Wohltätigkeitsaktion

Amalie: Handtaschenaktion in Mannheim zu Gunsten von Frauen in Not

Eine schöne Handtasche kaufen und damit Gutes tun - das ist bei der Handtaschenaktion der Diakonie-Beratungsstelle Amalie und dem Deutschen Frauenring in Mannheim möglich. Die Hilfsaktion hat jedoch einen ernsten Hintergrund

Von 
Christine Maisch-Bischof
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Amalie-Ehrenamtliche Hanne Kerker empfiehlt eine schlichte, cognacfarbene Tasche. © Christine Maisch-Bischof

Mannheim. Die Mutter, die für ihre Tochter eine hinreißende Kreation in Pink entdeckt, der evangelische Dekan, der seiner Frau jedes Jahr etwas Ausgefallenes mitbringt - und die Modedesignerin, die eigentlich gar keine mehr braucht: Das Amalie-Team der Diakonie hat zusammen mit dem Deutschen Frauenring zum siebten Mal eine Handtaschenaktion zugunsten von Frauen in der Prostitution organisiert.

Und tatsächlich werden vom Bürgermeister bis zur Zufallspassantin fast alle Besucher fündig. Ein Erfolg, der sich auch im Erlös des Charity-Flohmarktes widerspiegeln dürfte. Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe lag die Zahl allerdings noch nicht vor.

Es ist noch früh am Morgen, als eine Schar von ehrenamtlichen Helfern einen meterlangen Stand auf dem Paradeplatz unter einem Berg von paillettenbestickten Abend-Accessoires, schlichten Korb-Bags, praktischen Shoppern und sportlichen Rucksackbeuteln begräbt. Und obwohl sich über dem N1-Turm dunkelgraue Wolken auftürmen, nehmen bereits die ersten Schnäppchenjäger Witterung auf. Endlich gibt Frauenring-Chefin Ute Münch, unter einem witzigen, handtaschenähnlichen Kostüm mit goldenen Applikationen nur im äußersten Notfall vor einem Platzregen geschützt, den Startschuss. „So, der Markt ist ab sofort eröffnet“, verkündet sie mit Blick auf die Wartenden.

Spenden in Mannheim für Frauen in Not

„Ich nehme einfach beide“, entscheidet Jianqing Ren. Die chinesische Wahl-Mannheimerin aus den Quadraten wählt zwei geflochtene Köfferchen und wertet den vorgeschlagenen Preis noch um zehn Euro Spende auf. „Das habe ich auch so gemacht“, stimmt Brigitte Franz zu. „Die Tasche ist es absolut wert“, findet die Casterfelderin. Zudem unterstütze sie das Charity-Angebot jedes Jahr: „Weil ich es schrecklich finde, wie die Frauen ausgebeutet werden.“

„Ja, diese Frauen, die in Not sind und die aussteigen wollen, die haben meist keine Stimme“, betont Amalie-Leiterin Astrid Fehrenbach: „Um den Blick auf ihr Schicksal zu lenken, darum machen wir diese Aktion.“ Dass es auf dem Paradeplatz überhaupt solch eine Vielfalt an Kreationen namhafter Modelabel, selbstgehäkelten Abendclutches oder Blümchenapplikationen gibt, das sei den zahlreichen emsigen Spendern zu verdanken.

Ein starkes Team: Thorsten Riehle, Astrid Fehrenbach (M.) und Ute Münch. © Christine Maisch-Bischof

Während Charlotte Kuchmecki eine dunkelblaue Schönheit mit jeder Menge Reißverschlussfächern ersteht, erzählt die Ruheständlerin aus der Neckarstadt-Ost, dass sie nicht nur bei Nachbarn und Freunden, sondern auch unter den Mitarbeitern ihrer Hausarztpraxis und in Maria Frieden, wo sie ehrenamtlich engagiert ist, rund 50 Taschen gesammelt habe.

Gleich 150 gute Aktions-Stücke haben die Damen vom Deutsch-Amerikanischen Frauenarbeitskreis (DAFAK) abgegeben „Und insgesamt schon wieder fast 20 Stück gekauft“, berichtet Cornelia Kilpert im Kreis von drei mit „Beutestücken“ am Arm behangenen Mitstreiterinnen.

Auch Kommunalpolitikerinnen und Stadträte aus Mannheim dabei

Eine ganze Tüte voll Originellem hat auch Regine Maier eingepackt: „Dabei brauche ich wirklich keine Handtasche mehr“, versichert die Modedesignerin von O.P.Q. in M 4,12. Doch eine Straußenleder- und eine Apachen-Felltasche, die mussten einfach sein: „Für meine Patenkinder.“ Und für die Beratungsstelle Amalie, die sie seit vielen Jahren engagiert unterstützt.

Beratung für Prostituierte

  • Seit 2013 berät das Amalie-Team des Diakonischen Werks Frauen in der Prostitution und die, die aus dem Milieu aussteigen wollen. 2023 fanden 1369 Beratungsgespräche statt. Aktuell werden acht Frauen bei der Wohnungs- und Arbeitssuche begleitet.
  • Allein in der seit 2016 angemieteten Ausstiegswohnung konnte Amalie bis heute 29 Frauen betreuen.
  • Zu den niederschwelligen Angeboten in der Draisstraße 1 zählen das Frauencafé, eine gynäkologische Sprechstunde für Frauen ohne Krankenversicherung und eine Kleiderbörse.
  • Weitere Informationen zu der Einrichtung gibt es unter www.amalie-mannheim.de.
  • Die Handtaschenaktion 2023 erzielte 8600 Euro. 2022 waren es 7500 Euro, 2020 kamen 7000 Euro zusammen, 2019 immerhin 6000 Euro und bei der ersten Aktion 2018 waren es 3575 Euro. mai

Inzwischen haben sich jede Menge Kommunalpolitikerinnen und Stadträte eingefunden, die für den guten Zweck hinter dem Verkaufstresen schmucke und originelle Preziosen feilbieten. „Dass die Amalie-Handtaschen-Aktion auf dem Paradeplatz stattfindet, ist ein starkes Zeichen dafür, dass wir die Frauen nicht alleine lassen“, sagt Diakonie-Direktor Michael Graf.

Viele wüssten oft nicht, in welcher Stadt sie gelandet sind oder wie sie den Alltag bewältigen können. Amalie helfe ihnen dabei, „konkret und niedrigschwellig“.

„Mit dieser Aktion machen wir auf Amalie und das Thema Armutsprostitution aufmerksam. Leider gibt es zu viele Klischees und zu wenig Hinschauen. Die allermeisten Frauen werden in Zwangs- und Abhängigkeitsverhältnissen gehalten“, betont Dekan Ralph Hartmann.

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Dem stimmt auch Bürgermeister Thorsten Riehle zu, der in diesem Moment die Geldscheine von einer Frau entgegennimmt, die direkt einen ganzen Schwung an Kreationen ersteht. „Das ist ja super gut für den Erlös, aber so viele. Was macht man damit?“, wundert er sich lachend über den Großeinkauf. Aber er hat auch eine zündende Idee gegen überquellende Schränke: „Fünf kaufen und im nächsten Jahr einfach wieder fünf spenden. So wie eine Leihgebühr.“ Perfekt!

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