor. In einer Pressemitteilung der Behörde im März stand, dass die Sachbearbeiterin Geld und Geschenke angenommen haben soll, darunter beispielsweise ein Motorrad.

Konkret zu diesem Vorwurf lehnt Lindberg eine Stellungnahme ab. Auch auf die Frage, ob es bei der unrechtmäßigen Baugenehmigung, die von der Sachbearbeiterin erteilt worden sein soll, um Immobilien in der Lupinenstraße geht, will der Verteidiger nicht antworten. Seiner Mandantin sei von der Stadt fristlos gekündigt worden, bestätigt er, nun stehe sie „vor den Trümmern ihrer Existenz“. Hatte niemand aus dem Kollegenkreis mitbekommen, dass die Frau einen intensiven privaten Kontakt zu den Männern aus dem Rotlichtmilieu pflegte, der über eine geschäftliche Beziehung hinaus ging? „Zum aktuellen Zeitpunkt, kann und möchte ich auch diese Frage nicht beantworten“, so Lindberg, „aber dieser Komplex könnte bei einer Hauptverhandlung noch eine Rolle spielen“, kündigt er an.

Abschlussbericht Ende des Jahres

Oberstaatsanwalt Jochen Seiler hat die Ermittlungen zu dem Fall übernommen. Weil immer noch Zeugen vernommen und technische Geräte ausgewertet werden, liege ihm noch kein Abschlussbericht vor. „Die Ermittlungen sind sehr umfangreich“, erklärt er. Er rechne mit einem Verfahrensabschluss erst gegen Ende des Jahres. Die Verdächtigen seien aus der Haft entlassen worden, nicht etwa weil die Vorwürfe fallen gelassen worden seien, sondern weil zum einen keine Verdunklungsgefahr mehr bestehe, und zum anderen der Fluchtgefahr mit Auflagen entgegnet worden sei.

Der Vorwurf der Bestechlichkeit ist im Strafgesetzbuch ab Paragraf 332 geregelt. Schon das Versprechen, sich rechtswidrig zu verhalten, reicht aus, um sich strafbar zu machen. Weil die Verdächtigen banden- und gewerbsmäßig ihre Ziele verfolgt haben sollen, stehen bei einer möglichen Hauptverhandlung am Landgericht Strafen zwischen einem und zehn Jahren im Raum. Auf Anfrage dieser Redaktion macht Staatsanwalt Seiler auch Angaben zu dem Verhältnis zwischen der Frau einem der Männer. „Es gab eine Zuneigung zu dem jüngeren Verdächtigen, das war aber wohl eine einseitige Angelegenheit“, so Seiler. Zu der Frage, ob weitere Mitarbeitende der Stadt von den Vorfällen im Bauamt wussten, will er sich bedeckt halten, er gibt den Hinweis, dass die Ermittlungen noch andauern.

Die Stadt hatte nach Bekanntwerden der Ermittlungen eine Arbeitsgruppe aus Mitarbeitern des betroffenen Fachbereichs sowie aus dem Fachbereich Organisation und Personal gebildet, um die Vorgänge zu überprüfen. Daraufhin seien einige Veränderungen veranlasst worden, erklärt Pressesprecherin Corinna Hiss: „Sämtliche Maßnahmen im Bereich der Problemimmobilien werden künftig durch mindestens zwei Mitarbeitende betreut. Auch Begehungen in diesem Bereich werden nicht mehr nur von einer Person durchgeführt.“ Zudem erhielten die Mitarbeitenden der Sachgebiete eine Korruptionsschulung, die jährlich wiederholt werde. Und noch etwas soll sich im Bauamt manifestieren: „Künftig soll ein rollierendes System bei der Baurechtsverwaltung dafür sorgen, dass intern bei einem Vorgang mehrere Personen aus unterschiedlichen Sachgebieten involviert sind.“ Derzeit suche die Stadt nach einem Compliance-Beauftragten, die Stelle sei ausgeschrieben, das Auswahlverfahren laufe.

Neue Abläufe bei der Stadt

Aber wie sind vor den Ermittlungen Bestechungsversuche verhindert worden? Hiss klärt auf: „Vor Dienstantritt muss jeder Mitarbeitende eine Belehrung zur Geschäftsanweisung Korruptionsprävention unterschreiben.“ In Zweifelsfällen müsse die Führungskraft hinzugezogen werden. Letzteres sei im aktuellen Fall aber nicht passiert, betont Hiss. Ein spezielles Kontrollorgan gab es im Bauamt offenbar nicht. Bei der Frage, ob noch weitere Mitarbeitende in den Fall verwickelt seien, die möglicherweise von den Vorgängen gewusst haben könnten, verweist die Pressesprecherin auf die laufenden Ermittlungen und deren noch ausstehende Ergebnisse.

Die beiden verdächtigen Männer sollen nach Recherchen dieser Redaktion Ideen zur Umgestaltung der Lupinenstraße gehabt haben. Der Stadt würden derzeit keine derartigen Pläne vorliegen, sagt Hiss dazu. Grundsätzlich sei es der Stadt ein Anliegen, die Neckarstadt-West familienfreundlicher zu gestalten.

Bei dem Polizeieinsatz im März waren mehr als 250 Beamte in Einsatz gewesen, 44 Immobilien – überwiegend in der Lupinenstraße – waren durchsucht worden.

Redaktion Lokalredakteurin, Gerichtsreporterin, Crime-Podcast "Verbrechen im Quadrat"

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