Viernheim. Beim Anglersee im Viernheimer Wald stinkt es erbärmlich. „Da liegen schon eine Weile etwa zehn tote Wildschweine“, sagt Patrick Rohloff. Er ist einer von fünf Jägern, die sich im Auftrag der Stadt um das Schweinepest-Geschehen im Wald zwischen Mannheim und Lampertheim kümmern. Kümmern heißt, tote Tiere zu finden und zu bergen. Sie kommen kaum hinterher, obwohl noch weitere Kräfte im Einsatz sind. Den hier und da geäußerten Gedanken, die Seuche erspare die regelmäßigen Treibjagden wegen der Überpopulation, bezeichnet Rohloff als „absoluten Schwachsinn“. „Die Tiere verrecken elendig. Sie erleiden sehr große Qualen.“
Die Seuche müsse deshalb nicht zuletzt aus Respekt vor der Kreatur eingedämmt werden. „Wenn Sie so einen kleinen Frischling sehen, wie er sich quält in seinen letzten Zügen, dann geht das ans Herz.“ Wir treffen den Jäger, einen 40-jährigen Familienvater aus Viernheim, in seinem Revier. Stößt er außerhalb dieses ihm zugewiesenen Reviers auf noch lebende, aber leidende Tiere, darf er sie nicht mit dem Gewehr erlösen. Das wäre nach dem Gesetz Wilderei, erklärt er. Und bis ein autorisierter Kollege gefunden sei, wäre es für das Tier ohnehin zu spät.
Das Virus löst zunächst sehr hohes Fieber aus, es folgen Atemnot, Husten und Durchfall, bis das Tier elend verendet. „Dieser Prozess dauert etwa zehn Tage, bis das Tier grausam verendet. Das ist wirklich eine sehr traurige Angelegenheit.“ Rohloff empfindet großes Mitleid mit den Tieren. „Wir Jäger schießen nicht nur. Wir hegen und pflegen.“
Nur ein Bruchteil der Wildschweine bleibt von der Seuche verschont
Das Virus ist für den Menschen ungefährlich, aber für Haus- und Wildschweine hoch ansteckend. Es gelangte, wie Rohloff bestätigt, im Jahr 2000 mit Tiertransporten von Afrika nach Osteuropa und breitete sich kontinuierlich nach Süden und Westen aus. Vor einem Jahr war dann der erste Fund im Kreis in Einhausen. Seit dem steigen die Infektionszahlen rasant.
Es gibt keinen Impfstoff gegen das Virus. Man hat es mit dem Mittel gegen die klassische europäische Schweinepest versucht, jedoch ohne Erfolg. Laut Rohloff erklärte der Deutsche Jagdverband jetzt, es würde weiterhin geforscht.
Der Jäger erklärt das Vorgehen seines Bergetrupps. Die Männer stoßen per Zufall oder beim gezielten Suchen auf die Kadaver. Diese werden in robuste Kunststoffsäcke gepackt und zum Autoanhänger getragen. Auf diesem setzten die Jäger einen Schnitt an, um Proben zu entnehmen, die sie zum Veterinäramt schicken. Letztendlich landen die toten Tiere dann in der Tierkörperverwertung in Hüttenfeld.
„Es hat anfangs schon große Überwindung gekostet, sich den Kadavern zu nähern und sie zu bergen.“ Wenn die Verwesung bereits eingesetzt habe, rieche es abscheulich. Aber, sagt Patrick Rohloff, mit der Zeit sei er abgestumpft. Schätzungen zufolge werden höchstens fünf Prozent des Bestands im Viernheimer Wald übrig bleiben. „Natürlich haben Wildschweine auch einen Nutzen für den Wald, durch ihr Wühlen lockern sie den Boden auf.“
Jäger warnt: Leinenpflicht bei Schweinepest zwingend einhalten
Eine Botschaft an die Bevölkerung liegt dem Viernheimer Jäger besonders am Herzen: „Halten Sie sich unbedingt an die Regeln.“ Und die sind nicht zu übersehen. Nicht nur, dass die Medien fortlaufend darüber berichten. Wenn ein Gebiet nicht gänzlich gesperrt ist, wie zwischen Hüttenfeld und Neuschloss, hängen an jedem Anfang eines Waldwegs große Plakate.
„Leinen los kann tödlich sein“, heißt es etwa auf einem Schild. Die Hunde müssten in der aktuellen Brut- und Setzzeit ohnehin an die Leine, sagt Rohloff. Aber jetzt, bei der Schweinepest, müsse man sich um so mehr und unbedingt daran halten. „Riecht ein frei laufender Hund an einem Kadaver, nimmt er den Erreger auf. Der ist für ihn ungefährlich. Wenn Frauchen aber später in Pfälzerwald spazieren geht, kann der Hund das Virus dort platzieren.“
Diese Art der Verbreitung der Seuche soll mit den Regeln und Verboten verhindert werden. Ziel der Bekämpfer ist es, die Seuche dort zu binden, wo sie ausgebrochen ist. Wenn das nicht gelingt, wird sie vollends unbeherrschbar. Aus eben diesem Grund sollen Waldbesucher sich ruhig verhalten und die Wege nicht verlassen.
146 positive Funde im April: Schweinepest erreicht neuen Höchststand
„Knapp daneben kann tödlich sein“, lautet ein weiterer Hinweis. Wer Speisereste neben den Mülleimer wirft, oder gleich auf den Waldboden, muss wissen, dass sich etwa in Wurst der Erreger befinden kann. Wildschweine fressen solchen Müll – und infizieren sich möglicherweise.
Laut Matthias Schimpf, unter anderem Dezernent für Veterinärwesen beim Kreis, gab es allein im April 205 Funde im Viernheimer Wald, der Großteil Kadaver. 59 Funde waren negativ, 146 positiv. Im Kreisgebiet sind insgesamt 1.675 Fälle registriert. Neben dem Viernheimer Bergeteam sind hier noch Teams aus dem Odenwald, Leute vom Veterinäramt sowie Jäger mit speziellen Suchhunden aktiv. Sie kommen aus ganz Deutschland nach Viernheim.
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