Mannheim. Ahmad Mansour ist ein streitbarer Mann. Ein Mann, der Kontroversen auslöst und dessen eigener Lebensweg ebenfalls kontrovers verläuft. Mansour wird 1976 als Sohn arabischer Israelis in Israel geboren. Als Jugendlicher sympathisiert er mit der fundamentalistischen Muslimbruderschaft, wird beinahe zum Islamisten. Heute kritisiert der Psychologe und Autor arabisch-palästinensischer Herkunft dagegen den radikalen Islam und engagiert sich gegen Antisemitismus.
„Ich kann in Deutschland nicht ohne Personenschutz auf die Straße, weil der Hass so explodiert, so eskaliert ist“, hat er in einer ARD-Dokumentation gesagt, die jüngst im Magazin „Report München“ zu sehen war. Am kommenden Mittwoch, 17. April, besucht Mansour nun Mannheim, wo er auf Einladung von Jüdischer Gemeinde und Deutsch-Israelischer Gesellschaft (DIG) zum Thema „Zwischen Gaza und Mannheim – Antisemitismus und Propaganda auch in Deutschland?“ spricht.
Empathie mit Mannheims Jüdinnen und Juden ausdrücken
Er wolle seine Empathie für die Jüdinnen und Juden in Mannheim ausdrücken, die in Deutschland eine der „größten und schwersten Krisen“ seit Jahrzehnten erlebten, sagt Mansour im Vorgespräch. „Ich möchte Menschen auch klarmachen, was gerade abgeht, warum es zum Krieg gekommen ist und Israel so reagiert wie es reagiert“, erklärt er. „Israel muss diesen Krieg gegen eine Terrororganisation führen, um weiter existieren zu können.“ Nach anfänglichen Sympathiebekundungen sei die Stimmung in Deutschland gegenüber Juden „komplett gekippt“. Auf der Straße, vor allem im Internet. „Der Schutz in einer Demokratie muss auch online stattfinden.“
Diesen Eindruck bestätigen – wenig überraschend – die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Heidrun Kämper, und der Vorsitzende der DIG, Chris Rihm. Ihre größte Sorge sei, sagt Kämper, dass vom Hass, den Jüdinnen und Juden in Mannheim in sozialen Medien erlebten, ein Funke auf die Straße überspringt. „Dann haben wir in Mannheim Verhältnisse wie in Berlin.“ Unter anderem von der dortigen Freien Universität waren Vorfälle bekannt geworden, in denen pro-palästinensische Gruppen Stimmung gegen Israel gemacht und zum Teil jüdische Studentinnen und Studenten schikaniert haben.
Mansour in Mannheim: Interessierte müssen sich anmelden und vor Ort ausweisen
Auch deshalb sei Mansours Besuch ein „großer Gewinn“, meint Kämper. Er könne die Perspektive Israels und die Perspektive des Palästinensers, als der er geboren wurde, einbringen. „Ganz besonders interessant und wertvoll ist die Perspektive des Psychologen. Diese drei Komponenten sind nicht alltäglich.“
Dass der Besuch nicht überall auf Gegenliebe stoßen wird, kommt einer Binse gleich. Mannheim brauche den kontroversen Diskurs, den Mansour einbringen könne, ist Rihm aber überzeugt. „Auch wenn damit nicht alle zufrieden sein werden.“ Die Vorkehrungen sind hoch: Unter anderem müssen sich Interessierte auf der Webseite der DIG anmelden und vor Ort ausweisen.
Jüdische Gemeinde Mannheim: "Wissen, wer unsere Freunde sind"
„Natürlich“ gebe es muslimischen Antisemitismus, sagt Mansour. Der sei aber auch nur ein Teil des Problems. „Wir haben auch viele Linke, die zum Beispiel an Universitäten die antisemitische Welle mitgetragen haben.“ Er verstehe, wenn man für ein Ende des Kriegs demonstriert. „Aber den Terror nicht als Terror zu benennen, ,from the river to the sea’ zu rufen und das Existenzrecht Israels infrage zu stellen, ist keine Friedensdemonstration. Im Gegenteil“, sagt Mansour.
Kämper betont, die Jüdische Gemeinde Mannheim wisse, „wer unsere Freunde sind“. Ganz konkret wird die Vorsitzende dabei zwar nicht, erzählt aber von der interreligiösen Mahnwache auf dem Paradeplatz im Herbst. „Ein unvergessliches Erlebnis“, an dem Vertreterinnen und Vertreter alle Religionen zusammengekommen waren und sich gegenseitig Solidarität bekundeten. „Daraus schöpfe ich Hoffnung.“
Mannheimer DIG-Vorsitzende fühlt sich von Behörden "immer wieder im Stich gelassen"
Im April ist die Situation aber eine andere. Vor dem Ramadan haben regelmäßig Tausende gegen Israel demonstriert. Rihm berichtet von „reinem Israel-Hass“, der der DIG im Internet entgegenschlage. Zuletzt wurde die Meile der Religionen abgesagt, was Oberbürgermeister Christian Specht mit einer „bestimmten Verunsicherung“ und einem „Bedrohungsgefühl bei jüdischen Mitbürgern und anderen“ begründete. In den vergangenen Tagen wurde zudem das Haus beschmiert, in dem die DIG die israelische Ausstellung "6:56" zeigt.
Rihm indes kritisiert – wie auch in der Vergangenheit – den in seinen Augen oftmals mangelnden Schutz pro-israelischer Veranstaltungen. „Wir haben immer wieder den Eindruck, dass wir von der Verwaltung und den Sicherheitsbehörden im Stich gelassen werden“, sagt der Vorsitzende der DIG. Er wünsche sich etwa „deutlichere“ Worte der Stadtspitze, wenn pro-palästinensische Gruppen wie Free Palestine ihn persönlich, Mitglieder der Jüdischen Gemeinde oder auch Journalisten in sozialen Medien beschimpfen oder denunzieren.
Jüdische Gemeinde Mannheim: Anerkennung des Existenzrecht Israels Bedingung für Dialog
Wie können sich in Mannheim beide Seiten – die pro-israelische und die pro-palästinensische – wieder annähern? Gibt es seitens der Jüdischen Gemeinde und der DIG die Bereitschaft zum Dialog? Dahingehend ist das Pressegespräch eher ernüchternd. Kämper betont als Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde für Gespräche die Bedingung, das Existenzrechts Israel anzuerkennen. „Diese Anerkennung haben wir bei vielen Gruppen in Mannheim nicht.“ Rihm stimmt dem zu. Er wolle sich einem Dialog nicht verschließen. „Wie soll ich aber einen Diskurs mit jemandem führen, der das Existenzrecht nicht nur des Staats, sondern auch der Jüdinnen und Juden, die darin leben, nicht anerkennt?“
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