Mannheim. Eineinhalb Jahre der Jugend auf Sparflamme leben und die Zeit nicht nachholen können – so ging es vielen jungen Leuten in der Coronazeit. Keine Abifeier, keine Unifete, nicht einmal gemeinsam im Hörsaal sitzen und sich austauschen können. Wer würde sich nicht seinen Freiraum zum Feiern suchen und sich auf der Neckarwiese oder im Jungbusch treffen?
Um den jungen Leuten Gehör zu verschaffen, lautete das Motto des Aktionstags der Jusos „Jugend und Corona – für mehr Freiräume in Mannheim!“. Anlass der Aktion war das von der Stadt erlassene Alkoholverbot im Jungbusch und auf der Neckarwiese. Freitags und samstags darf zwischen 0 Uhr und 6 Uhr kein Alkohol auf öffentlichen Plätzen konsumiert werden. Weiter gefeiert werden darf nur in Lokalen, und dort sind die Getränke teuer, für manche Jugendliche zu teuer.
Der SPD-Nachwuchs traf sich mit Jugendlichen und deren Interessenvertretern auf der Neckarwiese, um über dieses Thema zu diskutieren, Verstärkung erhielten sie von SPD-Bundestagskandidatin Isabel Cademartori. „Eineinhalb Jahre waren wir zuhause, jetzt können wir endlich wieder mit Freunden auf der Neckarwiese chillen, aber auch das ist eingeschränkt“, sagte Annalena Wirth, Kreisvorsitzende der Jusos, die die Diskussionsrunde leitete.
„Im Jungbusch ist die Sache wegen der Anwohner differenzierter, anders als hier auf der Neckarwiese. Die Stadt will, dass die Situation nicht eskaliert, aber ich finde das Verbot nicht verhältnismäßig.“ Während des Lockdowns habe es lange Zeit nichts für Jugendliche gegeben, dann wurde der Jungbusch immer mehr zum Treffpunkt, der Lärm nahm zu, die Anwohner beschwerten sich.
Hinzu kamen die Bilder von randalierenden Jugendlichen, zum Beispiel aus Stuttgart. „Man wurde nervös und dachte, nicht, dass es hier auch passiert. Mit dem Alkoholverbot hat man darauf reagiert“, meinte Cademartori und schlug vor, den Jugendlichen einen Freiraum Richtung Hafen zu schaffen, nicht direkt „vor den Fenstern der Bewohner“. Um im Jungbusch zwischen Anwohnern und Feiernden auf Augenhöhe zu vermitteln, gibt es seit etwa einem Jahr die „Nachtschicht“, ein Team, das zur Partyzeit auf Tour geht. Einer davon ist Emiliano Trujillo: „Die Gesellschaft hat durch den Lockdown die Geduld verloren. Nach der Ruhe kam die Lautstärke. Wie kommen wir den Menschen entgegen, damit sie sich entfalten können? Man muss den Jungbusch entlasten, damit sich nicht die Masse dort trifft und neue Bereiche für die Jugendlichen finden, zum Beispiel die Neckarwiese.“
Annalena Wirth fügte hinzu, dass Corona für Verbote vorgeschoben werde: „Bei Leuten, die friedlich feiern, ist es egal, wann und wo sie Alkohol trinken.“ Ein weiterer Grund, dass Jugendliche so massiv im Jungbusch präsent seien, könnte auch der Wegfall der sportlichen Angebote sein. „Die Sportvereine hatten geschlossen, die Jugendlichen hatten Stress im Homeoffice. Es gab Mitgliederschwund in den Vereinen, auch die Spitzensportler konnten nicht trainieren“, sagte Michael Holzwarth von der Sportkreisjugend Mannheim. „Es gab Änderungen der Regeln im Wochenrhythmus, die Perspektive fehlte.“
Während die Sportler noch einige Alternativen finden konnten, hingen die Studierenden komplett auf dem Abstellgleis fest. „Die Studis, die woanders herkamen, saßen allein daheim. Sie kommen in eine fremde Stadt, kennen niemanden, da kann man sich vorstellen, was das mit der Psyche macht“, meinte Hamun Zourmand, Vorsitzender des Studierendenausschusses der Uni Mannheim. „Das soziale Leben kommt wieder zurück, die Leute wollen es ausleben und mal wieder etwas trinken. Das ist kein Freifahrtschein, aber ein Alkoholverbot ist nicht das richtige Mittel. Die jungen Menschen haben gezeigt: Wir können verantwortungsbewusst handeln.“
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Partymeile Jungbusch: Feierwütige umlenken, statt dauerhaftes Alkoholverbot