Mannheim. Eine Petition der Bürgerinitiative “ALTER bleibt“ sorgt derzeit in der Mannheimer Neckarstadt für Wirbel. Die Initiatorin spricht sich für den Erhalt des Nachbarschaftsprojekts aus, über 5500 Personen haben bisher unterschrieben. Tatsächlich wird das ALTER am 30. September für immer schließen, wie der Vereinsvorsitzende Florian Budke im Gespräch mit dem „MM“ bestätigt.
Die Initiatorin der Petition, eine gewisse Nora Müller, bezeichnet es in ihrer Petition als zynisch, dass das Projekt in dem Stadtteil mit 70 Prozent nicht Deutsch-Muttersprachlern ausgerechnet dem Neubau des Forum Deutsche Sprache (FDS) weichen soll. „ALTER stirbt: Für den Erhalt von ALTER!“, lautet die Überschrift. Müller war bis Redaktionsschluss nicht ausfindig zu machen, so dass sie nicht befragt werden konnte.
Warum Florian Budke von der Petition nicht begeistert ist
Budke zeigte sich von der Petition allerdings wenig begeistert. „Persönlich freue ich mich über den Zuspruch, wie viele Leute unterschreiben. Den Wortlaut finde ich aber schwierig, und auch den Zeitpunkt finde ich nicht gut gewählt, weil wir gerade mit allen Akteuren darüber sprechen, wie wir das Projekt in Zukunft überhaupt stemmen können.“
Budke stört sich zudem an der schwarz-weiß-Malerei, das FDS sei Schuld, dass das Alter weichen muss. Es sei schon immer klar gewesen, dass das ALTER eine temporäre Einrichtung sei. Nun ist geplant, dass sich mit der OASE auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes das Projekt verstetigen soll. „Die Vorlage zum Grundsatzbeschluss des Gemeinderats sieht die zweite Platzhälfte bewusst für sportliche, kulturelle und andere öffentliche Freiraumnutzungen vor.
Die Kombination aus FDS und freier soziokultureller Nutzung bietet die große Chance einer starken Attraktivierung des südlichen Alten Messplatzes, stärker als das jeweils FDS und soziokulturelle Nutzung alleine könnten“, sagte Stadtsprecher Ralf Walther. Im Haushaltsplanentwurf für den Gemeinderat werde vorgeschlagen, Vorsorge für eventuell finanzwirksame Unterstützungsleistungen zu treffen. Die Stadt werde die Pause von ALTER nutzen, um mit allen relevanten Akteuren über die Zukunft und die passende Unterstützung zu sprechen.
Abbau von Bühnen und Basketballkörben im Oktober
Woher die Gerüchteküche um das Ende des ALTER kommt, kann Budke sich nicht erklären und legt die Hintergründe für die Entscheidung dar: Da sich der Spatenstich für das FDS verzögern wird, hat die Stadt dem Verein angeboten, das ALTER noch bis August 2024 weiter zu betreiben. Dies hat der Verein jedoch abgelehnt und hält wie geplant am Stichtag 30. September fest.
„Wir wollten nicht eine halbe Saison planen, die es ursprünglich schon nicht mehr geben sollte, und im August schon alles zurückgebaut haben müssen.“ Im Oktober werden die Bühnen abgebaut, die Basketballkörbe unspielbar gemacht, Pumptrack und Miniramp von der MWSP abtransportiert und das rosa Gebäude verbarrikadiert. Die Tischtennisplatten auf die zukünftige Fläche umgesetzt.
Dass am 30. September Schluss mit dem ALTER ist, sei laut Budke im Team kommuniziert worden und werde von allen Vereinsmitgliedern mitgetragen. Das Datum prangt schließlich - künstlerisch dargestellt - in voller Gebäudegröße an der Seitenwand des pinkfarbenen Containers auf dem Alten Meßplatz.
In die Bevölkerung sei das Ende des ALTER nur deshalb noch nicht aktiv kommuniziert worden, weil der Verein eigentlich mit Forderungen nach außen treten wolle, sagt Budke. „Nun redet jeder über diese Petition anstatt darüber, was wir als Verein eigentlich brauchen.“ Der Verein hätte eine zielgerichtete Petition gebraucht; aber erst nachdem klar ist, welche Mittel benötigt und Forderungen überhaupt gestellt werden.
Der Verein ist gerade im Findungsprozess, wie die der kleinere Fläche bespielt werden soll, wenn die Förderung der OASE Ende des Jahres ausläuft. „Wir sind alle ausgebrannt. Bis die neue Saison startet, wollen wir die Zeit nutzen, Ideen zu sammeln und uns ein neues Konzept zu überlegen“, sagt Budke. Das ehrenamtliche Engagement habe dem Verein in den vergangenen sechs Jahren viel abverlangt. Ohne gesicherte Mittel könne das zehnköpfige Team das Projekt jedenfalls nicht weiterführen.
Dealer attackieren ALTER-Mitarbeiter
Dass der Verein die Belastung ohne Hilfe nicht mehr stemmen kann, wird schon jetzt deutlich. Die Fläche verkommt zunehmend, es ist ungemütlich am ALTER geworden: Wo vorher viele Kinder, Jugendliche und Erwachsene Spielgeräte und Instrumente ausgeliehen haben, Sport gemacht, Musik gehört und etwas getrunken haben, tummeln sich nun vermehrt Drogendealer, Betrunkene und Obdachlose, die sogar mit Schlafsäcken auf der Bühne nächtigen. Ein geringfügig beschäftigter Sozialarbeiter reiche laut Budke nicht aus, um die Fläche zu betreuen.
Aber auch für das Team hat sich die Situation laut Budke drastisch verschärft. Mitarbeiter seien von jungen Dealergruppen verbal angegriffen und zu Hause aufgesucht und abgefangen worden. Der Verein habe daraufhin mehrfach den Ordnungsdienst und die Polizei gerufen. „Die Polizei kontrolliert jetzt häufiger, dadurch ist es auch schon besser geworden.“
Die Vorsitzenden Julia Alicka und Florian Budke fordern, dass es nun an der Stadt ist, die Zwischennutzung nicht nur verbal, sondern auch finanziell zu einer Mannheimer Institution zu machen. Vielleicht wird sich die Petition in dieser Hinsicht doch nicht als hinderlich herausstellen; denn die Unterschriften sind ein deutliches Signal an die Kommunalpolitik, dass die Bewohner der Neckarstadt sich weiterhin ein Projekt wie das ALTER wünschen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Nahendes Ende des ALTER: Große Lösung wagen