Mannheim. Eine Gedenktafel auf einer Bank auf dem Paradeplatz in der Mannheimer Innenstadt erinnert bis heute an die Amokfahrt vom Rosenmontag, bei der zwei Menschen getötet und 14 Menschen zum Teil schwer verletzt wurden. Ansonsten hält auf den Planken – zumindest optisch – nichts mehr die Erinnerung an die Tat von Alexander S. wach. Neben der Gedenktafel liegen kurz vor dem Prozessauftakt gegen den damals 40-jährigen Deutschen zwei Blumen und eine Kerze.
Gedenktafel für Opfer der Amokfahrt auf Paradeplatz in Mannheim
Der Text auf der Gedenktafel ist schlicht gehalten, so wie auch die Tafel selbst. „Am Montag, 3. März, sind in der Mannheimer Innenstadt zwei Menschen von einem Autofahrer getötet und mehrere zum Teil schwer verletzt worden. Die Stadt Mannheim möchte allen Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, an dieser Stelle Blumen und Kerzen als Zeichen der Trauer und Anteilnahme niederzulegen. Aus Gründen des ehrenden Andenkens an die Opfer bitten wir, von politischen Bekundungen abzusehen. Mannheim hält zusammen!“, ist darauf zu lesen. Der Zahn der Zeit nagt schon an der Gedenktafel – was schon darauf hindeutet, dass sie nur temporär aufgestellt worden ist.
Das bestätigt auch Stadtsprecher Dirk Schuhmann auf Nachfrage des „Mannheimer Morgen“: „Nach der Todesfahrt hat die Bevölkerung an verschiedenen Orten damit begonnen, Blumen und Kerzen niederzulegen. Die Stadt hat daraufhin einen temporären Gedenkort am Paradeplatz geschaffen und zugesagt, ihn so lange zu erhalten, wie erkennbar ist, dass Bürgerinnen und Bürger das Bedürfnis nach einem solchen Ort zur Erinnerung an die Todesfahrt haben.“ Das sei laut der Stadt aber kaum noch der Fall. Denn: „Inzwischen werden dort keine Blumen oder Kerzen mehr abgestellt“, betont Schuhmann.
Stadt richtet nach Amokfahrt Hilfsfonds ein und sorgt für Hilfsangebote und Beratungsmöglichkeiten
Direkt nach der Todesfahrt wurde im Rathaus ein Kondolenzbuch für die Opfer der Amokfahrt ausgelegt. Darin schrieben mehr als hundert Bürgerinnen und Bürger auf mehr als 40 Seiten ihre Gedanken nieder – „teils mit längeren Texten, teils einfach mit ihrem Namen oder ihrer Unterschrift“, wie Schuhmann informiert. Zudem hätte die Stadt einen Hilfsfonds zur Unterstützung der Opfer der Todesfahrt und für die Arbeit der Notfallseelsorge eingerichtet – rund 9.000 Euro an Spenden seien dafür aus der Bevölkerung eingegangen. „Dieser Hilfsfonds hat für Verletzte, Hinterbliebene oder Traumatisierte nachvollziehbare Ausgaben im Zusammenhang mit der Todesfahrt übernommen, wenn diese nicht durch andere Hilfssysteme gedeckt waren. Die Mittel konnten mittlerweile fast vollständig für Bedarfe der Opfer ausgegeben werden“, sagt Schuhmann.
Der Stadt sei es wichtig gewesen, den Trauernden im Rahmen ihrer Möglichkeiten zur Seite zu stehen, damit sie das Ereignis verarbeiten und sich möglichst vollständig erholen konnten. Eine direkte Kontaktaufnahme sei aus Datenschutzgründen nicht möglich gewesen. Diese lief daher über den Opferbeauftragten der Landesregierung Baden-Württemberg. Oberbürgermeister Christian Specht habe sich immer wieder über den Zustand der Verletzten informieren lassen. Das letzte Opfer der Amokfahrt von Alexander S. konnte erst Mitte April das Krankenhaus wieder verlassen.
Mitte Mai lud Specht gemeinsam mit dem Opferbeauftragten 300 Betroffene zu einer Nachsorge-Informationsveranstaltung in das Stadthaus N1 ein. Mit dabei war etwa neben der Notfallseelsorge auch die Kriminalitätsopferhilfe Weißer Ring für die persönliche Beratung und Begleitung sowie für Informationen für die individuelle praktische Hilfe. „Außerdem haben Fallmanager des Versorgungsamts über staatliche Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch informiert, während die Behandlungsinitiative Opferschutz zu Leistungen der Traumaambulanzen und psychotherapeutischen Hilfen beraten hat“, zeigt Schuhmann die Dimension auf, die die Amokfahrt für die Betroffenen bis heute hat. Ein spezialisierter Rechtsanwalt habe auch über rechtliche Fragestellungen, auch zu Möglichkeiten der Nebenklage, und die PräventSozial gGmbH über Möglichkeiten zur Zeugen- und psychosozialen Prozessbegleitung informiert.
Videoschutz soll nach Mannheimer Amokfahrt ausgeweitet werden
Auch die Stadt Mannheim hat sich nach der Amokfahrt Gedanken darüber gemacht, wie man den Menschen mehr Schutz vor einer weiteren solchen Tat bieten kann. Herausgekommen ist ein Maßnahmenpaket, das auch etwa die Ausweitung des Videoschutzes und die Überprüfung der Ausstattung des städtischen Ordnungsdienstes beinhaltet. Der Fachbereich Sicherheit und Ordnung habe zudem gemeinsam mit der Polizei alle größeren Veranstaltungen in Mannheim nach einschlägigen Kriterien für die Gefahrenprognose im Anschluss an die Tat erneut bewertet. „Hierzu wurden die Veranstaltungen mittels einer Matrix bewertet und ein Gefahrenprofil erstellt“, erklärt Schuhmann das Vorgehen, wonach die Schutzmaßnahmen getroffen werden.
Von dem Prozess gegen Alexander S. erhofft sich die Stadt eine Aufarbeitung des Ablaufs und der Hintergründe der Amokfahrt. „Möglicherweise wird dabei auch ein mögliches Motiv des Angeklagten für seine sinnlose Tat bekannt“, betont Schuhmann. Auch wenn viele Menschen durch den Prozess und die damit verbundene öffentliche Berichterstattung die grausame Tat erneut durchleben müssten, bleibe zu hoffen, „dass die juristische Aufarbeitung dazu beitragen wird, den Hinterbliebenen, Verletzten und Traumatisierten die Verarbeitung ihrer schrecklichen Erlebnisse zu ermöglichen“.
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