Mannheim. Seit gut vier Monaten hat die Afrikanische Schweinepest (ASP) Mannheim erreicht. Seitdem wird auch im Käfertaler Wald im Zuge der Seuchenpräventionsmaßnahmen intensiv gegen Wildschweine vorgegangen. Zentrales Instrument dabei ist der Abschuss der Tiere durch Jäger. Einem Mannheimer Jagdpächter ist die strikte Vorgehensweise des sogenannten Entnahmeteams des Landes aber zu brutal. Die Umsetzung der Maßnahmen „unter dem Deckmantel der Seuchenprävention“ bezeichnet der Jagdpächter, der anonym bleiben will, gegenüber dieser Redaktion als „tierschutzrechtlich und jagdethisch höchst fragwürdig“.
Zwar weiß der Jagdpächter natürlich, dass die weitere Ausbreitung der ASP verhindert werden muss und es dafür nötig ist, die Wildschweine zu erlegen. Seitens der Entnahmeteams des Landes Baden-Württemberg aber finde im Käfertaler Wald – obwohl hier bisher noch kein einziges infiziertes Tier aufgefunden worden sei – keine „differenzierte Entnahme auf Basis veterinärmedizinischer Erkenntnisse, sondern eine pauschale Auslöschung ohne Rücksicht auf Art, Alter oder Sozialstruktur der betroffenen Tiere statt“, kritisiert der Jagdpächter. Weiter spricht er von Tierquälerei sowie „Aasjägerei“, also von einer unwaidmännischen Jagd.
Die Waidgerechtigkeit ist ein Ehrenkodex unter Jägern. Sie beschreibt, wie sie sich bei der Jagd zu verhalten haben. Das bezieht unter anderem Tierschutzaspekte, die Chancengleichheit zwischen Mensch und Tier oder den Umgang mit erlegtem Wild ein. Es gilt zum Beispiel, den Tieren unnötige Schmerzen und Leid zu ersparen, ihnen die Möglichkeit zur Flucht zu geben und erlegte Tiere etwa zu Lebensmitteln zu verarbeiten.
Mannheimer Jagdpächter kritisiert wahlloses Abschießen der Wildschweine
Bei der Seuchenprävention durch die Entnahmeteams werde aber sowohl massiv gegen diese ungeschriebenen Verhaltensregeln als auch gegen das Tierschutzgesetz verstoßen, beschwert sich der Jagdpächter über die Herangehensweise. Bei „regelrechten Hetzjagden“ würde wahllos auf die Wildschweine, darunter auch Muttertiere, geschossen. Mitunter werde das Tier erst mal angeschossen, um es dann im schwächelnden Zustand endgültig zu erlegen, was unnötiges Leid für das Tier bedeute. Zudem würden die Wildschweine nicht weiter verarbeitet werden.
„Von Jagd im herkömmlichen Sinne kann nicht mehr die Rede sein – es handelt sich um operative Tötungsaktionen“, behauptet der Jagdpächter. So sollen seinen Angaben zufolge die durch das Ministerium für Ländlichen Raum beauftragten Berufsjäger des Entnahmeteams beispielsweise zwischen dem 14. und 19. Juni rund 60 Wildschweine erschossen haben. „Unterschiedslos getötet und anschließend entsorgt – ungeachtet ihres gesundheitlichen Zustands oder ASP-Befunds“, sagt der Jagdpächter.
Wir befinden uns in der Seuchenbekämpfung, nicht im normalen Jagdgeschehen.
„Wir befinden uns in der Seuchenbekämpfung, nicht im normalen Jagdgeschehen“, entgegnet ein Sprecher des Ministeriums für Ländlichen Raum auf Anfrage dieser Redaktion. Um die Ausbreitung der ASP zu verhindern, greifen derzeit verschiedene Maßnahmen, die miteinander kombiniert werden. Hierzu gehören etwa die Einzäunung der Gebiete, ein verstärktes Monitoring oder eben die Jagd. Es gelte in bestimmten Zonen, den Wildschweinbestand „auf nahezu null zu reduzieren, um die Tierseuche einzudämmen und zum Erliegen zu bringen“, erklärt der Sprecher. Die Maßnahmen seien mit dem Bund sowie der EU abgestimmt oder vorgegeben und Teil des aktuellen Gesamtseuchengeschehens in Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz.
