Vor Prozessstart

Amokfahrt in Mannheim: Das sagen Betroffene und Mannheimer heute

Acht Monate nach der Amokfahrt teilen Mannheimerinnen und Mannheimer ihre Erinnerungen, Ängste und Hoffnungen – und diskutieren über den Prozessauftakt.

Von 
Christian Gerards
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„So etwas vergisst man nicht“, sagt Hans-Peter Heeg von Bücher Bender. © Gerards

Mannheim. Es sind verstörende Bilder gewesen, die am 3. März dieses Jahres aus Mannheim um die Welt gegangen sind. Alexander S. hatte sich in seinen Kleinwagen gesetzt und war zur Mittagszeit die Planken vom Wasserturm in Richtung Paradeplatz hochgerast. Zwei Menschen verloren bei der Amokfahrt ihr Leben, 14 Personen wurden zum Teil schwer verletzt. An diesem Freitag beginnt der Prozess gegen den zum Tatzeitpunkt 40-jährigen Deutschen. Wie denken die Mannheimer fast acht Monate nach der Irrsinnstat über das Geschehene?

Damals wurde er über die Warnapp informiert: Philipp Matern. © Gerards

„Ich war damals zu Hause im Lindenhof und habe es über die Warnapp mitbekommen“, erinnert sich Philipp Matern. Gleichzeitig hätten Freuden ihn angeschrieben, wo er gerade sei: „Wenn ich das erzähle, dann bekomme ich Gänsehaut“, betont er. Es sei zunächst alles ungewiss gewesen, da es keine Informationen gegeben habe. Sorgen habe er nun aber keine, wenn er auf den Planken sei: „Das kann immer passieren, aber ich lasse mich davon nicht beeinträchtigen.“

Gänsehaut bei Erinnerungen an Ereignisse vom März

Lidia Siebert geht die Amokfahrt nicht aus dem Kopf. „Ich habe schon Angst, hier zu laufen“, sagt sie. Früher sei sie häufig in der Stadt gewesen. Das habe sich geändert. „Ich habe die Amokfahrt nicht direkt miterlebt. Ich war mit meinem Fahrrad an der Bahnhaltestelle an der Abendakademie und wollte auf die Planken“, blickt sie zurück. Genau zu diesem Zeitpunkt habe ihr Handy die Warnung vor der Amokfahrt angezeigt. Sie habe daraufhin ihre Pläne geändert und sei mit der Bahn nach Hause gefahren. „Die Bahn hat bis zur Uniklinik keinen Halt gemacht.“ Auch sie betont, dass sie bei den Erinnerungen an die Ereignisse vom März Gänsehaut bekomme. Den Prozess werde sie nicht dezidiert verfolgen.

Hat heute noch Angst: Lidia Siebert. © Gerards

Anders hört es sich bei Lutz Pauels an, Vorsitzender der Mannheimer Werbegemeinschaft: „Bei den Einzelhändlern ist die Amokfahrt kein starkes Thema mehr, auch wenn es natürlich noch da ist. Das wird inzwischen durch so viele andere Ereignisse überlagert“, betont er und nennt dabei etwa die Palästina-Demos, die den Händlern wegen des aggressiven Tons und ihrer Vielzahl zusetzen würden. Die Amokfahrt hätte kurzzeitig zu einem Besucherrückgang in der Innenstadt geführt, aber das habe sich wieder geändert: „Vergessen ist die Amokfahrt nicht, aber deswegen kommen nicht weniger Menschen nach Mannheim.“ Er glaube nicht, dass sich das durch den Prozessauftakt ändert: „Es wird aber sicherlich noch einmal einen Moment der Erinnerung geben.“

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Eine gute Freundin war zum Zeitpunkt der Amokfahrt auf den Planken: Christine Weis. © Gerards

Eine gute Freundin sei mit ihrer Tochter auf den Planken gewesen, als Alexander S. durch die Fußgängerzone raste: „Die sind dem Ganzen knapp entgangen“, sagt Christine Weis. Mannheim sei ihre Heimatstadt. Sie sei hier groß geworden und habe hier viele Jahre gelebt – inzwischen lebe sie woanders. „Das war immer meine Stadt.“ Sie habe im Radio gehört, dass am Freitag Prozessauftakt sei: „Das werde ich auf jeden Fall verfolgen. Es trifft ja nicht nur Mannheim, sondern hat inzwischen viele deutsche Städte getroffen. Das macht einem wirklich Angst.“ Das Sicherheitsgefühl sei ein anderes geworden. „Früher ist man unbeschwerter bummeln gegangen. Ich komme nicht mehr so häufig nach Mannheim wie früher. Es hat sich einfach etwas verändert.“

Wieder zum Alltag übergehen, aber auch das Thema ernstnehmen

Die Amokfahrt ist auch bei Hans-Peter Heeg, Geschäftsführer von Bücher Bender in Q4, noch im Hinterkopf: „So etwas vergisst man nicht.“ Er habe die Amokfahrt aufgrund der Lage in der Nebenstraße zu den Planken nicht direkt mitbekommen, aber die Auswirkungen sofort gespürt: „Wir hatten zwei Jungs, die wir hier eine halbe Stunde betreut haben, und einen Familienvater, dessen restliche Familie in einem Modegeschäft aus Schutz eine Zeitlang eingeschlossen worden war“, berichtet er. Man müsse aber irgendwann wieder zum Alltag übergehen. Von daher bestätigt er den Eindruck von Pauels. „Man muss das aber ernst nehmen, und das ist ein ganz wichtiges Thema. Wenn man darüber einen Bericht liest, dann ist das schnell wieder präsent“, sagt Heeg.

Will den Prozess verfolgen: Kurt Walz. © Gerards

Seine Gedanken zu der Amokfahrt seien „miserabel“, betont Kurt Walz aus der Gartenstadt. Die Amokfahrt habe auch bei ihm länger nachgehallt, zumal sein Neffe und auch ein Nachbar Polizisten seien. Auch er habe mitbekommen, dass der Prozess gegen Alexander S. eröffnet wird und werde den Prozessverlauf verfolgen. Er mache sich keine Sorgen vor einer weiteren Amokfahrt, wenn er über die Planken geht: „Wenn es sein soll, dann ist es so.“

In Heidelberg hat Thomas-Armin Mathes, einer der beiden Geschäftsführer von TOM|CO Friseure in Q4, den 3. März erlebt – und er war doch gedanklich voll im Geschehen: „Natürlich wollte ich sofort nach Mannheim in den Salon fahren. Aber das ging nicht, weil alles hermetisch abgeriegelt war.“ Daher habe er die Informationen aus dem Firmenchat mit seriösen Informationen abgeglichen: „Meine Hauptaufgabe war es dann, den Chatverlauf sauber zu halten – das klingt komisch, aber bewusst zu zensieren.“ Jede Information, die sich nicht verifizieren ließ, habe er gelöscht, weil gerade Leute aus dem rechten politischen Spektrum schnell versucht hätten, die Amokfahrt zu instrumentalisieren. „Ich möchte mir meine Unbeschwertheit nicht nehmen lassen, durch die Fußgängerzone zu gehen – ehrlich gesagt habe ich keine andere Wahl, weil ich in Heidelberg in der Fußgängerzone wohne“, betont er.

Will sich seine Unbeschwertheit nicht nehmen lassen: Thomas-Armin Mathes von TOM|CO Friseure in Q4. © Gerards

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