Kommunalwahlkampf

Ärger um Wahlplakate in Mannheim: CDU "übermotiviert"

Die Hemmschwelle sinkt - diese Erfahrung hat Mannheims Kommunalpolitik beim Anbringen der Wahlplakate gemacht. Derweil zeigt sich die CDU "übermotiviert" und hängt ihre Wahlwerbung bereits vor der vorgegebenen Frist auf

Von 
Stefanie Ball und Sebastian Koch
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Mehr als 17 000 Plakate werden in den kommenden Wochen im Stadtgebiet hängen. © Stefanie Ball

Mannheim. Alle Wahlkampfjahre wieder gibt es Ärger um das Anbringen der Plakate. Die Konterfeis der Kandidatinnen und Kandidaten dürfen nämlich nicht beliebig lang vor der Wahl die Straßen säumen, sondern es gilt eine Frist, und die liegt in Mannheim bei sechs Wochen vor dem jeweiligen Wahltermin. Für die anstehende Kommunal- und Europa-Wahl am 9. Juni bedeutete das: Ab Sonntag, 28. April, beginnend um Mitternacht, war das Aufhängen zulässig.

Stellvertretender CDU-Kreisvorsitzender muss Junge Union zurückrufen

Tatsächlich grüßten Kandidaten der CDU schon Freitagnachmittag von Laternenpfählen vor allem im Mannheimer Norden. „Da waren ein paar Helfer insbesondere der Jungen Union übermotiviert“, räumt Claudius Kranz, CDU-Fraktionschef im Mannheimer Gemeinderat, auf Nachfrage dieser Reaktion ein. Die SPD habe die CDU auf die Plakatierer aufmerksam gemacht, Lennart Christ, stellvertretender CDU-Kreisvorsitzender, habe den Trupp wieder zurückgepfiffen.

Sind Plätze an Laternenpfählen für Wahlplakate reserviert?

Es gab allerdings auch Plakate, die auf den ersten Blick aussahen wie Wahlplakate, aber keine waren, sondern Veranstaltungshinweise. Ein solches Plakat beispielsweise hing in Neckarau, die beiden SPD-Stadträte Bernhard Boll und Reinhold Götz luden hier zu einem Stadtteilgespräch am 25. April ein. Laut Kranz hatte der Fachbereich Sicherheit und Ordnung der Stadtverwaltung die Parteien erst unlängst darauf aufmerksam gemacht, nicht kurz vor der Frist am 28. April für Veranstaltungen zu werben, um sich auf diese Weise Plätze an den begehrten Laternenpfählen fürs spätere Wahlkampfplakatieren zu reservieren.

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Dass dies das Ansinnen der SPD gewesen sei, weist Michael Kohler, Wahlkampfkoordinator der Sozialdemokraten, zurück. Die Vor-Ort-Gespräche der SPD-Fraktion gebe es erstens seit Jahren, zweitens halte man sich an die städtischen Plakatierungsrichtlinien. Danach könne mit Plakaten für politische Veranstaltungen 15 Tage vor der Veranstaltung geworben werden, nach sieben Tagen müssten sie entfernt werden.

„Die SPD-Fraktionsveranstaltungen mit den Bürgergesprächen dienen mitnichten der künstlichen Sicherung von Plakatierungsstandort“, so Kohler. Davon abgesehen sei kein Schreiben der Stadtverwaltung, das noch einmal erinnere, nicht kurz vor Plakatierungsbeginn zur Kommunalwahl Plakate mit Hinweisen zu Veranstaltungen aufzuhängen, bei der SPD bekannt.

SPD-Politiker beim Plakatieren körperlich angegangen

Derweil trudeln bereits die ersten Klagen über beschädigte und beschmierte Plakate ein. Und nicht nur das: Die SPD-Politiker Kai-Uwe Herrenkind und Markus Sprengler wurden nach eigenen Angaben während des Plakatierens körperlich angegangen. Die Sozialdemokraten plakatierten gerade am Neuen Meßplatz, als ein Mann auf sie zulief. Mit einem Joint im Mund und offenbar angetrunken, soll er ihnen laut Herrenkind aggressiv zugerufen haben: „Wenn Sie das Plakat aufhängen, kann ich es gleich wieder runterreißen.“ Nachdem er Herrenkind angerempelt habe, soll er das Plakat wieder vom Mast gerissen haben. „Dann ist er uns noch angegangen“, erklärt Herrenkind dieser Redaktion. „Es ist zum Glück niemand verletzt worden. Hätten ihn nicht zwei, drei Freunde zurückgerufen, wäre aber vielleicht Schlimmeres passiert.“

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Trotz Alkohol und Joint soll der Mann klar gewirkt haben. „Er wusste, was er sagt und tut“, sagt Sprengler. Ein Video, das der Stadtrat gedreht hat, unterstützt diesen Eindruck. Sprengler hat Anzeige erstattet: „Es geht nicht, dass wir körperlich angegangen werden, wenn wir uns kommunalpolitisch engagieren.“ Bereits in den vergangenen Tagen war er in einem Graffito in Neckarau namentlich diffamiert worden. Auch Herrenkind, der die SPD in der Neckarstadt führt, spricht von einer „Hemmungslosigkeit, die sich einschleicht“.

Plakat von Gerhard Fontagnier mit "Z" beschmiert

Indes haben Unbekannte das Gesicht von Gerhard Fontagnier auf einem Plakat ins Fadenkreuz genommen und das Schild außerdem mit einem „Z“ beschmiert, das als Zeichen der russischen Armee im Krieg gegen die Ukraine gilt. Der Grünen-Stadtrat will ebenfalls Anzeige erstatten, auch wenn er dieser Redaktion sagt: „Plakate kaputtzumachen, ist mittlerweile Standard.“ Als erfahrener Wahlkämpfer zählt Fontagnier auch Beschimpfungen zum „normalen Tagesgeschäft“ in der Kommunalpolitik. 2019, erinnert er sich, sei atmosphärisch ein vergleichsweise ruhiger Wahlkampf gewesen. Ansonsten habe es immer wieder Zerstörungen, Schmierereien, Beschimpfungen gegeben. „Ein Fadenkreuz im Gesicht ist aber nochmal eine andere Nummer.“ Vor allem jüngere, unerfahrenere Menschen, die sich im Wahlkampf engagieren, würden sich die Anfeindungen zu Herzen nehmen. „Es gibt Leute, die Angst haben und zum Beispiel beim Plakatieren nicht allein unterwegs sein wollen. Das ist bedenklich.“

Andreas Parmentier, Spitzenkandidat der Tierschutzpartei, kritisiert auf Instagram einen Stapel heruntergerissener Plakate im Käfertaler Wald. Auf dem Bild sind Werbungen von AfD, SPD und Linke zu sehen. SPD-Stadträtin Andrea Safferling berichtet indes unter anderem von zahlreichen heruntergerissenen Schildern in Sandhofen und auf der Schönau. „Die Plakate sind zum Teil zerstört.“

Mehr als 17 000 Plakate im Stadtgebiet

Angesichts der schieren Anzahl der Plakate wird am 9. Juni jedenfalls niemand sagen können, er habe nicht gewusst, dass Wahlen stattfinden. Laut der Event und Promotion GmbH, bei der die Parteien ihre Plakatmengen anzeigen müssen, sind mehr als 17 200 Plakate angemeldet worden.

Freie Autorin

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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