Inzwischen gibt es nach Angaben des Ministeriums 23 positive ASP-Befunde (Stand 30. Juni) in Baden-Württemberg. Alle befinden sich in der Region. So wurden acht Fälle im Rhein-Neckar-Kreis festgestellt, davon sieben bei Laudenbach und einer bei Hemsbach. Die 15 weiteren infizierten Tiere wurden in Mannheim verzeichnet. Die Fundorte befinden sich alle nördlich der A6 an der Grenze zu Hessen. Die Stadt hatte den ersten positiven ASP-Befund auf Mannheimer Gemarkung am 7. März vermeldet. Am 17. April war von sieben weiteren Fällen die Rede.
23 positive ASP-Befunde im Land – 15 davon auf Mannheimer Gemarkung
Seitdem gehört das ganze Stadtgebiet zum Sperrbezirk II, also zur infizierten Zone. Die Folge ist die verstärkte Jagd auf Wildschweine. Baden-Württemberg setzt bei der Bekämpfung der ASP „auf einen Dreiklang aus Bejagung des Schwarzwildes durch die Jägerschaft, der Entnahme von Schwarzwild durch Dritte (Entnahmeteam) und der Entnahme von Schwarzwild durch Saufänge“, also bestimmte Fallen für Wildschweine, erklärt der Ministeriumssprecher.
Dabei seien die Einsätze des Entnahmeteams und der Saufänge Instrumente der Tierseuchenprävention und von der klassischen Jagd zu unterscheiden. Jedoch seien die Maßnahmen mit den örtlichen Jägern abgestimmt. Die Saufänge jedoch könnten „die Wildschweine in Panik versetzen, verletzen und massives Tierleid verursachen“, kritisiert der Mannheimer Jagdpächter die Methode.
Zum Vorwurf des Jagdpächters, es würde seitens der Entnahmeteams Tierquälerei betrieben und sich nicht ans Tierschutzgesetz sowie die Waidgerechtigkeit gehalten, äußert sich der Ministeriumssprecher nicht direkt. Er weist aber darauf hin, dass für die Jägerschaft sowie für das Entnahmeteam dieselben jagd- und tierschutzrechtlichen Regelungen gelten und dieselben jagdlichen Methoden zum Einsatz kommen. „Für eine erfolgreichere Bejagung des Schwarzwildes müssen alle Möglichkeiten, die sich bieten, abgeprüft und umgesetzt werden“, heißt es dazu im Maßnahmenkatalog des Landes zur Bekämpfung der Seuche.
Land arbeitet an Vermarktungskonzept zur Verwertung der Wildschweine
Auch auf die Kritik des Jagdpächters, dass die nicht infizierten Wildschweine nach dem Abschuss der Entnahmeteams des Landes entsorgt und nicht verwertet werden, geht der Sprecher zunächst nicht ein. Erst auf Nachfrage bestätigt er, dass die durch das Entnahmeteam erlegten Wildschweine derzeit allesamt komplett entsorgt werden. Das liege auch daran, dass die Vermarktung der „unheimlichen Mengen“ an erlegten Wildschweinen derzeit schwierig sei. Das Ministerium arbeite deswegen „an einem Vermarktungskonzept, um das anfallende Wild einer Verwertung zuzuführen“, betont der Sprecher.
Da ist es mit der Jägerehre nicht weit her.
Anfragen zur besseren Einordnung der Sachlage an die Jägervereinigung Mannheim und den Landesjagdverband blieben bislang unbeantwortet. „Die beauftragten Berufsjäger entbehren jeglicher jagdethischer Verantwortung“, meint der Mannheimer Jagdpächter. „Und das in einem Berufsstand, der Ehre und Verantwortung gegenüber Leben und Schöpfung als oberste Werte definiert – da ist es mit der Jägerehre nicht weit her“, sagt er weiter.
Der Ministeriumssprecher dagegen macht darauf aufmerksam, dass es sich bei der ASP um eine Krankheit handelt, die nicht nur für Wildschweine, sondern auch Hausschweine tödlich verläuft. Für den tierhaltenden Betrieb würde das mit einem enormen wirtschaftlichen Schaden einhergehen. Ein Übergreifen auf Hausschweinebestände gelte es daher unbedingt zu vermeiden, sagt der Sprecher und betont gleichzeitig: „Die konsequente Bekämpfung der Seuche hat oberste Priorität, da es für die betroffenen Tiere ein qualvoller Tod ist.“
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Die Seuche, die niemanden interessiert